Die bayerische evangelische Landeskirche legt Tempo vor: War erst nur an eine Fusion der Kirchenkreise München-Oberbayern und Augsburg-Schwaben gedacht, werden jetzt gleich drei Kirchenkreise zusammengelegt. Auch Regensburg, der flächengrößte Kirchenkreis Bayerns, kommt dazu. Das hat die Landessynode am Mittwoch in Amberg beschlossen. Geleitet wird das neue Riesengebilde, das Schwaben und Altbayern umfasst, in einer Art Doppelspitze von den Regionalbischöfen Thomas Prieto Peral (München-Oberbayern) und Klaus Stiegler (Regensburg). "Wir haben uns für den großen Wurf entschieden", sagen die beiden Regionalbischöfe im Gespräch.

"Es ist ein großer Wurf und ein wertvolles und notwendiges Signal Richtung Kirchenkreis Augsburg" (Klaus Stiegler)

Herr Prieto Peral, Herr Stiegler, in ersten Überlegungen war an eine Fusion der Kirchenkreise Augsburg-Schwaben und München-Oberbayern gedacht. Diesen Schritt überspringen Sie nun und wählen gleich die "große Lösung" eines Kirchenkreises für ganz Südbayern. Warum?

Klaus Stiegler: Wir haben verschiedene Varianten überlegt und uns für diese Lösung entschieden. Es ist ein großer Wurf und ein wertvolles und notwendiges Signal Richtung Kirchenkreis Augsburg. Da waren die Ängste wirklich groß, sie würden aufgeteilt und den anderen beiden Kirchenkreisen zugeteilt. Das ist mit dieser neuen Variante aus der Welt.

Thomas Prieto Peral: Wir wollten den Mut haben, noch größer zu springen und eine neue Arbeitsform auszuprobieren. Mit der Idee, dass zwei Regionalbischöfe einen Kirchenkreis leiten, möchten wir gerne vorleben, was wir auch auf der Leitungsebene für sinnvoll halten und was vielerorts auf Dekanats- und Gemeindeebene auch schon erprobt wird: nämlich gut abgestimmt im Team zusammenzuarbeiten.

Herr Stiegler, der Arbeitstitel war Kirchenkreis Süd, jetzt ist es Schwaben-Altbayern. Warum der neue Name und wo wird künftig ihr Dienstsitz sein?

Stiegler: "Süd" war uns am Ende zu anonym. "Schwaben und Altbayern" sind Größen, die die regionalen Konturen aufrechterhalten. Damit verbinden viele Menschen auch ein Stück Heimatgefühl. Wir wollen die Verbundenheit und die Nähe zu den Regionen und damit auch zu den Menschen im Namen anklingen lassen. Zum Thema Dienstsitz ist keine Veränderung in Sicht. Ich bleibe in Regensburg. Ich bin jetzt schon viel unterwegs im Raum, der wird nun noch ein Stück größer. Die Aufgaben müssen angegangen werden, egal wo man wohnt.

"Das ist der Reiz des neuen Modells" (Thomas Prieto Peral)

Der neue Kirchenkreis wird in seiner Breite rund 350 Kilometer umfassen. Herr Prieto Peral, wer macht in so einem großen Gebiet was?

Prieto Peral: Unser Vorschlag ist, dass wir eine doppelte Aufgabenabstimmung haben. Eine regionale, damit wir wissen, wer für welche Region zuständig ist - diese Klarheit entspricht auch dem Wunsch der Dekane und Dekaninnen. Und eine thematische: Jeder von uns könnte sich mit bestimmten Themenschwerpunkten - zum Beispiel Religionsunterricht - befassen, und zwar für den gesamten Kirchenkreis. Das Erprobungsgesetz legt fest, dass wir beide Regionalbischöfe für den gesamten Kirchenkreis sind. Aber alles andere ist eine Sache von Absprachen und Geschäftsverteilung und lässt sich damit auch flexibel gestalten. Das ist der Reiz des neuen Modells.

"Es rücken hier zwei Menschen enger in ihrem Tun zusammen" (Klaus Stiegler)

Der Kirchenkreis ist in zwei Regionen aufgeteilt. Hat das Auswirkung auf die dienstrechtliche Zuständigkeit, dass jeder zum Beispiel zuständig ist für die Personalangelegenheiten in einer Region?

