Auf der Freilichtbühne im Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerklosters feierte "Stolz und Vorurteil" jetzt Premiere. Dass ausgerechnet ein Geistlicher sein Fett weg bekommt, überrascht angesichts Austens Herkunft. Der Intendant der Feuchtwanger Kreuzgangspiele Johannes Kaetzler hat aus dem Stoff ein mitreißendes Theaterstück gemacht, das auf der Freilichtbühne im Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerklosters voll zur Geltung kommt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Familie Bennet, Angehörige des niederen Adels um 1815. Fünf Schwestern wollen ihr Glück finden, während ihre Eltern darauf bedacht sind, sie zu verheiraten, um zu verhindern, dass das Familienvermögen an entfernte Verwandte fällt. Dabei kommt es zu vielen dramatischen und konfliktreichen Momenten.

Doch Jane Austen ist für Kaetzler nicht nur eine Liebesgeschichtenerzählerin, sondern auch eine politische Autorin. Sie kämpft in ihrem Werk für Frauenrechte und kritisiert die gesellschaftlichen Bedingungen, die Frauen benachteiligen. Die Hauptfigur Elizabeth Bennet steht dafür exemplarisch, indem sie sich weigert, einen Mann zu heiraten, den sie nicht wirklich liebt, und sich sogar gegen den Druck ihrer Mutter durchsetzt.

Um den umfangreichen Roman auf die Bühne zu bringen, musste Kaetzler einige Entscheidungen treffen: Er reduzierte die Schauplätze auf eine Terrasse und strich zahlreiche Nebenfiguren. Dennoch besteht das Ensemble aus 14 Darstellern, da viele Rollen nötig sind.

Pfarrerstochter Jane Austen

Jane Austen wurde 1775 als siebtes von acht Kindern in eine Familie des englischen Landadels geboren. Ihr Vater, George Austen (1731–1805), war anglikanischer Pfarrer und diente als Rektor der Gemeinden Steventon und Deane in Hampshire. Er hatte einen akademischen Hintergrund, studierte an der Universität Oxford und erlangte den Grad eines Bachelor of Divinity. Neben seiner geistlichen Tätigkeit betrieb er Landwirtschaft und führte eine kleine Privatschule, um das Familieneinkommen zu ergänzen. George Austen galt als gewissenhafter und gebildeter Geistlicher, der seine Pflichten ernst nahm und seine Familie in einem religiös geprägten Umfeld erzog.

In ihren Briefen und Gebeten äußerte Jane Austen einen tiefen und aufrichtigen Glauben. Ein erhaltenes Gebet von ihr bittet Gott um einen Sinn für die Gnade, die in der Erlösung der Welt liegt  Diese religiöse Haltung spiegelt sich auch in ihren Werken wider, in denen sie moralische Werte wie Pflichtbewusstsein, Anstand und religiöse Ernsthaftigkeit betont. Obwohl religiöse Themen in ihren Romanen selten direkt behandelt werden, ist die ethische Orientierung ihrer Charaktere oft von christlichen Prinzipien geprägt.

Der so wenig christliche Pastor Collins

Im Gegensatz dazu steht die Figur des Mr. Collins aus Austens Roman "Stolz und Vorurteil". Mr. Collins ist ein entfernter Verwandter der Bennet-Familie und ein Pfarrer der Church of England. Er wird als selbstgefälliger und serviler Charakter dargestellt, der seine geistliche Stellung vor allem zur sozialen Aufwertung nutzt. Seine Heuchelei und Arroganz machen ihn zu einer humorvollen, aber auch kritischen Figur in Austens Werk. Im Gegensatz zu George Austen, der seine religiösen Pflichten ernst nahm und ein Vorbild für seine Familie war, erscheint Mr. Collins als ein Beispiel für einen Geistlichen, der seine Position für persönliche Vorteile ausnutzt und dabei die eigentlichen Werte des Glaubens missachtet.

Joseph Reichelt spielt den selbst ernannten "Seelenhirten" William Collins, der so ganz unchristlich agierend genau weiß, dass er als Erbnachfolger von seinem Cousin Mr. Bennet nahezu Narrenfreiheit in diesem Hause genießt und ihm daher auch herzlich egal ist, welche der jungen Frauen er "abkriegt".

Auf eingespielte Musik kann das Ensemble diesmal verzichten, hat man mit Viviane Ebert alias Mary Bennet doch eine Schauspielerin auf der Bühne, die praktisch ein Drittel ihrer Präsenz am Piano verbringt und dabei immer die passenden Stücke zur jeweiligen Stimmung intoniert.

Bemerkenswert auch Ulrich Westermann, der die arrogante, alte Adelslady Catherine de Bourgh dermaßen überzeugend spielt, das der erste "Waltraud & Mariechen”-mäßige Überraschungslacher schnell überwunden ist und sich der Zuschauer herrlich über die anmaßende Person ärgern kann, ohne sie lächerlich zu finden.

Die rund zwei Stunden Aufführungsdauer vergehen angesichts der spannenden Dialoge trotz deren Wortlastigkeit wie im Flug. Man klebt den Schauspielerinnen und Schauspielern förmlich an den Lippen und fiebert regelrecht mit, wenn durch zu viel Stolz und zu viel Vorurteile wieder mal ein Chaos der Gefühle auf der Bühne ausbricht…

Scheinen die Protagonisten sich während der Handlung meist selbst im Wege zu stehen, überrascht am Ende doch das Happy-End: drei der fünf Schwestern plus die beste Freundin von Elizabeth sind verheiratet, die Eltern sind zufrieden. Wäre "Stolz und Vorurteil" ein einfacher Bauerntheaterstück, hätten die anderen beiden Damen auch noch den passenden Ehemann gefunden. Doch vielleicht ist das auch nur ein Vorurteil . . .

Weitere Aufführungen findet ihr hier.

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