Elisabeth Dauthendey, Halbschwester von Max Dauthendey, tritt aus dem Schatten ihres in der gemeinsamen Heimat Würzburg heute noch verehrten und präsenten Bruders, der ebenso wie sie dichtete und schrieb. Der Band "Das Weib denkt" versammelt Essays, Novellen, Gedichte und Märchen einer frühen Frauenrechtlerin, die es zu entdecken lohnt.

Die Idee, Literaturschaffende mit Würzburger Bezug seit 2014 im Zweijahres-Rhythmus in das Licht der Öffentlichkeit zu bringen, hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Vielleicht krankt die Wahl von Elisabeth Dauthendey (1854-1943) etwas daran, dass die Autorin keinesfalls "leichte Muse" ist und sich ihr Werk somit wahrscheinlich eher einem elitären Kreis erschließt.

Jedenfalls sind die den Sammelband einleitenden Essays zur Frauenrolle in der wilhelminischen Gesellschaft zwar unter gesellschaftshistorischen Gesichtspunkten spannende Lektüre, wirken heute aber gerade wegen der Beschreibung von Zuständen, die längst überholt sind, wie Stimmen aus grauer Vorzeit.

Rolle der Frau im Wilhelminischen Zeitalter

Jedoch lässt sich an den Themen der in der heutigen Neutorstraße 11 lebenden Lehrerin und Autorin ablesen, wie sehr wahrscheinlich nicht nur die Autorin die Rolle der Frau als unbefriedigend empfand und wie wortgewaltig sie sich mit dem Schicksal auseinandersetzt. Dabei muss man alleine schon wissen, dass sich Frauen vor rund 150 Jahren nicht selbstabwertend als "Weib" bezeichnet haben, sondern diese Begrifflichkeit gängig war.

Der Nachsatz, dass dieses "Weib" aber auch noch "denkt", darf durchaus als trotzig und damals unerhört angesehen werden. Dauthendey engagierte sich beispielsweise im Verein "Frauenheil" für das Recht von Frauen, an der Universität Würzburg Vorlesungen zu besuchen.

Für den Typ Leser, der sich eher von spannenden oder kuriosen Geschichten packen lassen will, bietet das Buch aber eine ganze Menge. Da findet man kurze erotische Novellen, die neben der sexuellen Dimension der Beziehungen zwischen Mann und Frau auch die Irrungen und Wirrungen der Liebe schlechthin beschreiben. In ihren Gedichten handelt sie den Garten als Parabel des Lebens ab, die Kunstmärchen bieten wortgewaltige Wertevermittlung.

Novellen und Märchen

Novellen im ganz klassisch-romantischen Sinne sind es auch, die mit einer ungewöhnlich bildhaften Sprache in die Gedanken- und Gefühlswelt der Autorin locken. Das ist vom "Zweiten Gesicht" die Rede in einer Erzählung über ein äußerliches Scheusal, das zum Retter wird und dadurch auf Liebe hoffen darf. Oder von einer rätselhaften "weißen Frau", die man heutzutage als "femme fatale" bezeichnen würde und die scheinbar über Leichen geht.

Erzählungen, die ganz im Sinne von Novalis "dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein" geben. 

Elisabeth Dauthendey hat bis 1932 rund 20 Bücher mit Novellen und Märchen geschrieben, die teils in großen Auflagen erschienen und weit verbreitet waren. Nachdem die Nazis sie als sogenannte Halbjüdin ansahen – die evangelische Mutter stammte aus einer jüdischen Familie – und Mozartfest-Initiator Hermann Zilcher 1936 den Text Dauthendeys für die Nachtmusik beim Mozartfest durch einen anderen ersetzte, zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Zwei Jahre nach ihrem Tod 1943 verbrannte nach dem Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 ihr gesamter Nachlass im Keller ihres Hauses.

Doch Elisabeth Dauthendey ist mehr als nur eine weitere "tragische Figur": Ihren außergewöhnlichen Schreibstil zu entdecken lohnt sich für Bücherliebhaber, und "Würzburg liest ein Buch" ist dazu ein willkommener Anlass.

Hier kann man das Buch im sozialen Buchhandel Buch7 bestellen.

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