Liegen mag das gerade an der kurzen Geschichte des Orts: Die Anfangstage eines Dörfchens im Nirgendwo liegen eben noch nicht so lange zurück. So erzählt es Wolfgang Heilmann. Er hat vor 33 Jahren ein einzigartiges Museum mitgegründet: das einzige Pfefferminzmuseum der Welt.
Im Souterrain eines der Seitengebäude der Eichenauer Schule (Parkstr. 43) gibt es – bei freiem Eintritt – einiges zu erleben: "Alle fünf Sinne" wollen Heilmann und seine 30 aktiven Mitstreiter ansprechen. Mit Riechproben von einem guten Dutzend Minzsorten. Oder mit einer Tasse selbst angebautem Pfefferminztee. Der Museumsverein bewirtschaftet ein 3.000 Quadratmeter großes Pfefferminzfeld. Auch, um eine Tradition zu bewahren. Denn der kleine Ort war einst Marktführer.
Auf 400.000 Quadratmeter Fläche produzierte Eichenau im Jahr 1939 Pfefferminze.
Begonnen hatte es mit einem Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg: Adolf Pfaffinger nahm sich 1918 im Forschungsgarten Weihenstephan Minzwurzeln mit – und stellte fest, dass die britische Mitcham-Pfefferminze auf dem moorigen Eichenauer Boden geradezu wucherte, wie Heilmann sagt. Auf Wunsch seiner Nachbarn teilte der Pfefferminz-Pionier die Wurzeln – unter der Bedingung, dass Erfahrungen ausgetauscht und die Minzzucht gemeinsam vorangetrieben wird.
Bald gediehen nicht nur die Pflanzen, sondern ein ganzer Wirtschaftszweig. Trockenhäuser sprossen ebenso wie technische Innovationen – viele davon sind im Museum zu sehen. Etwa eine für die Minze entwickelte Sense, oder Windmühlen, die Stengel und Blätter trennten. Die Eichenauer Minzzeit ging in den 1950ern aber langsam zu Ende – wegen günstiger Importe. Und des Wirtschaftswunders, das Jobs schuf und Grund verteuerte.
Seit drei Jahren gibt es das Mini-Museum "Evangelisch in Eichenau".
Ein Stück Geschichte erzählt auch ein zweites liebenswertes Projekt. Im frei begehbaren Glockenturm der Friedenskirche (Hauptstr. 33) – unweit des Minzmuseums – zeigt die Gemeinde Fotos, Texte und auch Stücke aus ihrer ungewöhnlichen Geschichte.
Entstanden ist das Gebäude-Ensemble um die Kirche aus einem Projekt der Münchner Gemeindejugend – sie hielt seit den 1920ern im Eichenauer Nirgendwo Freizeiten ab. Und baute dann zu Beginn der NS-Zeit das heutige Gemeindehaus samt Glockenturm als Kirche. "Das war der Weg, der Gleichschaltung zu entgehen", erklärt Pfarrer Christoph Böhlau.
Lange Jahre seien immer wieder Menschen vorbeigekommen, die den Platz noch vor der Zeit des Neubaus der Friedenskirche im Jahr 1970 erlebt hatten, erzählt Böhlau. So entstand die Idee, Erinnerungsstücke auszustellen. Zu sehen und zu berühren ist – zur Freude junger Besucher – eine Kirchglocke, aber auch eine Eisenbahnschiene, die einst in die Kirchenkonstruktion einbetoniert war.
Ohnehin hat sich die Gemeinde ein kleines Paradies geschaffen. So stehen in den Gärten zwischen den Gebäuden Pflanzen, die in der Bibel erwähnt werden – etwa Maulbeerbaum, Palme und Rosenstock. Das Grundstück bietet Platz, um Geschichte mit allen fünf Sinnen zu erleben – auch die, die gar nicht in Eichenau stattgefunden hat.
TIPP
Die junge Gemeinde Eichenau hat auch ein Stück sehr alte Geschichte zu bieten: Nordwestlich des Ortskerns, auf einer kleinen Anhöhe, steht die Kapelle St. Georg – und zwar seit dem 13. oder 14. Jahrhundert. Lediglich ein kleiner Glockengiebel kennzeichnet das versteckte Juwel von außen. Innen hat die kleine Kapelle eine Holzdecke und gotische Wandmalereien zu bieten. Ihre Nachbarin war einst die früh verfallene Burg Ruckenstein. Heute ist es Gut Roggenstein, ein Versuchsgut der TU München. Die Kapelle (Oberroggenstein 1) ist bis einschließlich Oktober an jedem ersten Sonntag im Monat für Besucher geöffnet.