Filme unterm Sternenhimmel - beim "Kino am Olympiasee" in München kommen Cineasten seit kurzem wieder auf ihre Kosten. Und auch andernorts dürfen in den ersten Regionen die Kinos wieder aufmachen, andere bereiten die Eröffnung vor oder planen Freilichtvorführungen.

Betreiber und Filmschaffende sind voller Hoffnung: "Anderthalb Jahre nächtlicher Einsamkeit im endlosen Supermarkt von Netflix sind genug", sagt Regisseur und Grimme-Preisträger Kilian Riedhof.

"Wir veröden in der zunehmenden Gesichtslosigkeit des Streaming-Angebots. Wir sehnen uns nach kollektiv erlebter Emotion, nach Diskussion, nach Kontroverse, nach einer politischen Identität."

Der Nachholbedarf sei massiv, er erwartet gar einen "kleinen Boom".

Kinobesuche unter Corona-Auflagen sind seit Mitte Mai wieder möglich

Zu denen, die ihr Haus schon Mitte Mai wieder aufmachen durften, gehört auch Matthias Helwig vom Kino "Breitwand" in Gauting nahe München. Voraussetzungen sind Impf- oder Genesenennachweis oder negativer Corona-Test, außerdem muss während des gesamten Aufenthalts eine FFP2-Maske getragen werden.

Und genau deshalb mag Helwig nicht aus vollem Herzen in den allgemeinen Optimismus einstimmen: Mit Mund-Nasenschutz kann selbstredend nichts verzehrt werden. Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass Kinos einen Großteil ihres Umsatzes nicht mit Eintrittskarten, sondern mit dem Verkauf von Süßwaren und Softdrinks machen.

Christine Berg: Kinos sind soziale Treffpunkte

Für viele Besucher sei das Kino nicht nur eine Filmabspielstätte, betont Christine Berg, Vorstandsvorsitzende des Hauptverbands Deutsche Filmtheater (HDF). Sondern gerade in Zeiten von "sehr viel allein vor dem Bildschirm sitzen" sei auch dessen Funktion als sozialer Treffpunkt wichtig: "ein Familienfreizeitort oder ein Ort für Verliebte, der ein ganz besonderes Gemeinschaftserlebnis auf sich vereinigt."

Dennoch ist auch Berg klar: "Nur wenn der Verzehr im Kino erlaubt sein wird, werden wir angesichts zunächst sicherlich weiterhin beschränkter Sitzplatzkapazitäten überhaupt wirtschaftlich arbeiten können."

Hygieneauflagen stellen Barriere dar

Das heißt: Auch wenn Kinos in einer Region theoretisch aufmachen dürfen, lohnt sich das nicht für alle. Helwig sieht in den Hygieneauflagen auch eine psychologische Barriere:

"Die Menschen sehnen sich nach einem Gefühl von Freiheit, aber diese Freiheit wollen sie ohne Reglementierungen genießen."

Peter Dinges, Vorstand der Filmförderungsanstalt, blickt optimistisch in die Zukunft: "Nach der Pandemie erwartet uns ein regelrechtes Film-Schlaraffenland mit vielen sehr attraktiven deutschen und internationalen Filmen."

Allerdings: Die großen Hollywood-Produktionen und Premieren wird es wohl erst zu sehen geben, wenn deutschlandweit die Kinos öffnen.

Ulrich Höcherl: Situation verbessert sich langsam

Ulrich Höcherl, Herausgeber und Chefredakteur der Branchenzeitschrift "Blickpunkt:Film", glaubt, die vorsichtigen Öffnungsperspektiven führten nur zu einer sehr langsamen Verbesserung der prekären Situation der Branche.

Das Beispiel China stimme ihn jedoch optimistisch: "Dort werden schon wieder Rekordzahlen im Kino geschrieben - trotz Streamingboom." Höcherl geht davon aus, dass Filme wie "Black Widow", "Fast & Furious 9" und "Kaiserschmarrndrama" auch in Deutschland ab dem Sommer für volle Kassen sorgen werden.

Kino hat schon mehrere Krisen überstanden

Das Vertrauen der Branche in die Zukunft gründet nicht zuletzt auf Erfahrungen aus der langen Geschichte des Kinos. Während einer Online-Diskussion mit Bielefelder Kinobetreibern zum Thema "Stirbt das Kino?" hat der frühere Berlinale-Leiter Dieter Kosslick kürzlich darauf hingewiesen, dass das Kino schon ganz andere Herausforderungen bestanden habe.

Die erste große Krise gab es bereits vor gut 90 Jahren: Selbst Charlie Chaplin war damals überzeugt, die Einführung des Tonfilms sei gleichbedeutend mit dem Ende des Kinos.

Mit Einführung von Fernsehgeräte sahen viele das Ende des Kinos

Corona-Krise und Unternehmen wie Netflix als mögliche Totengräber des Kinos - die Situation erinnert auch an die 50er Jahre, als sich immer mehr Haushalte ein Fernsehgerät anschafften und viele erneut das Ende des Kinos befürchteten.

Hollywood reagierte damals mit der Erfindung des Monumentalfilms: große, mit enormem Aufwand hergestellte Produktionen wie "Quo Vadis" (1951), "Die zehn Gebote" (1956) oder "Ben Hur" (1959), die ihre Wirkung auf riesigen Leinwänden entfalteten.

Heute, sagte Kosslick, sei allerdings mittlerweile eine ganze Generation damit aufgewachsen, bewegte Bilder auf kleinen Bildschirmen zu betrachten. Er sprach bewusst überspitzt von "’Ben Hur’ auf der Armbanduhr".

Höcherl: Das Kino wird nicht sterben

Das Kino, resümiert Höcherl, "wird sicher nicht sterben; einige Kinos aber schon." Im Frühjahr 2020, gesteht "Breitwand"-Betreiber Helwig, sei er wesentlich hoffnungsvoller gewesen.

Seine Zuversicht hat einen erheblichen Dämpfer erhalten, weil sich die Erfahrungen des vergangenen Jahres nun wiederholt hätten:

"An den ersten Tagen war die Resonanz überwältigend, sämtliche Vorstellungen waren ausverkauft; aber dann ist die Begeisterung auch wieder abgeflaut."

Aber, sagt er, er sei glücklich, überhaupt wieder Filme zeigen zu können. Und hat als eines der ersten Werke "Cinema Paradiso" von 1988 ins Programm genommen - einen nostalgischen Film über die Magie des Kinos.