"Die Kirche hat viele Themen, die Menschen interessieren."

Frau Preidel, wenn Sie auf der Straße gefragt würden: Wie geht es der evangelischen Kirche in Bayern? Was würden Sie antworten?

Annekathrin Preidel: Der evangelischen Kirche in Bayern geht es ganz gut - weil wir bereits 2017 mit einem Reformprozess begonnen haben. Wie das aber nun mal so ist bei einer großen Organisation: Sie bewegt sich nicht ganz so schnell und nimmt nur langsam Fahrt auf. Ich würde aber sagen, dass sich inzwischen sehr viel getan hat und tut. Das macht Freude und Hoffnung für die Zukunft.

Thomas Prieto Peral: Mir ist um die Kirche nicht bang. Ich weiß auf jeden Fall, dass es große Freude macht, in der Kirche zu arbeiten. Es gibt wirklich viele interessante Menschen dort, die sich mit ihren Gedanken und Erfahrungen für andere einsetzen. Die Kirche hat viele Themen, die Menschen interessieren. Wir müssen aber dafür sorgen, dass unsere Organisation es den Menschen nicht schwer macht, an uns heranzukommen.

Lassen Sie uns über den Prozess "Profil und Konzentration" sprechen. Was läuft gut bei PuK, was weniger, wo hakt es?

Preidel: Die Architektur von PuK ist etwas Besonders - denn "Profil und Konzentration" ist kein Prozess, den man von oben übergestülpt hat, sondern den man an der Basis aufgesetzt hat, in den Gemeinden und Dekanaten. Wir sind nicht in diesem Bild hängengeblieben, dass die Kirche immer älter, kleiner und ärmer wird, sondern lebendiger, agiler, fröhlicher, zuverlässiger und kreativer. Es läuft sehr gut, finde ich.

Annekathrin Preidel
Annekathrin Preidel, Präsidentin der Landessynode der bayerischen Landeskirche, beim Redaktionsgespräch im EPV.

Anlass oder Auslöser für PuK war aber eigentlich etwas anderes - die Landeskirche muss sparen, PuK sollte auch sagen, was weggelassen werden soll ...

Prieto Peral: Ja, das stimmt. Der Anfang von PuK war ein Auftrag an den damals noch neuen Planungsreferenten, eine Kürzungsliste zusammenzustellen. Wir haben dann versucht, einen ganz anderen Dreh reinzubekommen: Wir wollten positive Energie ins System hereinbringen, wir wollten die Organisation Kirche motivieren, sich zu bewegen. Jetzt scheint mir, haben viele den Acker umgepflügt und haben einen tollen Grundstock gelegt für die Weiterentwicklung unserer Kirche.

"Wir bilden Pfarrpersonen aus, die Lust haben, Kommunikation ihres Glaubens in die Welt hinein zu lernen."

Wo greifen denn die Reformen konkret?

Prieto Peral: Beim Vikariat, also der praktischen Ausbildung zur Pfarrerin oder zum Pfarrer nach dem Theologiestudium. Das Vikariat wird in Zukunft ein anderes sein. Es geht nicht mehr darum, den Standardpfarrer in der und für die Gemeinde auszubilden. Wir bilden Pfarrpersonen aus, die Lust haben, Kommunikation ihres Glaubens in die Welt hinein zu lernen - vor Ort, über die Medien, in Kooperationen und Netzwerken.

Wird sich auch die Landschaft der evangelischen Tagungshäuser im Bereich der bayerischen Landeskirche ändern?

Prieto Peral: Wir sind gerade dabei, die Tagungshäuser umfassend zu bewerten - es geht um die Immobilienwerte, um die betriebswirtschaftliche Seite, aber eben auch um die inhaltlichen Aspekte. Mein Team und ich haben alle besucht und befragt. Zudem sollen Inhalte neben den Bettenkosten und den Immobilieninvestitionen auch einen Wert haben, das ist das Ziel. Im Laufe des Jahres wird es dazu - in enger Abstimmung mit den Leitungen der Häuser - Beschlussvorschläge geben.

"Ich habe von Menschen erfahren, die wieder in die Kirche eingetreten sind, die einen neuen Partner haben, und für die dieses Angebot am 23. März ganz toll und wichtig ist."

Ist die Aktion "Einfach heiraten" auch ein Ergebnis des PuK-Prozesses?

Prieto Peral: Der Grundgedanke sollte für Kirche heute sein, ihre Botschaft einfacher zugänglich zu machen. Die christliche Botschaft mit dem Kreuz als ihrer Mitte ist im Kern nicht leicht oder einfach. Sie erfordert Auseinandersetzung, und das ist gut so. Aber wir sollten es uns und den Menschen nicht schwer machen, Glauben auszuprobieren und erste Erfahrungen zu machen. Die Idee bei "Einfach heiraten" ist, dass Menschen kommen und ihre Beziehung segnen lassen können, dass sie überhaupt einmal eine Erfahrung machen mit Segen. Daraus kann dann mehr erwachsen.

Preidel: Da "draußen" sind ja Menschen, die auf der Suche sind, denen Kirche etwas zu bieten hat, wenn sie keine Hürden aufbaut. Ich habe von Menschen erfahren, die wieder in die Kirche eingetreten sind, die einen neuen Partner haben, und für die dieses Angebot am 23. März ganz toll und wichtig ist. Klar, das sind Einzelfälle. Aber wir müssen uns doch um jeden Einzelnen bemühen!

Thomas Prieto Peral
Thomas Prieto Peral, Planungsreferent der Kirchenleitung der bayerischen Landeskirche, beim Redaktionsgespräch im EPV.

