Auf den meisten Darstellungen des gekreuzigten Jesus ist sein Blick gesenkt und leicht nach rechts gerichtet – so auch auf dem berühmten Fresko von Giotto in Assisi aus dem 14. Jahrhundert oder auf dem Isenheimer Altar aus dem 16. Jahrhundert. Doch was verbirgt sich hinter dieser Tradition?

Während Ostern als das höchste Fest der Christenheit gilt, tritt der Karfreitag oft in den Hintergrund. Dabei ist die Kreuzigung mit der vorangegangenen Passion eines der eindrucksvollsten und dramatischsten Motive der Bibel. Jesus und sein Leiden stehen im Mittelpunkt.

Doch ein Detail ist wichtig: Neben ihm wurden zwei weitere Männer gekreuzigt – die sogenannten Schächer. Obwohl sie in vielen Darstellungen nicht direkt im Bild erscheinen, spielt ihre Anwesenheit eine entscheidende Rolle.

Was berichten die Evangelisten?

Die beiden Männer, die neben Jesus gekreuzigt wurden, werden in allen vier Evangelien erwähnt. Das Johannes-Evangelium beschreibt nur, dass Jesus zwischen zwei anderen Männern hängt, aber man erfährt nichts über ihre Taten oder ihren Hintergrund.

Markus und Matthäus gehen mehr ins Detail. Sie berichten von zwei Räubern, die links und rechts von Jesus gekreuzigt werden – und sich ebenso wie die vorbeiziehende Menge über ihn lustig machen.

Historisch gilt es als wahrscheinlich, dass sich Matthäus eng an Markus anlehnte und dessen Bericht lediglich ergänzte.

Lukas: Ein besonderer Dialog

Das Lukas-Evangelium weicht hier deutlich ab. Nur Lukas berichtet von einem Gespräch zwischen Jesus und den beiden Mitgekreuzigten:

"Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da antwortete der andere, wies ihn zurecht und sprach: Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein." (Lk 23,39-43).

Ein theologisches Statement

Lukas unterscheidet die beiden Männer: Der eine – überliefert als Gestas – verspottet Jesus, der andere - Dismas - bekennt seine Schuld, erkennt Jesu Unschuld und bittet ihn um Gnade.

Dieses Motiv ist tief in der christlichen Theologie verankert: Die rechte Seite steht traditionell für das Gute und Erlösende - so auch im Glaubensbekenntnis: "Er sitzt zur Rechten Gottes".

Diese Symbolik findet sich auch in der christlichen Kunst wieder. So blickt Jesus in vielen Kreuzigungsdarstellungen nach rechts - dorthin, wo Dismas hängt, der reuige Sünder, dem Gnade zuteil wird.

Mehr als eine künstlerische Konvention

Der Blick Jesu nach rechts ist weit mehr als eine stilistische Tradition - er ist ein theologisches Zeichen. Er verdeutlicht die Botschaft des Karfreitags: Gottes Gnade ist allen zugänglich, die sich ihm zuwenden.

Am Kreuz begegnen sich Tod und Leben, Verdammnis und Erlösung. Und Jesus, der Erlöser, blickt dorthin, wo der Glaube ihn erkennt - nach rechts, zu Dismas.

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