Mit kleinen Schritten geht es in der evangelischen Gemeinde Bad Tölz vorwärts: Nachdem der Landeskirchenrat vor knapp zwei Wochen mitgeteilt hatte, dass Dekan und Pfarrer Heinrich Soffel nicht in seine Ämter zurückkehren werde, hat sich nun der Kirchenvorstand mit einem Votum zu Wort gemeldet. Das Gremium unterstütze "nach vielen Gesprächen mit Gemeindemitgliedern die Entscheidung der Landeskirche", heißt es in der Presseerklärung vom späten Dienstagabend. Man werde jetzt "miteinander besprechen, wie wir die Arbeit vor Ort gut weiterentwickeln und neu aufstellen können".

Dass es im Fall Soffel offensichtlich keine einheitliche Meinung im Kirchenvorstand und in der Gemeinde gab, zeigte eine Äußerung der Vertrauensfrau im Tölzer Merkur von Anfang März: Sie selbst habe mit dem Dekan gut zusammengearbeitet, es habe aber "nicht überall so gut geklappt". Nach epd-Informationen hatte es in der Gemeinde bei mehreren Themen geknirscht, von der Beendigung der Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder über Kommunikationswege im Kirchenvorstand bis zur Frage, ob ukrainische Flüchtlinge ins Gemeindehaus einziehen sollen.

Soffel: Habe kein Problem

Soffel selbst hatte auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) betont, dass es in den Gremien unterschiedliche Meinungen, aber keine nachhaltige Störung gegeben habe. Er wolle in Tölz bleiben und seine Arbeit wieder aufnehmen: "Ich habe kein Problem mit den Leuten", sagte er.

Der Dekan erklärte außerdem, dass "weder Kirchenvorstand noch Dekanatsausschuss ein Verfahren wollten" und dass ein von ihm vorgelegtes Angebot zur Mediation vom damaligen Regionalbischof und jetzigen Landesbischof Christian Kopp als "zu teuer" abgelehnt worden sei.

Auf epd-Anfrage erwiderte ein Kirchensprecher, dass 2022 sowohl Kirchenvorstandsmitglieder als auch Ehrenamtliche die Kirchenleitung schriftlich und mündlich darum gebeten hätten, "tätig zu werden, sofern Herr Soffel nicht von sich aus geht". Laut Gesetz sei ein Kirchenvorstandsbeschluss für die Einleitung eines "Verfahrens zur nachhaltigen Störung" nicht nötig.

Zum Vorwurf der abgelehnten Mediation sagte der Kirchensprecher, dass vor Beginn des Verfahrens versucht worden sei, die Konflikte mit Schlichtung oder Mediation zu lösen. Dabei sei auch die landeskirchliche Arbeitsstelle "kokon" für konstruktive Konfliktlösung involviert gewesen. Deren Mitarbeiter sei nach "einer Reihe von Gesprächen in der Kirchengemeinde Bad Tölz" zum Ergebnis gekommen, dass es keine "realistische Chance für Mediation" gebe und der Mediationsversuch somit gescheitert sei.

Dekanatsausschuss sieht "Notwendigkeit eines Neuanfangs"

Heinrich Soffels Stelle ist gesplittet: Zu rund 40 Prozent ist er Pfarrer der Johanneskirche, die anderen rund 60 Prozent übt er als Dekan von Bad Tölz aus. Auf dieser Ebene gab es offensichtlich keine Probleme: Der Dekanatsausschuss hatte sich in einer Stellungnahme vom März 2023 gegen das Verfahren ausgesprochen. Eine nachhaltige Störung im Dekanatsbereich sei nicht zu erkennen gewesen, sagte der stellvertretende Vorsitzende Johannes Hütz auf epd-Anfrage. Diese Einschätzung vertrete das Gremium immer noch. Dennoch sehe der Dekanatsausschuss "jetzt aber die Notwendigkeit eines Neuanfangs", da die lange Dauer des Verfahrens zu einer "erheblichen Belastung bei allen Beteiligten" geführt habe.

Wie lange ein Erhebungsverfahren dauern darf, ist zwar im entsprechenden Kirchengesetz nicht vorgeschrieben. Doch dass es von Einleitung bis Beschluss 13 Monate waren, damit ist offensichtlich niemand zufrieden. "Es ist eine Zumutung, dass ich jetzt seit über einem Jahr auf eine rechtskonforme Entscheidung der Landeskirche warte, ob ich arbeiten darf oder versetzt bin", sagte Heinrich Soffel dem epd. Der Kirchenvorstand ließ in seiner Presseerklärung durchklingen, dass sich das Verfahren "ungewohnt lange hingezogen" habe. Und auch der seit November 2023 amtierende Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral konstatierte in einer Pressemitteilung:

"Der Weg bis zu diesem Beschluss hat alle Beteiligten sehr viel Zeit und Kraft gekostet."

