Die Kirche hat nach Überzeugung des bayerischen evangelischen Landesbischofs Christian Kopp ein Qualitätsproblem. Qualität spiele im alltäglichen Leben für fast alle eine große Rolle - sei es beim Kauf von Gemüse oder eines Fahrrads, sagte Kopp bei einer Tagung über Kirchenmitgliedschaft am Montag in der Evangelischen Akademie Tutzing laut Manuskript.

Im kirchlichen Bereich hingegen erlebe er geradezu eine "Scheu, das Thema Qualität überhaupt anzusprechen". Häufig werde die Legitimität von unternehmerischen Denken in der Kirche bestritten.

Er frage in einer Dekanatskonferenz Pfarrerinnen und Pfarrer auch gerne mal:

"Würden Sie einen von Ihnen gestalteten Gottesdienst oder eine von Ihnen verantwortete Schulstunde freiwillig besuchen, wenn Sie ihn nicht selber halten müssten?"

Er freue sich, wenn er in einem Gottesdienst eine Person performen sehe, die ganz mit ihrem Inhalt verbunden sei, oder wenn er in der Kirche Menschen erlebe, die voll und ganz für ihre Sache brennen. "Aber da gibt es sehr, sehr viel Luft nach oben", räumte der Landesbischof ein.

Kopp fordert Fokus auf Lösungen, nicht Probleme

Die große Frage sei, wie man kirchliche Qualität messe. In der Kirche gebe es keine "knallharten Key Performance Indicators" zur Qualitätsbewertung wie in Unternehmen. Ein Knackpunkt für ihn sei außerdem, "ob wir als Kirche überhaupt erkennen, dass wir ein Qualitätsproblem haben". Fast alle Menschen liebten Qualität. "Wir müssen nur unsere eigenen Haltungen in den von uns beeinflussbaren Lebensbereichen ein bisschen konsequenter in das kirchliche Handeln übertragen", rät Kopp. Wichtig sei ihm eine Fokussierung auf bestmögliche Lösungen - und nicht auf Probleme.

In Zeiten von Fachkräfte-Mangel und schwindenden finanziellen Ressourcen müsse auch die Landeskirche überlegen, wofür sie ihr Geld aufwende - "und wofür in Zukunft leider nicht mehr". Die Zahl der Kirchenmitglieder entscheide logischerweise über Aussehen und Tätigkeitsprofil der Kirche, sagte Kopp angesichts von stetig sinkenden Mitgliedszahlen - und damit auch sinkenden Kirchensteuereinnahmen.

Die Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing stand unter dem Thema "'Should I stay or should I go?' - Impulse aus der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU VI)". Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) führt seit 1972 regelmäßig Studien zur Kirchenmitgliedschaft durch, die KMU VI wurde 2023 veröffentlicht.

(om/epd)

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schlum453728 am Fr, 24.01.2025 - 22:40 Link

Jene Scheu, das Qualitätsthema anzusprechen, zeigt sich vor allem in Entscheidungen der kirchenleitenden Organe. Das letzte von vier Predigerseminaren steht zum Verkauf. Das Pastoralkolleg, die Fortbildungseinrichtung unserer Kirche für Pfarrerinnen und Pfarrer, hat kein festes Haus mehr für seine Kurse. Vielen Bildungsstätten und Tagungshäusern hat man die landeskirchlichen Mittel so einschneidend zusammengestrichen, dass sie sich kurz vor dem Aus sehen. Für einen nicht mit dem Theologiestudium verbundenen Zugang zum Beruf der Pfarrerin oder des Pfarrers öffnet man gleichzeitig so weite Tore, dass es unbeteiligten Beobachtern so erscheinen muss, als sei eine hochqualifizierende Bildung für diesen Beruf ein überflüssiger Luxus. Kein Wunder, dass da die vernachlässigte Qualität des kirchlichen Dienstes an Evangelium und Menschen zum Problem wird.

Anna1977 am Mi, 22.01.2025 - 19:43 Link

Unser Pfarrer ist an 6 Tagen in der Woche immerzu im Dienst und im Ernstfall kannst Du ihn auch am 7. Tag erreichen. Er unterrichtet an Schulen, leitet die Gemeinde und sein Pfarramt, besucht die alten Gemeindemitglieder, kommt ins Krankenhaus, leitet einen Kindergarten und eine Diakoniestation. Er erteilt Konfirmandenunterricht, beerdigt, tauft, macht Hochzeiten, organisiert einen Kindergottesdiensthelferkreis und einen Besucherkreis. Zudem organisiert er manchmal auch noch Kirchenkonzerte, Konfirmandenfreizeiten und Gemeindefeste. Er muss für Renovierungsarbeiten des Kirchengebäudes und am Gemeindehaus sorgen. Man darf mit Kummer oder Problemen jederzeit bei ihm vorbeikommen und dann gelingt es diesem Mann sogar noch, an jedem Sonntag einen Gottesdienst zu halten. Er verdient Anerkennung und großen Dank!
Was er nicht verdient, ist ein Oberchef, der ihn und seinen ganzen Berufsstand dermaßen schlecht macht.
Ganz üble Performance, Herr Kopp! Schämen Sie sich! SIE haben ein Qualitätsproblem!

Florian Meier am Di, 21.01.2025 - 04:28 Link

Ich finde die Sprache des Landesbischofs hier etwas befremdlich. Weder ist ein Pfarrer Alleinunterhalter noch Verkäufer. Zu einem gelungenen Gottesdienst gehört immer vor allem auch die Gemeinde und das, was Christen die Heilige-Geist-Kraft nennen. Gerade manche Irritation und sei es ein verhautes Vater Unser bringt das Ganze bisweilen noch einmal zum nachklingen und istmitnichten ein Problem. Natürlich gibt es auch einmal zache Predigten, aber meistens kann man etwas mitnehmen, wenn man möchte und sei es ein Lied, eine Fürbitte, eine Lesezeile, die gerade aufs eigene Leben passt und scheinbar nur so dahingesagt und von vielen kaum bemerkt wird und manchmal auch ein Grant, der einen weiter bringt. Ein Gottesdienst wird vorbereitet und gestaltet, er geschieht aber auch. Nebenbei sind mir zuletzt ganz außergewöhnlich gute Predigten erinnerlich: Zum 1. Advent, zum heiligen Abend oder im Rahmen eines Konfirmandengottesdienstes. Das Geschimpfe über die "Pfaffen" ist billig. Ihr Können darf ruhig auch einmal gewürdigt werden. Die Kirche sollte die ermutigen, die ihr noch Leben einhauchen Pfarrer wie Leihen und nicht nach dem Motto "genug ist nicht genug" durch Überforderung vergraemen.