Der rekordverdächtige Klassik-Konzertabend führte auf leichtfüßig tänzelnden Schritten in die Unterwelt und wieder zurück. Passend zum diesjährigen Festivalmotto "Alles in einem: Freigeist Mozart", der an diesem Programm wohl seine Freude gehabt hätte.

Die Vögel der Nacht eroberten sich an diesem Abend ihren Hofgarten wieder zurück. Um den musikalischen Hörgenuss besser genießen zu können, den das Philharmonische Orchester Würzburgs unter der Leitung von Gábor Hontvári in der Abenddämmerung servierte, war die Straßenführung rund um die Gartenanlage des UNESCO-Weltkulturerbes teilweise umgeleitet worden, sodass keine lärmenden Motoren oder Hupen stören könnten. Das nutzte manche Amsel aus, um mit ihrem Ruf die Pausen zwischen den Orchestereinsätzen zu füllen, während ein leiser Klangteppich mit Vogelzwitschern einen gemächlichen Kontrast zum ansonsten üblichen Raunen des Stadtverkehrs legte.

Rekordverdächtiger Besucheransturm

Ein wunderbares Ambiente also, das in diesem Jahr bei der zweiten "Nachtmusik" des Mozartfests so viele Zuhörerinnen und Zuhörer nutzten, wie schon lange nicht mehr. Selbst die günstigeren Promenadenkarten, mithilfe derer man sich auch in den hinteren Regionen des Gartens auf seiner Decke oder seinem Kissen bequem machen und zuhören konnte, waren stark gefragt, sodass tatsächlich Festival-Stimmung aufkam.

Evelyn Meining, seit der Saison 2014 Intendantin des Mozartfestes Würzburg, führte in das Programm des Abends ein. Dieses wurde freilich mit Wolfgang Amadeus Mozarts (1756 – 1791) Serenade Nr. 13 G-Dur KV 525 eröffnet, die schon vom Meister selbst den Namen "Eine kleine Nachtmusik" erhalten hatte und damit titelgebend für die sicher beliebteste Veranstaltung in der Reihe des Traditionsfestivals wurde, das im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag feierte.

Kritischer Umgang mit Nazi-Vergangenheit

Meining erinnerte an Festivalgründer Hermann Zilcher, damals Leiter des Bayerischen Staatskonservatoriums der Musik, der 1921 bei der ersten "Musik- und Theaterwoche" in der Würzburger Residenz auch Mozarts Motette "Exsultate, jubilate" (KV 165) aufführte und die Wirkung von Mozarts Musik in den Barocksälen der Residenz als "innige Vermählung von Ton, Architektur und Farbe" beschrieben hatte. In einem Arrangement für Englischhorn erklang dieses Stück dann auch im Anschluss an die "Nachtmusik", und der Solist des Abends, Dominik Wollenweber, zeigte dabei seine Virtuosität und Einfühlsamkeit.

Dass der Stadtrat Würzburg im März beschlossen hatte, die nach Zilcher benannte Straße im Würzburger Frauenland umzubenennen, weil der 1948 gestorbene frühere Direktor des Würzburger Konservatoriums laut Kommissionsbericht sich "mit mehreren seiner Kompositionen in den Dienst der NS-Propaganda" gestellt hatte, ließ über den immer noch makellos blauen Nachthimmel über der Residenz kein Wölkchen aufziehen. Ohnehin ist die Diskussion über den Grad der Verantwortung von Künstlern in der Zeit des Nationalsozialismus und die daraus folgenden Schlüsse immer noch im Gange. Das Mozartfest steht aber zu dem kulturellen Schatz, den sein Gründer gesichert und vermehrt hat.

Finnisches Nationalepos "Kalevala"

Mit dem "Schwan von Tuonela" von Jean Sibelius (1865 – 1957), Teil der "Lemminkäinen Suite" ging es musikalisch in die Moderne, thematisch aber in die mythologische Welt der "Kalevala", dem finnischen Nationalepos – und von dort aus auf die Toteninsel Tuonela, auf der ein mystischer Schwan lebt. Die schwelgerischen Klangkaskaden, aus denen das Englischhorn wieder herausstach, ließen die rund zehn Minuten Spieldauer wie im Flug vergehen und die Zuhörenden in die Nacht hinwegträumen.

Aufwachen war dann zum Abschluss bei Robert Schumanns (1810 – 1856) 3. Sinfonie Es-Dur op. 97 (Rheinische Sinfonie), eigentlich von der Chronologie des Komponierens her seine vierte und petzte, angesagt. Das Werk entstand kurz nach dem Umzug der Schumanns von Dresden nach Düsseldorf. Von Schumann ist überliefert, dass er sich vom Anblick des Kölner Doms bei der Entstehung des Werks inspirieren ließ, den er zwei Mal besichtigt hatte. Für die Mozartfest-Gäste musste mit der Würzburger Residenz als Kulisse, vor der das Orchester agierte, diesmal ein anderes historisches Bauwerk dienen, das aber wieder einmal als inspirierender Schauplatz diente. Da verzeiht man es dem ein oder anderen weniger klassikerprobten Fan, dass auch wie eigentlich unüblich zwischen den Sätzen applaudiert wurde. Freigeist Mozart hätte auch das gefallen.