Warum sollte ich Kirchenmitglied sein, wenn ich den Segen oder auch die Beerdigung auch ohne Mitgliedschaft bekommen kann?

Prieto Peral: Klar, das ist ein Zielkonflikt. Einerseits wollen wir uns öffnen, wie es jetzt mit der Aktion "Einfach heiraten" am 23. März ausprobiert wird. Wir wollen den Segen nahbar machen. Andererseits hat Kirche aber natürlich das legitime Interesse, die Mitgliedschaft wertvoll zu halten, Verbindlichkeit zu haben, Dinge nicht beliebig zu machen.

"Die Öffnung ist für uns als Kirche eine Chance, mit Menschen in Berührung zu kommen, die keine religiös-kirchliche Sozialisation mehr über ihre Familien erfahren haben."

Aber Kirche finanziert sich ja nun mal größtenteils über diese Mitgliedschaft - wie soll dieses Dilemma denn gelöst werden?

Prieto Peral: Die Kirchenmitgliedschaft wird sicher erst mal erhalten bleiben als Status - und sie muss auch ihren Wert behalten. Es sollte aber auch Formen geben, an Kirche teilzuhaben, ohne Mitglied zu sein, vor allem im Bereich der Kasualien. Wenn ein junges Paar nicht der Kirche angehört, aber einen Segen möchte, sollte man das nicht verweigern. Gute Erfahrungen mit christlichem Glaubensformen sind heute eher die Voraussetzung für eine Befassung mit Glaubensthemen. So öffnet man vielleicht Türen für eine spätere Mitgliedschaft ...

Preidel: ... die Mitgliedschaft kommt erst ganz, ganz am Ende. Die Öffnung ist für uns als Kirche eine Chance, mit Menschen in Berührung zu kommen, die keine religiös-kirchliche Sozialisation mehr über ihre Familien erfahren haben. Wir müssen Berührungspunkte mit dem Glauben schaffen, aus denen Glaubenserlebnisse werden können, die Menschen dann einen Weg in unsere Kirche zeigen.

Aber wie kommt das bei langjährigen Kirchenmitgliedern und Kirchensteuerzahlern an, wenn andere die Angebote der Kirche auch kostenlos bekommen können?

Preidel: Die Menschen sind doch nicht Kirchenmitglied, damit sie irgendwann einmal kirchlich beerdigt werden können - diese Logik wäre mir fremd. Wir sind keine Leistungskirche: Die Kirchenmitgliedschaft und die Kirchensteuer ermöglichen Dinge, wie etwa Gemeindepfarrer und Gemeindepfarrerinnen, aber auch Kitas, und Seelsorge in Altenheimen, auf Pflegestationen, in Kliniken und so weiter. Ich kaufe mir doch als Mitglied keine persönlichen Leistungen für mich ein.

Prieto Peral: Die gesellschaftlich verbreitete Produktivitätslogik ist in der Kirche eben nicht angemessen, das ist ein Gewinn und hier leben wir ein anderes Modell! Wir treten für Menschen ein, die nicht produktiv sein können, weil sie gehandicapt sind, alleinerziehend, und so weiter. Kirche ist ein Solidarsystem, bei dem es dann auch nicht darum geht, für Kirchensteuer bestimmte Dienstleistungen zu kaufen.

"Wir sind sicher keine schnelle Organisation."

Die ganze Gesellschaft steht vor großen Veränderungsprozessen, auch die Kirchen. Sind die Kirchen als Organisation dafür nicht zu langsam?

Prieto Peral: Wir sind sicher keine schnelle Organisation. Aber es ist schon mal ein Erfolg, dass wir uns heute als Organisation verstehen - bisher war Volkskirche als feststehende Institution gedacht. Organisation heißt Leitung, setzt Ziele, formt die Struktur und verändert sich. Aber eine zu schnelle Taktung, so Silicon-Valley-mäßig im Halbjahresrhythmus neue Strategien aufsetzen, das wird unserer Botschaft sicher auch nicht gerecht. Die Seele muss schon auch mitkommen.

Preidel: Und manchmal gehen Dinge auch bei Kirche schnell. Nehmen Sie die Bischofswahl: Wenige Monate vor der Neuwahl wird die Amtszeit von zwölf auf zehn Jahre verkürzt. Das war der Mehrheit der Synodalen ein Anliegen, es wurde kontrovers diskutiert und am Ende beschlossen.

"Kirche sollte sich mehr als Netzwerk sehen."

Was wünschen oder erhoffen Sie sich für Ihre Kirche in zehn Jahren?

Preidel: Ich wünsche mir offene Gemeindeformen, in denen Menschen eine Heimat finden, ohne dass gleich immer über die Frage der Mitgliedschaft gesprochen wird. Ich möchte, dass wir viel freier auf Menschen zugehen. Kirche sollte sich mehr als Netzwerk sehen und nicht als Organisatorin strenger Gottesdienstformen sehen, als lebendige und offene Gemeinschaft, in der die christlichen Werte den Unterschied machen!

Prieto-Peral: Ich wünsche mir drei Typen, die den Unterschied machen: Zum einen Menschen, die andere mit ihrer geistlichen, spirituellen Arbeit begeistern und anziehen. Zweitens: Kümmerer, die echte Fürsorgerinnen und Fürsorger sind. Und drittens Künstlerinnen und Kreative, die einfach etwas ausprobieren und Kirche öffnen. Wir werden hoffentlich noch mehr Gestalter als Verwalter haben.

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