Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, und der Jerusalemer Geschichtsprofessor Mosche Zimmermann haben die Teilnehmer der Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe davor gewarnt, den Nahost-Konflikt religiös aufzuladen.

Es gehe beim Thema Israel-Palästina letztendlich um ein politisches Problem, das aus dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker resultiere und nicht aus theologischen Überlegungen, schreiben Stein und Zimmermann in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".

Das werde in Deutschland oft ausgeblendet. In Karlsruhe tagt seit Mittwoch das größte Gremium des Weltkirchenrats (ÖRK), das nur alle acht Jahre zusammentritt.

Religionisiertes Palästina-Israel-Geflecht

Es sei vor allem die zunehmende 'Religionisierung' des Konflikts, die zum Stolperstein auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung im Nahen Osten geworden sei, heißt es darin weiter. Es sei nicht zu vergessen, dass im religionisierten Palästina-Israel-Geflecht Christen eine immer marginalere Rolle spielten. Der Rückgang der Anzahl palästinensischer Christen sei aber nicht allein das Ergebnis der israelischen Besatzung, sondern auch des Machtzuwachses der Muslime in der Region.

Insgesamt könne eine christlich-theologische Intervention im Israel-Palästina-Konflikt wenig Konstruktives bewirken, schreiben Zimmermann und Stein in dem Gastbeitrag:

"Es wäre gut, wenn die Teilnehmer des Ökumenischen Rates in Karlsruhe das bedenken könnten."

Statt den politischen Kampf um Palästina/Israel auf theologischer Basis zu führen, solle mit Nachdruck der Einsatz der EU und der deutschen Regierung für die Zwei-Staaten-Lösung, unter Berücksichtigung des Völkerrechts, verlangt werden, fordern sie.

Keine Anhaltspunkte für Antisemitismus-Vorwürfe

Stein und Zimmermann beziehen sich unter anderem auf Leitgedanken von fünf evangelischen Landeskirchen zum Ökumenischen Rat, denen in der "Initiative gegen Judenfeindschaft" des "Deutsch-Israelischen Freundeskreises" Antisemitismus vorgeworfen wurde. Für diese Vorwürfe gebe es in dem Text, der in der Vollversammlung diskutiert werden soll, keinerlei Anhaltspunkte, schreiben Stein und Zimmermann.

Sie zitieren aus dem Papier folgenden Satz: "Boykottmaßnahmen als legitime gewaltfreie Form eines politischen Widerstandes gegen völkerrechtswidriges Handeln weltweit erkennen wir grundsätzlich an". Dies sei für den Chef der "Deutsch-Israelischen Gesellschaft", Volker Beck, Grund genug gewesen, den Autoren in einem Radiobeitrag "sekundären Antisemitismus" vorzuwerfen.

Solche Kritik nehme aber nicht zur Kenntnis, dass ein Boykott auch als legitime Waffe gegen Unrecht fungieren könne:

"Sogar viele Israelis boykottieren Waren, die in den besetzten Gebieten von jüdischen Siedlern produziert werden."

So etwas, so wie auch die von der EU verordnete Kennzeichnungspflicht für aus den besetzten Gebieten exportierte Produkte Antisemitismus zu nennen sei "selbstverständlich absurd".

ÖRK-Papier lehnt Apartheids-Begriff als "undifferenziert" ab

Der Nahost-Konflikt ist auch Thema auf der ÖRK-Vollversammlung. Beobachter erwarten, dass Kirchen aus Südafrika in einer Resolution Israel zum Apartheid-Staat erklären wollen. 

Im Positionspapier des ÖRK selbst werde die Bezeichnung Apartheidstaat aber als "undifferenzierte Wortwahl", abgelehnt, schreiben Stein und Zimmermann. Sie geben zudem zu bedenken, dass es auch israelische Juden gebe, die ihrer Regierung eine Apartheid-Politik vorwerfen.

"Nicht im Kernland Israel, sondern in den besetzten Gebieten, wo zwei Rechtssysteme nebeneinander existieren, eines für jüdische Siedler und ein anderes für die unter der Besatzung lebenden Palästinenser."