Wie wichtig sehen Sie das Thema Armutsbekämpfung?

Sabine Weingärtner: Armut ist aktuell das Thema unserer Gesellschaft, das wirklich ganz oben auf ist. Aufgrund der Preissteigerungen, aufgrund der steigenden Inflation rutschen immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze. Die, die jetzt gerade noch so geschafft haben, für sich selbst zu sorgen, werden es in den kommenden Monaten, wenn die Heizkosten steigen, wenn die Preise die Lebensmittel kosten, weiter steigen, es nicht mehr schaffen. Und da sehe ich es wirklich als unsere Aufgabe als Diakonie für diese Menschen einzutreten.

"Wir haben allein in der Schuldnerberatung Steigerungen im ersten Vierteljahr von 16 Prozent."

Spüren Sie schon Auswirkungen in Ihrer Arbeit?

Der Bedarf nimmt zu. Wir haben allein in der Schuldnerberatung Steigerungen im ersten Vierteljahr von 16 Prozent. Und jetzt geht es immer weiter an Anfragen, wo Menschen Unterstützung brauchen. Deswegen ist es uns wichtig, da wirklich Position zu ergreifen. Wir tun das auch jetzt mit der Landeskirche zusammen. In den nächsten Monaten möchten wir dieses Thema in den Fokus der Öffentlichkeit auch verstärkt rücken und da eben gemeinsam unterwegs sein.

Wie geht die Diakonie mit den steigenden Energiekosten um?

Es ist so, dass die Energiekosten in unterschiedlicher Weise bei unseren Trägern steigen. Je nachdem, wann deren Verträge auslaufen, haben wir so eine gewisse Ungleichzeitigkeit, die sich jetzt schon, die jetzt schon begonnen hat und die sich im nächsten halben Jahr ja fortsetzen wird, je nachdem, wann sie ihre Verträge verlängern müssen. Wir haben Preissteigerungen, der Spitzenwert liegt bei 1.400 Prozent. Das ist für unsere Träger einfach insofern ein Problem, weil sie aufgrund ihrer rechtlichen Verfasstheit auch keine Rücklagen bilden können oder nur sehr bedingt. Und von daher versuchen wir gerade schon seit meinem ersten Arbeitstag am 1. Juni versuchen wir wirklich in der Politik dafür zu sensibilisieren, dass hier ganz dringender Handlungsbedarf ist, weil die diakonischen Träger das nicht alleine stemmen können. Und wenn ein diakonische Träger seine Einrichtung schließen muss, ist es nicht nur bitter für die Menschen, die dort wohnen, sondern es hat auch Auswirkungen auf unser gesamtes Sozialsystem in diesem Land. Wie es konkret aussieht, kann uns im Moment noch keiner sagen. Ich hoffe, dass jetzt sehr zeitnah Ergebnisse kommen, weil wir sonst wirklich die Gefahr haben, dass Träger in die Insolvenz rutschen.

"Wir müssen von dem Wort Pflegenotstand wegkommen."

Wir sprechen seit Jahren vom Pflegenotstand. Was muss da jetzt passieren?

Also zwei Sachen sind mir wichtig. Das eine ist, dass wir wegkommen von dem Wort Pflegenotstand und von dem Begriffen Pflege ist so anstrengend, man verdient schlecht. Also dass diese Berufsgruppen auch teilweise schlecht geredet wurden. Ich denke, da braucht es einfach eine veränderte Darstellung, veränderte Begriffe. Und das andere ist es braucht Ideen, Innovationen. Die Landessynode hat Geldmittel bereitgestellt 2018 und wir konnten mit diesen Geldern ein Projekt initiieren, sogenanntes Springerprojekt. Und das hat die Arbeitszufriedenheit um 40 Prozent gesteigert. Wir haben es evaluiert. Es ist mittlerweile auch in der Politik angekommen, im Gesundheitsministerium, bayernweit und jetzt langsam auch auf Bundesebene. Solche Projekte, denke ich, gilt es zu fördern, auch mit landeskirchlichen Mitteln, weil dadurch haben wir wirklich gesellschaftliche Relevanz.