Zum Entsetzen der Ordnungshüter mischt die kleine, wilde Sängerin auch das deutsche Publikum auf: Zum Schluss ihres einzigen Deutschland-Auftritts am 12. April 1969 röhrt Janis Joplin ihren Hit "Piece Of My Heart" und lockt die Fans zum Tanzen auf die Bühne der Frankfurter Jahrhunderthalle: "Warum sitzt ihr, kommt rauf!" Etwas mehr als ein Jahr später ist die Ikone der Hippiekultur tot. Eine wohl unbeabsichtigte Überdosis Heroin setzte ihrem Leben ein frühes Ende – sie wurde nur 27 Jahre alt.
Janis Joplin, geboren am 19. Januar vor 75 Jahren im texanischen Port Arthur, war der erste weibliche Rockstar. Sie öffnete die Türen und inspirierte spätere Stars wie Melissa Etheridge oder Pink. Mit ihrer ungemein wandlungsfähigen Stimme erweiterte sie Mitte der 1960er-Jahre das Gesangsrepertoire des Blues und Rock. In einer von Männern dominierten Musikszene gab sie in ihren Bands den Ton an, kehrte in ihren meist autobiografischen Songs vor allem bei ekstatischen Liveauftritten ihr Innerstes nach außen.
Sie kreischte und krächzte heiser, seufzte, konnte aber auch sanft gurren. Dass Janis Joplin mit verschiedenen Stimmen gleichzeitig singen konnte, sei "ein Zeichen, dass sie vom heiligen Geist besessen war, den sie mit sich aus dem Süden gebracht hatte", so beschrieb es der Rock ’n’ Roll-Pionier Little Richard.
Einsamer Star der Hippie-Generation
"Sie war authentisch und ließ sich nicht verbiegen", nennt die Sängerin Marion La Marché den Grund, warum Janis Joplin bis heute ihr Idol ist. Zehn Jahre lang trat die Sängerin aus Wiesloch in dem Rocktheaterstück "Janis – Piece Of My Heart" auf.
In ihrer nur knapp fünfjährigen Karriere hatte Janis Joplin weltweiten Erfolg mit Songs wie "Try (Just a Little Bit Harder)", "Cry Baby" oder "Summertime". Ihr einziger Nummer-eins-Hit war "Me and Bobby McGee", geschrieben von dem Countrysänger Kris Kristofferson. Er erschien auf ihrem 1971 posthum herausgegebenen vierten Album "Pearl" (Perle), das war ihr Spitzname.
Ihr Leben lang fühlte sich die Sängerin aus dem tief konservativen US-amerikanischen Süden als Außenseiterin – das sei der Hauptgrund, weshalb sie mit Leib und Seele Blues sang, urteilen Zeitgenossen und Musikkritiker. Als pummeliger Teenager mit Akne wurde sie gehänselt, revoltierte Folk und Blues singend als "Beatnik" gegen lieblose Eltern.
Die weiße Stimme des ewigen Blues
Janis Joplin – einsam, zutiefst verunsichert und auf der Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit – plagte der ewige Blues. "Du versuchst immer hart zu bleiben, damit niemand mitkriegt, dass du es gar nicht bist", sagte sie einmal. Mit 18 Jahren brach sie ein Kunststudium ab, trampte nach Kalifornien, um Sängerin zu werden, kehrte alkohol- und drogensüchtig wieder nach Texas zurück.
1966 reiste sie in die Hippie-Metropole San Francisco und schloss sich der Bluesrockband "Big Brother and The Holding Company" an. Über Nacht zum Star wurde sie im Juni 1967 mit einem Auftritt beim Monterey Pop Festival, dem ersten großen Rockmusikfestival. Mit dem Bluessong "Ball and Chain" untermauerte Janis Joplin ihren Anspruch, eine knallharte, rauchende, Whisky trinkende und fluchende "Bluesmama" zu sein.
Sie stellte die "Kozmic Blues Band" zusammen, startete 1968 eine Solokarriere mit einem ausgefeilteren, bläserlastigen Bluessound. Stilbildend wurde sie für viele junge Frauen in der Mode durch ihre bunten Hippiekostüme mit Federboas und Kettchen. Auf der Karriereleiter ging es rasant nach oben: Fernsehauftritte, Konzerte, Europatournee. Das auf Film festgehaltene Woodstock-Festival im August 1969 verschaffte ihr den weltweiten Durchbruch. 1970 formierte sie eine neue Band, nahm eine Auszeit und reiste nach Brasilien, plante zu heiraten.
Der tragische "Club 27"
Mehr und mehr verfiel sie aber den Drogen, Entzugsversuche scheiterten. Neben den anderen Symbolfiguren der Hippiekultur, dem Gitarrengenie Jimi Hendrix und dem "Doors"-Sänger Jim Morrison, lebte auch Janis Joplin einen selbstzerstörerischen Lebensstil – Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll.
Im Oktober 1970, bei den Aufnahmen zu ihrer Platte "Pearl" in Hollywood, wurde Janis Joplin tot in ihrem Hotelzimmer gefunden, mit frischen Einstichen in den Armen von einer Heroinspritze. Tags zuvor hatte sie noch den A-cappella-Titel "Mercedes Benz" mit dem kleinen, diabolischen Lachen am Ende eingesungen, der zu ihrem Markenzeichen werden sollte. Ihren Freunden hinterließ sie 2500 Dollar für eine feuchtfröhliche Totenfeier – ihre Asche wurde im Pazifischen Ozean verstreut.
Sie wird zum tragischen "Club 27" gezählt, einer Reihe namhafter Musiker, die im Alter von nur 27 Jahren starben: Jimi Hendrix, Jim Morrison und das "Rolling Stones"-Mitglied Brian Jones gehören dazu, aber auch der 1994 gestorbene Grunge-Sänger Kurt Cobain und die Soulsängerin Amy Winehouse, gestorben 2011.