Noch ist der Vorgang nicht beendet: Nach der Feststellung der nachhaltigen Störung hat der Landeskirchenrat jetzt das "Verfahren zur Versetzung" Soffels eingeleitet. Erst wenn das zum Abschluss gekommen ist, haben Gemeinde und Dekan endgültige Klarheit. Heinrich Soffel kann dann gegen einen Versetzungsbeschluss Klage am kirchlichen Verwaltungsgericht erheben - aufschiebende Wirkung hat das laut Landeskirche nicht. Die Protestanten in Tölz können und müssen also damit beginnen, Risse zu kitten und die nächsten Schritte auf dem Weg der Versöhnung zu machen.

Kommentare

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Andrea Borger am Fr, 22.03.2024 - 09:39 Link

Also: Kein Kirchenvorstandsbeschluss. Keine vollständige Mediation. Der Dekanatsausschuss hat sich sogar gegen das Verfahren ausgesprochen.
Das Bild einer kleinen Seilschaft, die es irgendwie geschafft hat, den damaligen Regionalbischof und jetzigen Landesbischof vor ihren Karren zu spannen, wird immer deutlicher. Wie viele Menschen verbergen sich wohl hinter der Formulierung des Kirchensprechers „dass 2022 sowohl Kirchenvorstandsmitglieder als auch Ehrenamtliche die Kirchenleitung schriftlich und mündlich darum gebeten hätten, ‚tätig zu werden, sofern Herr Soffel nicht von sich aus geht‘" ? 10 Personen? 20? Bad Tölz hat wie viele Gemeindemitglieder? 2000? 3000?
Der eigentliche Schaden ist nicht durch die Missstimmung einiger gegenüber ihrem Pfarrer und Dekan entstanden. So etwas soll vorkommen. Mit Hilfe des zu Recht berüchtigten, weil zu Willkür einladenden Verfahrens „wegen nachhaltiger Störung“ wurde aber daraus eine Verfolgungs- und Vertreibungsgeschichte gemacht. Die nachhaltige Störung können wir inzwischen in Bad Tölz beobachten – als Ergebnis der kirchenleitenden Interventionen.
Der Kirchenvorstand stimmt jetzt dem Vorgehen der Kirchenleitung zu, obwohl das Gremium das Verfahren nicht beantragt und damit auch nicht initiiert hatte. Alle wollen endlich Frieden haben. Bloß keine neuen Fronten! Verständlich. Ich würde mich auch nicht darum reißen, in diesem Gremium zu sitzen, das die Verantwortung für die gesamte Gemeinde trägt und vor noch gar nicht so langer Zeit versprochen hat, gemeinsam mit ihrem Pfarrer Heinrich Soffel der Verkündigung des Evangeliums zu dienen. Da müssten sich doch alle Kirchenvorstandsmitglieder jetzt fragen: Was ist das für ein Frieden, den wir wahren sollen auf Kosten einer Person und auf Kosten der Wahrhaftigkeit? Im Oberland, so scheint es, wird gerade ein bekanntes Stück aufgeführt , mit einer Menge, in der einige „Kreuzige ihn!“ schreien und viele, viele stumm bleiben, manche auch traurig am Rand stehen. Glücklicher Weise wird niemand wirklich gekreuzigt, glücklicher Weise kann Herr Dekan Soffel sich gegen seine drohende Versetzung wehren, wenn er dem öffentlichen Druck weiterhin so tapfer standhält und gesund bleibt. Das ist zu hoffen!
Also: Wer redet hier vorschnell vom „Neuanfang“? Mir drängt sich ein anderer Begriff auf: Umkehr. Dafür ist es nie zu spät. Das wäre doch was in dieser Passionszeit! Alle an einen Tisch, die etwas miteinander auszureden haben. Gute, wirklich gute externe Moderation. Die darf auch etwas kosten, denn ein „Weiter so!“ wird ungleich teurer werden. Man denke nur an die – leider meist stummen -Kirchenaustritte, die solche Vorgänge auslösen! Hingegen könnte – auch wenn das zu wunderhaft klingt – eine Revision der Beschlusslage im Landeskirchenrat oder zumindest ein Moratorium, verbunden mit Anstrengungen zu wahrhaftigerer Konfliktlösung Bahn machen für einen echten Neuanfang. Mein Osterwunsch für Bad Tölz!