Die Landessynode beschäftigt sich bei ihrer am 27. März beginnenden Frühjahrstagung in Geiselwind mit der Kirche der Zukunft. Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel erklärt im Interview, welche Weichenstellungen es jetzt braucht. Auch über andere Schwerpunkte der Tagung gibt sie Auskunft – und sie verrät, was sie sich wünscht.

"Bevor wir über konkrete Maßnahmen sprechen, sollten wir fragen, was Kirche überhaupt für Menschen attraktiv macht"

Was ist Ihre Erwartung an die an die bevorstehende Synode?

Annekathrin Preidel: Das Wichtigste ist das übergeordnete Thema "Zukunft der Kirche", für das wir einen Thementag planen. Das ist ja ohnehin in aller Munde, soll aber bei der Synode nicht an Fragen wie sinkenden Mitgliederzahlen, Organisation und Strukturfragen und ähnlichem festgemacht werden, sondern theologisch ausgerichtet sein. Welche Kirche braucht es, damit Menschen heute gerne Christ werden und Christ bleiben? Das ist eine Frage, die oftmals untergeht. Aber ich denke, diese Frage ist jetzt dran. Und in Anknüpfung an das Thema ‚Glaube in verletzlicher Zeit‘ vor einem Jahr ist das quasi auch eine Fortsetzung. Bevor wir über konkrete Maßnahmen und Entscheidungen sprechen, sollten wir fragen, was Kirche überhaupt für Menschen attraktiv macht und wie Kirche attraktiv sein kann. Jetzt auch mit den Erfahrungen der Pandemie. Ich denke, da hat sich in der Kirche ja doch noch mal eine ganze Menge geändert.

Welche Veränderungen meinen Sie konkret?

Preidel: Kirche ist beweglicher geworden. Das Thema "Digitalität" hat die Kirche aus ihrer Komfortzone, aus den Gemeindehäusern heraus und hinein ins Netz geholt. Dass die Kirche ein bewegliches Netzwerk ist, das auch Menschen anspricht, die mit der Kirche vielleicht etwas mehr fremdeln und auf der Suche sind, lässt sich im digitalen Raum ganz anders darstellen. Wir werden beim Thementag auch zwei Außenansichten auf unsere Kirche hören: Den "Zeit"-Journalisten Alexander Krex, der in einem preisgekrönten Artikel gefragt hat, warum ihn eigentlich keiner missioniert, und den Deutsch-Brasilianer Israel Parreira aus München, der erklärt, dass er vergeblich auf der Suche nach Begeisterung in unserer Kirche ist. Ich kann mir vorstellen, dass wir über diese beiden Vorträge sehr gute Impulse für die synodalen Beratungen bekommen werden.

Es handelt sich also um einen ergebnisoffenen Prozess. Trotzdem werden Sie schon eine Meinung zum Thema Zukunft der Kirche haben, oder?

Preidel: Grundsätzlich gehe ich immer offen in einen Thementag, sonst bräuchten wir ihn nicht. Ich erwarte mir schon Erkenntnisse, die wir bislang nicht abgebildet haben – auch zur Frage: Was hat sich durch die Pandemie nach zwei Jahren verändert? Gleichwohl haben Sie natürlich recht: Ich habe durch meinen Glauben Zugänge zu einer Zukunft dieser Kirche. Das heißt natürlich nicht, dass meine Zugänge auch Zugänge für Menschen sind, die suchend unterwegs sind. Für mich sind die Seligpreisungen der Bergpredigt zentral. Und das, was wir jeden Sonntag im Gottesdienst beten: Dein Reich komme. Mit dieser Bitte haben wir einen Zugang zur Zukunft, der einen Unterschied macht. Ich kann aber nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass auch andere diesen Zugang wählen.

"Wie muss Kirche sich aufstellen, damit Zukunft geistlich erfahrbar wird?"

Was braucht es dafür dann aus Ihrer Sicht?

Preidel: Die Frage ist: Wie muss Kirche sich aufstellen, damit Zukunft geistlich erfahrbar wird? Und welche Bilder brauchen wir dafür? Sind wir noch zu sehr in unseren alten Bildern und Rollen verhaftet, wenn wir uns auf den Weg in die Zukunft machen? Ist "Profil und Konzentration" noch zu sehr in diesen alten Bildern fixiert? Oder sind wir schon einen Schritt weiter? Sind wir schon eine Kirche, die viel mehr in Bewegung ist, die die Punkte des Neuaufbruchs definiert oder nicht? Das sind die Fragen.

Sie haben vorhin das Stichwort Begeisterung genannt. Braucht Kirche auch mehr charismatische Figuren?

