Nichts ist hier so, wie man es von einer traditionellen Kirche erwarten würde: Das Kirchengebäude ist ein Halbrund, es gibt keinen eckigen Grundriss in Form eines Kreuzes. Die Apsis ist nach Westen ausgerichtet und nicht nach Osten. Statt monumental in die Höhe zu ragen, schmiegt sich der Bau harmonisch in die Rottaler Bäder-Landschaft. Die ökumenische Emmauskirche in Bad Griesbach ist einzigartig in der bayerischen Kirchenlandschaft. Vor 30 Jahren wurde sie von beiden Kirchen gemeinsam erbaut. Am Sonntag (9. Oktober) wurde Jubiläum gefeiert.
Kirchen teilen Büro und Sakristei
Im Oktober 1992 weihten der evangelische Landesbischof Johannes Hanselmann und der Passauer katholische Bischof Franz Xaver Eder das Ökumenische Zentrum in Bad Griesbach ein. Begonnen hatte die Zusammenarbeit als Pilotprojekt. 30 Jahre später teilen sich die beiden Kirchen sogar das Büro und die Sakristei. Schritt für Schritt ist so zusammengewachsen, was sich vom Glauben her gut teilen lässt.
Der große Kirchenraum, der für 400 Besucher konzipiert ist, wird von beiden Konfessionen genutzt. Im Laufe der Jahre sind immer mehr Gottesdienste zusammengelegt und gut ökumenisch gefeiert worden. Jede Konfession hat zwar noch eine Seitenkapelle, in der all das untergebracht ist, was typisch katholisch und evangelisch ist.
"Dadurch hat man vermieden, dass im großen Raum Weihwasser steht oder das ewige Licht leuchtet, was ja für die Evangelischen eher unbekannt ist",
sagt der evangelische Kurseelsorger und Pfarrer Klaus Stolz.
Zeiten vorbei, wo jeder nur für sich kämpft
Das ökumenische Arbeiten und gemeinsam Gottesdienstfeiern erleben er und sein katholischer Kollege Roland Burger als bereichernd. "Ich denke, die Zeiten sind vorbei, wo jeder nur für sich kämpft. Wenn wir als Kirche Bestand haben möchten in Zukunft, dann geht es nur miteinander, aber niemals gegeneinander", sagt Burger.
Selbst an dunklen Tagen fängt einen die freundliche Helligkeit dieser Kirche ein. Das Halbrunde schafft eine Raumstruktur, die die Seele öffnet und eine Art Wohlfühlatmosphäre herstellt. Fenster neben der Apsis lassen das Sonnenlicht in die Kirche. Vom Lichtband unter dem Dach, von überall her kommt Licht, das die Kirche von innen leuchten lässt. "Das ist wirklich beeindruckend", sagt Stolz.
"Wir haben durch die Westlage der Kirche das Privileg, dass wir durch die Fenster das Sonnenlicht hereinbekommen und ein faszinierendes Licht in der Kirche haben."
Architekt Alexander Freiherr von Branca (1919-2011) entwarf die Emmauskirche in Bad Griesbach. Er galt zu seiner Zeit als einer der berühmtesten seines Berufsstandes in Bayern. 29 Kirchen baute er, jede Menge Profanbauten, Häuser und Verwaltungsgebäude. Aber er kehrte immer wieder zu den sakralen Bauten zurück. Über ihre Funktion sagte der in einem protestantischen Elternhaus aufgewachsene und nach seinen Kriegserlebnissen zum Katholizismus konvertierte von Branca einmal:
"Die Funktion einer Kirche ist, die Menschen aus der Zerstreutheit in die Sammlung zu führen. Wenn ich Sammlung will, muss der Raum so sein, dass er Sammlung zulässt."
Verstärkt wird das Erlebnis vom Innenraum durch das 100 Quadratmeter große Wandgemälde, das der Nürnberger Kirchenmaler Oskar Koller (1925-2004) im Altarraum herstellte. Kollers Auftrag war, ein Bild zu malen von der biblischen Emmausgeschichte. Er baute auf starke Kontraste mit intensiven Farben, die von außen zur Mitte in helle Farben übergehen.
Vom Dunkel ins Licht
Das Motiv "Von der Dunkelheit ins Licht" lässt Spielraum für viele Interpretationen, erläutert Stolz. Vielleicht erspürt der eine oder die andere, wie man aus den dunklen Abgründen des Lebens mit Gott ins Licht treten kann. In den Kliniken des Bäderorts sind viele Patientinnen und Patienten, die vielleicht in trüber Stimmung in die Kirche kommen und Trost und Zuversicht in den Farben finden können.
Im Zentrum des Altarraums hängt von der Decke ein gleichseitiges Kreuz als Bronzeplastik, von Künstler Waldemar Otto (1929-2020) aus Worpswede gestaltet. Es habe damals für viel Diskussionsstoff gesorgt: Denn der Künstler stellt zwei Kurgäste ins Kreuz - in Badehose, beleibt und mit Falten im Gesicht. "Sie sehen so aus wie manche Leute hier in der Therme", erläutert Stolz. Otto habe damit die biblischen Emmausjünger an diesen Ort und in diese Zeit holen wollen. "Das sind keine abgehobenen Gestalten aus ferner Zeit, sondern Menschen wie du und ich", sagt Stolz.
Jesus links liegen gelassen
Was den Emmausjüngern damals passiert sei, dass Jesus sie nach seiner Auferstehung von den Toten am Ostermontag begleitete, sie ihn aber nicht erkannten, "das ist etwas, was auch heute noch geschehen kann", erläutert Stolz. In vielen Darstellungen der Emmausgeschichte steht der Auferstandene in der Mitte, die Jünger gehen rechts und links von ihm. Beim Künstler Otto aber wird Jesus von den Jüngern "links liegen gelassen".
Beim Verlassen der Kirche durch den Hauptzugang stößt man auf den Grundstein mit der Jahreszahl 1991. Darüber plätschert Wasser aus einem Brunnen. Es ist aber kein Weihwasser und kein Taufbecken, auch wenn viele Besucher es dafür halten. Es symbolisiert die Thermalquellen, denn immerhin ist Bad Griesbach ein Kurort.