Von außen versperren Fensterscheiben aus Milchglas den Blick hinein. Von innen ist Susanne Wagners Atelier eine Werkstatt. Ganz anders, als wir von einer "Videokünstlerin" erwartet haben. Der Raum hat den Charme einer Fabrikhalle, auf eine freundliche Art: hell, weitläufig, staubig. An der unverputzten Decke liegen offene Kabel und Leitungen. Überall stehen Werkzeuge, Skizzen, Farben und kleine Modelle. Eines der wenigen Dinge, die hier auf "Videokunst" hindeuten, ist der Computer im Hinterzimmer. Und selbst der macht auf uns einen handwerklichen Eindruck, nicht wie ein hochkompliziertes Stück Technik. Mehr wie eine Säge oder Bohrmaschine.

Susanne Wagner empfängt uns locker und freundlich. Sie wirkt genau so unkonventionell wie ihr Atelier. Eingepackt in Mantel und Schal ist ihr Alter kaum einzuschätzen, das aufgeweckte Lächeln verleiht ihrer Erscheinung etwas Jugendliches. Mitten im Arbeitsbereich serviert sie uns auf einem kleinen Ablagewagen Kaffee und Kuchen. Ein Geschirrtuch muss als Tischdecke herhalten, quadratisch, praktisch, gut.

 

Susanne Wagner im Atelier

Susanne Wagners "Hang zum Raum"

Die Frage, die uns jetzt brennend interessiert, liegt auf der Hand. Wie kommt eine junge, weltliche Künstlerin, die normalerweise Videos macht dazu, Altäre zu entwerfen? "Ich würde mich nicht als Videokünstlerin bezeichnen" antwortet Susanne Wagner. Film und Bildhauerei hätten beide konzeptuelle Herangehensweisen und daher mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der Ursprung ihres Interesse für Kirchen liegt wohl  in ihrer Jugend, meint sie. Vater und Bruder sind beide Architekten. Sie sei zwar selbst nicht besonders religiös, noch sei sie so erzogen worden, trotzdem hätten ihre Eltern mit ihr zahlreiche Kirchen besichtigt. Dabei habe sie wohl eine Art "Hang zum Raum" entwickelt. Als sie schließlich einen Wettbewerb für ein Altarkonzept gewann, entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Einrichtung von Kirchen.

Heute ist Susanne Wagners Atelier voll mit Gotteshäusern in Miniaturform. Arbeit gebe es genug, scherzt sie, während sie uns herum führt. Die Altäre in den Barockkirchen seien ja meistens nur "bemalte Holzkisten, die alle ausgetauscht werden müssen". Gerade in dieser frischen Einstellung, die so gar nicht mit jahrhundertealten, verstaubten Kirchen zusammenpassen will, sieht Susanne Wagner ihre Stärke. "Wenn eine junge Künstlerin für einen Barockbau entwirft, weiß man nicht, was heraus kommt", erzählt sie. Gerade kleinere Gemeinden seien oft progressiver und würden gerne mal Neues ausprobieren. Und tatsächlich, ein Blick durch das Atelier zeigt: Ein Wagner-Altar ist etwas Besonderes, etwas Ungewöhnliches.

Ob sie durch ihre Arbeit an Kirchen nun tieferes Wissen über die katholische Liturgie erworben hätte, fragen wir die Künstlerin. Zu unserer Überraschung verneint sie selbstsicher. Aber auch das passt perfekt zu Susanne Wagners Kunst. Unverbraucht, frei vom Gewicht traditioneller kirchlicher Symbolik. "Ein tieferer Einstieg in die katholische Liturgie würde meine Kreativität eher behindern", erklärt sie. 

Über Susanne Wagner

Geboren am:

  • 1977 in München

Ausbildung/Stipendien:

  • 1998-2004: Studium an der Akademie der Bildenden Künste München
  • 2001-2002: Studium an der Akademie der Bildenden Künste Wien
  • 2005: Diplom und Debütantenpreis der Akademie der Bildenden Künste München
  • 2011: Bayerischer Kunstförderpreis

Aktuelle Werke und Ausstellungen:

  • ANONYM, 2014, Kunst im Öffentlichen Raum, Odeonsplatz München
  • MOVING IMAGE, 2014, Videomesse Istanbul
  • LEPINGLEPONG, 2014, Galerie Jo van de Loo München