Preidel: Diese Menschen gibt es ja – nur das lässt sich nicht organisieren oder in neue Strukturen pressen. Die, die etwas sagen und in die Öffentlichkeit gehen, die müssen kraftvoll nach vorne gehen. Und sie müssen auch die Menschen im Blick haben, die suchen und nicht nur die Mitglieder oder diejenigen, die der Kirche eng verbunden sind. Ich glaube, wir brauchen hier noch mehr Möglichkeiten und neue Orte, um den Glauben erfahrbar zu machen. Das hat die Pandemie ja auch gezeigt: Plötzlich tun sich neue Möglichkeiten auf. Und dafür müssen wir achtsam sein.

Braucht die Kirche auch noch mehr Ehrenamtliche?

Preidel: Wir brauchen nicht nur mehr Ehrenamtliche, sondern die Partizipation muss unterlegt sein mit Fortbildungen, mit Coaching, mit Begleitung. Ehrenamt wird schon lange als ein Gewinn gesehen und die Verantwortungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, die wir da übernehmen können, sind vielfältig. Aber es muss tatsächlich auch immer der Qualitätsbegriff dahinterstehen. Und das ist auf jeden Fall eine Aufgabe der Kirche, die Fortbildung, das Coaching und die Begleitung noch mehr auszubauen.

"Es geht darum, verantwortlich gemeinsam Orientierung zu entfalten und Perspektiven im Glauben zu entdecken."

Ist die Zukunft der Kirche also ein bisschen wie ein Franchise Unternehmen? Dass man den Leuten das Rüstzeug an die Hand gibt, mit dem sie dann selbstständig arbeiten?

Preidel: Ich würde nicht von Franchise sprechen, das ist mir zu ökonomisch. Es geht mir mehr um die geistliche Bewegung. Fing es denn nicht einst genau so an? Da waren Jesus und seine Jünger. Das war ja auch eine Glaubensbewegung. Es geht aus meiner Sicht viel mehr darum, verantwortlich gemeinsam Orientierung zu entfalten und Perspektiven im Glauben zu entdecken. So kann Gemeinschaft wachsen und so zeigt sich christliche Identität, die offen ist für alle. All dies verändert und prägt Menschen.

Muss das wieder stärker in den Fokus gerückt werden?

Preidel: Wir haben ja jetzt schon viele Möglichkeiten. Das Amt für Gemeindedienst bietet eine ganze Menge an – vielleicht muss das wieder attraktiver gemacht werden. Also Möglichkeiten, wie Ehrenamtliche sich über die Mitgliedschaft im Kirchenvorstand hinaus in dieser Kirche engagieren können, müssen deutlicher gemacht werden.

Wird auch das Thema Ukraine-Krieg eine Rolle bei der Synode spielen?

Preidel: In jedem Fall spielt es eine Rolle wegen der zu bewilligenden Gelder, die der Landeskirchenrat vorgeschlagen hat. Es könnte auch sein, dass es eine Aktuelle Stunde dazu geben wird. Das Thema ist im Moment ja die Herausforderung schlechthin. Und das Thema Frieden ist und bleibt ein ureigenes Thema unserer Kirche.

Wird es auch um grundlegende Fragen gehen, etwa, wie sich die Kirche zu Waffenlieferungen oder mehr Geld für die Bundeswehr verhalten soll?

Preidel: Das ist offen, das muss ich der Synode überlassen. Meine Rolle ist die der Moderatorin. Denkbar ist, dass es jetzt, da sich die EKD positioniert hat, dazu eine Diskussion geben wird, im Rahmen einer Aktuellen Stunde.

"Der Wunsch ist jetzt sehr groß, dass man sich nicht mehr digital trifft."

Die Synode soll erstmals seit dem Beginn der Pandemie wieder in Präsenz stattfinden. Gab es keine Bedenken angesichts der immer noch hohen Zahlen in Bayern?

Preidel: Der Wunsch ist jetzt sehr groß, dass man sich nicht mehr digital trifft, sondern sich tatsächlich begegnet. Dieses Mal gab es dazu keine Diskussionen. Und diejenigen, die gefährdet sind, senden ihre Stellvertreter und Stellvertreterinnen. Die Bedingungen sind sehr klar festgelegt – Masken, Abstand und so weiter. Gleichwohl kann es natürlich immer sein, dass die Infektionen in die Höhe gehen. Wir haben nicht ohne Grund immer einen Plan B, den wir mitlaufen lassen. Wir haben ihn jetzt mehrfach gebraucht – und in die Glaskugel kann ich auch nicht schauen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was wünschen Sie sich für diese Landessynode?

Preidel: Ich wünsche mir, dass wir unsere Ziele nochmals konkretisieren. Wir müssen jetzt in die Umsetzung des Reformprozesses "Profil und Konzentration" gehen. Es muss deutlichere Konkretionen geben, in welche Richtung es gehen soll. Profilbildung haben wir in Hülle und Fülle. Aber die Umsetzung wird für die nächsten drei Jahre dieser Synodalperiode sehr wichtig. Und da wünsche ich mir, dass wir konkreter werden.