Stiegler: Es gibt eine klare personelle Zuordnung durch die Regionen. Tandem bedeutet an der Stelle auch, dass wir in Stellvertretung agieren. Wenn Thomas Prieto Peral verhindert, krank oder im Urlaub ist, bin ich fürs Ganze da, und umgekehrt. Es rücken hier zwei Menschen enger in ihrem Tun zusammen. Trotzdem wird jeder für sich eine erste Ansprechperson bleiben. Wir werden in beiden Regionen eigene separate Konferenzen abhalten, vielleicht auch einmal im Ganzen - eine Art Mischung, je nachdem, was es für eine gute Kommunikation braucht. Denn der Anspruch ist nach wie vor: Wir wollen für die Zukunft der Kirche einen neuen Weg eröffnen und vielleicht auch noch besser Kirche sein als bisher.

Jeder soll in seiner Region einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin bekommen. Wer wird es, Herr Prieto Peral?

Prieto Peral: Das werde ich in meiner Region mit dem Dekanekollegium besprechen. Eine Rolle spielt die Frage: Wie können die Dekanatsbezirke in Oberbayern und die im Kirchenkreis Augsburg, die dann gemeinsam in einer Region sind, gut zusammenarbeiten? Nach derzeitigen Planungen wären das Memmingen und Kempten - final ist das noch nicht. Ohnehin müssen wir flexibel bleiben, weil sich Dekanatsbezirke derzeit - auch durch Fusionen - stark verändern. Damit wir nicht jedes Mal das Gesetz ändern müssen, ist die Zuordnung der Dekanate auch nicht Teil des Gesetzes, sondern wir regeln sie durch unsere Geschäftsabsprachen.

"Es soll mehr Eigenverantwortung in die Regionen kommen" (Thomas Prieto Peral)

In dem großen Gebiet brauchen Sie Unterstützung auf der mittleren Ebene. Welche Rolle werden die Dekane künftig spielen?

Prieto Peral: Die inhaltlichen Hauptentscheidungen laufen auf Dekanatsebene, die Dekane und Dekaninnen leiten diese Gestaltungsprozesse - in diese Richtung wird sich die mittlere Ebene weiterhin entwickeln. Unsere Aufgabe als Regionalbischöfe ist, die Prozesse vor Ort zu begleiten, Dekane in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Wir wollen die mehrfach erklärte Dezentralisierung ernst nehmen. Dabei müssen wir auch alte, zu lange dauernde Prozesse, die dem Landeskirchenamt anhaften, aufbrechen. Es soll mehr Eigenverantwortung in die Regionen kommen. Das wollen wir unterstützen und fördern.

Nun gibt es ja auch Zwitter-Dekanate wie das Dekanat Neumarkt. Wie wird da die Zuordnung werden, werden wir damit rechnen müssen, dass Neumarkt künftig zu einem größeren Kirchenkreis Franken kommt?

Stiegler: Neumarkt liegt wirklich in einem Grenzbereich, da muss man sehen, was Sinn macht, wohin die Ausrichtung dort geht. Das müssen die Menschen vor Ort klären. Da wird es keine Ansagen aus Regensburg oder aus München geben. Unsere Aufgabe ist es, dass Menschen vor Ort ihre kirchliche Situation möglichst passgenau entwickeln können. Die Entscheidungen fallen in den Gremien, im Kirchenvorstand, im Dekanatsausschuss. Wir wollen helfen, dass Menschen sich trauen, die Zukunft anzugehen - regional, aber auch inhaltlich.

Und da rechnen Sie nicht auch mit Widerständen?

Stiegler: Es gab schon Gespräche, Rückfragen und Klärungen, aber ich habe nicht wirklich Gegenwind wahrgenommen, eigentlich eher Bestärkung. Man traut sich mittlerweile, Kirche mit einem großen Schritt neu zu denken. Das brauchen wir an ganz vielen Stellen. Dass wir auch auf Kirchenkreisebene das Thema Zusammenarbeit, Kollegialität und Tandem groß machen, das ist ein gutes und wichtiges Signal. Dass wir das zusammen ausprobieren, testen und gemeinsam leben, das finde ich super. So stelle ich mir Kirche vor.

