Was bedeutet Quartiersarbeit für Sie? 

Walter Lechner: Quartiersarbeit heißt für mich zunächst, dass Kirche immer ein Teil vom Quartier oder vom Sozialraum ist. Sozialraum kann dabei ein Stadtteil sein, eine Kleinstadt, ein Quartier oder ein Dorf.

Kirche und Diakonie können nie nicht im Sozialraum sein; es ist nur die Frage, ob sie das bewusst annehmen und gestalten.

Das ist, glaube ich, die Herausforderung. Kirche ist kein Ort für sich, wir sind ein Teil unseres sozialen Kontextes. Dabei ist es wichtig, zu anzunehmen, dass Kirche und Diakonie mit anderen Partner*innen im Sozialraum auf Augenhöhe unterwegs sind und wir uns untereinander vernetzen und mit den Menschen ins Gespräch kommen müssen.

Warum ist Quartiersarbeit wichtig? In Bezug auch auf den Klimawandel und den demografischen Wandel der Gesellschaft.

Egal, welcher Herausforderung wir gegenüberstehen, ob global, politisch oder auf den Klimawandel bezogen: Wir können diese nicht alleine als einzelne Menschen lösen, sondern das geht nur in Gemeinschaft mit anderen. Und deshalb ist es wichtig, dass wir als vielfältige Gesellschaft miteinander an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten.

Ich glaube, das ist eine der größten Herausforderungen: erst einmal gemeinsam in einen Dialog zu kommen und an der Vernetzung im Quartier zu arbeiten.

Es ist nachgewiesen, dass in Sozialräumen, in denen es eine gute Vernetzung gibt, die Menschen sich eher wohlfühlen, mehr aufeinander achten und zum Beispiel ältere Menschen erst später stationäre Pflege in Anspruch nehmen müssen.

Auch wenn immer weniger Menschen in die Kirche gehen, kann Kirche in Zukunft relevant und wirksam sein, indem sie diese Prozesse fördert, sozialorientiert und arbeitsteilig mit anderen zusammenarbeitet und zum Beispiel Orte zur Verfügung stellt, an denen gesellschaftliche Verständigung erfolgt.

Gibt es genug Fördermittel für die Quartiersarbeit?  

Was ich wahrnehme ist, dass immer mehr Landeskirchen und diakonische Landesverbände Sozialraumorientierung als elementares Ziel ins Auge fassen und dafür auch Mittel zur Verfügung stellen. Auch in der öffentlichen Gesetzgebung spielt Sozialraumorientierung zunehmend eine Rolle. Entsprechend gibt es auch Fördermittel für solche Arbeit.

Diese Förderungen sind jedoch oft projektgebunden und damit eher kurzfristig angelegt. Quartiersengagement braucht aber Vertrauen und Verlässlichkeit. Hier sind langfristige und besser planbare Finanzierungen nötig.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der jungen Generation?

Ich finde es wichtig, erst einmal wahrzunehmen, dass wir eine Jugend haben, die politisch sehr wach ist. Diese Generation interessiert sich für Politik, Klima oder Gendergerechtigkeit. Ich würde mir wünschen, dass sich junge Menschen in die gesellschaftlichen und kirchlichen Diskurse einbringen.

Dass sie sich fragen: Wie wollen wir leben? Und wie wollen wir mit unseren Mitmenschen in der Zukunft zusammenleben? Dass sie ihre persönliche Leidenschaft finden und sich damit auch in ihrem Sozialraum engagieren.

Und dass dabei vielleicht auch der christliche Glaube eine Rolle spielt und die jungen Menschen ihre eigene Beziehung zu Jesus Christus finden. 

Möchten Sie zum Schluss noch etwas Wichtiges sagen? 

Ich würde mir an vielen Stellen eine Kirche wünschen, die im guten Sinne demütig ist, also den Mut hat, zu dienen. Das bedeutet natürlich, für Menschen eine Orientierung anzubieten und ihnen zu ermöglichen, ihren persönlichen Glauben zu finden und zu entwickeln. Es heißt aber auch, sich in die Gesellschaft einzubringen, die Vielfältigkeit der Menschen ernst zu nehmen und als Kirche bewusst die Rolle einer Akteurin der Zivilgesellschaft und des Gemeinwesens neben anderen anzunehmen. Eine Kirche der Zukunft wird in ihren Formen und ihrem Engagement vielfältiger, kommunikativer und auf den jeweiligen Kontext vor Ort bezogen sein.

Weitere Informationen über Walter Lechner und seine Arbeit findet ihr hier oder in einem weiteren Artikel auf Sonntagsblatt.de. 

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