Frau Bischöfin, Sie bezeichnen sich als "hoffnungsstur und glaubensheiter". Welche Hoffnung setzen Sie in die ÖRK-Vollversammlung?

Springhart: Meine Hoffnung ist, dass der Geist der Versöhnung wirksam und spürbar wird. Wir werden erleben, dass Menschen aus der russisch-orthodoxen Kirche und Kirchenvertreter aus der Ukraine kommen. Ich setze auf die Kraft der Begegnung, aber auch auf kritische Auseinandersetzungen miteinander.

Und ich hoffe, dass auch auf Karlsruhe und unsere Kirche etwas überspringt von der lebendigen Kraft des Glaubens und dem kraftvollen Einsatz für Klimagerechtigkeit, gegen Rassismus und dass wir ermutigt werden davon, dass christlicher Glaube in anderen Gegenden dieser Welt unter sehr viel schwierigeren Bedingungen strahlkräftig gelebt wird.

"Wenn alle an einem Tisch sitzen, ist es umso nötiger, dass wir einander zumuten, dass Kritik klar benannt wird."

Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Konflikte im Nahen Osten, wie viel "Sturheit" ist nötig, damit bei der Vollversammlung über Konflikte offen diskutiert wird?

Ich setze darauf, dass stur daran festgehalten wird, dass im offenen Gespräch auch die komplexen Themen klar angesprochen werden und um Lösungen gerungen wird. Wenn alle an einem Tisch sitzen, ist es umso nötiger, dass wir einander zumuten, dass Kritik klar benannt wird. Kirchenvertreter wie der Moskauer Patriarch Kyrill, die kriegstreiberische Parolen predigen, haben sich vom Kern des Evangeliums entfernt.

Die Kirchen können weder den Krieg in der Ukraine noch den Nahostkonflikt lösen. Wie können sie trotzdem zu mehr Frieden in der Welt beitragen?

Ich bin davon überzeugt, dass es entscheidend ist, die Kräfte zu stärken, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen und daran konkret arbeiten. Deswegen halte ich es für richtig und für wichtig, dass wir mit allen im Gespräch sind - auch mit Vertretern aus Russland.

Die Gemeinschaft der Kirche lebt von etwas, das größer ist als sie selbst. Das bringt auch diejenigen an einen Tisch, die es sonst schwer miteinander haben. Für den Frieden zu kämpfen, für den Frieden zu beten und miteinander um konkrete Wege zu ringen, wie Versöhnung gelingen kann, ist eine Stärke der Kirchen.

"Dass die Soldatenfriedhöfe im Elsass heute Mahnmale für den Frieden sind, aber undenkbar ist, dass Deutsche und Franzosen je wieder gegeneinander kämpfen, gehört zu unserem Erbe."

Ein Beispiel für Versöhnung ist die deutsch-französische Zusammenarbeit. Welche Impulse können die badische Landeskirche und die Union der Protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen (UEPAL) hier geben?

Wir können als Kirchen rechts und links des Rheins davon erzählen, wie Versöhnung gelingen kann. Unsere enge Freundschaft und Partnerschaft heute wäre noch für meine Großeltern undenkbar gewesen. Dass die Soldatenfriedhöfe im Elsass wie der Hartmannswillerkopf heute Mahnmale für den Frieden sind, aber undenkbar ist, dass Deutsche und Franzosen je wieder gegeneinander kämpfen, gehört zu unserem Erbe, das wir auch anderen weitergeben können und müssen. Heute gibt es die deutsch-französische "Chapelle de la Rencontre" in Kehl und Strasbourg.

Mich hat sehr berührt, dass innerhalb kürzester Zeit gleich mehrere elsässische Kolleginnen und Kollegen die französische Übersetzung des Buches über die Notkirchen erledigt haben, das die Delegierten als Gastgeschenk erhalten.

Ein weiterer Konflikt, der die Kirchen weltweit erschüttert, ist sexualisierte Gewalt. Welche Schritte sollte die Vollversammlung hier gehen?

Schon länger gibt es im Kontext des Ökumenischen Rates der Kirchen die Aktion "Donnerstags in schwarz", mit der durch schwarze Kleidung darauf hingewiesen wird, dass es sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen, aber auch gegen Männer gibt. Konkret für die Vollversammlung gibt es einen Interventionsplan und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, wenn Übergriffe vorkommen.

Es geht ja immer um beides: konkret Übergriffe zu verhindern und, wenn sie geschehen, schnell und professionell zu helfen. Und darüber, für Grenzverletzungen und grenzverletzendes Verhalten zu sensibilisieren. Deswegen begrüße ich es sehr, dass auch die Themen, die mit menschlicher Sexualität zu tun haben, nicht ausgeklammert werden bei der Vollversammlung.

"Ich setze darauf, dass die Kraft von gemeinsamer Feier auch verhärtete Fronten aufweicht und neue Schritte möglich werden."

Wie können die Christen aus aller Welt trotz der Konflikte und unterschiedlicher religiöser Traditionen "glaubensheiter" feiern?

Wir feiern als Christenmenschen immer in der Spannung aus Klage und Freude. Wir feiern Gottesdienste, in denen wir das Leid der Welt und das persönliche Leid teilen und Gott in die Ohren legen. Glaubensheiterkeit ist kein billiges Vergnügen, sondern das tiefe Vertrauen, dass Gott - wie es Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt hat - auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will.

Ich setze darauf, dass die Kraft von gemeinsamer Feier auch verhärtete Fronten aufweicht und neue Schritte möglich werden. Wo, wenn nicht bei der Vollversammlung, sollten wir mehr darauf setzen, dass der Geist Christi wirklich etwas bewegt - in den Herzen der Versammelten, in der Stadt und für unsere Welt.