"Ich glaube daran, dass dieser Weg in die Zukunft führt" (Klaus Stiegler)

Warum braucht es für das neue Modell ein Erprobungsgesetz, wenn es gar nicht mehr anders geht? Ist Scheitern eine Option?

Stiegler: Wir nehmen im Moment wahr, dass sich unsere Kirche in einer großen Geschwindigkeit verändert, von den Ressourcen, dem Kirchenpersonal, den Steuereinnahmen her. Wir sind da in einer hohen Dynamik. Unser Versuch ist es, mit dem Kirchenkreis im Süden Bayerns, Entwicklungen anzustoßen. Garantien gibt es dabei nicht. Aber sich diesen Herausforderungen zu stellen, die Augen offen zu halten, und auch die Realität wahrzunehmen, das gehört dazu. Ich glaube daran, dass dieser Weg in die Zukunft führt. Wenn wir beispielweise ankündigen, von den 6.200 Kirchengebäuden wollen wir nur noch die Hälfte in zehn Jahren behalten, dann bedeutet das richtig Arbeit, das müssen wir anschieben.

Wenn die Erprobungsphase als gut bewertet wird nach drei Jahren, ist das Modell dann die Blaupause für einen großen Kirchenkreis Franken?

Prieto Peral: Nicht in dem Sinn, dass es einfach eine Kopie wird. Mit den Kolleginnen in Franken, so ist es vereinbart, werden wir unsere Erfahrungen teilen. Und dann wird mit ihnen, den Dekanen und Dekaninnen und Kirchenkreissynodalen diskutiert werden, ob das das richtige Konzept ist. In diesen Prozess gehen wir optimistisch und frohgemut rein. Wir fänden es schon gut, wenn es ein einheitliches Modell gibt, damit die Arbeit nicht überall anders läuft. Bislang ist für Franken für die Zukunft mit zwei Kirchenkreisen geplant worden. Aber der Landeskirchenrat hat auch diskutiert, ob man nicht gleich einheitlich denkt. Die Erfahrungen, die wir jetzt machen, werden die Richtung mitbestimmen.

Wie sind die Diskussionen im Vorfeld zur jetzigen Lösung in Südbayern gewesen?

Prieto Peral: Das ursprüngliche Modell Schwaben und Oberbayern hatte viele Fragen aufgeworfen. Vor allem Dekane im Kirchenkreis Augsburg wollten nicht das Gefühl haben, dass sie ihre Identität verlieren. Das Modell des großen Kirchenkreises mitsamt Tandem-Lösung ist dann auf sehr positive Resonanz gestoßen. Plötzlich war so ein Schnippen im Raum: Ja, Klasse, lasst uns doch mal groß springen und das probieren! Das heißt nicht, dass jeder euphorisch begeistert war. Aber es war doch ganz klar eine positive Energie zu spüren. Auch das war für uns ein Grund zu sagen: Das ist der richtige Weg.

"Es kommt Bewegung rein - darauf freue ich mich" (Thomas Prieto Peral)

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Prieto Peral: Nicht mehr allein für mich entscheiden zu müssen, sondern das kollegial mit Klaus Stiegler zu machen, hat viel Reiz, darauf freue ich mich. Ich freue mich auf ein neues Nachdenken, was dran sein könnte. Den Themen und Menschen zu begegnen im anderen Teil des Kirchenkreises, an den Punkten, wo ich mit ihnen in Kontakt komme. Die schöne Stadt Regensburg zu besuchen, wenn wir dort tagen. Es kommt Bewegung rein - darauf freue ich mich.

Stiegler: Es entsteht ein neues Bild von der Arbeit eines Regionalbischofs. Bisher hatten wir so etwas wie sechs Satelliten in Bayern, die für sich in ihrer Region kreisten. Und jetzt ist es eine Neuausrichtung dieser Arbeit. Ich habe es in meiner Berufslaufbahn erlebt, dass Zusammenarbeit sogar in unserer Kirche gelingen kann. Das macht super Spaß. Das bereichert, eröffnet neue Möglichkeiten und darauf habe ich Lust.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden