Manchen mag die Diskussion absurd vorkommen, Serien- und Tolkien-Fans liefern sich mit Amazon darüber jedoch seit Wochen einen Schlagabtausch: In der Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" leben die Fantasiegestalten in einer diversen Gesellschaft.

Viele Fans waren schon skeptisch, als die ersten Trailer zu dem neuen Mega-Projekt veröffentlicht wurden - einer der Hauptkritikpunkte ist nämlich die neue Diversität der Tolkien-Welt. Während die vorherigen Filmadaptionen eine hauptsächlich weiße Welt darstellten, gibt es in der aktualisierten Tolkien-Welt nun also einen schwarzen Elfen, schwarze Zwerg*innen und schwarze Hobbits.

Für Amazon stellt die Serie ohnehin ein großes Risiko dar, da sie mit einem Budget von insgesamt einer Milliarde US-Dollar die teuerste TV-Serie überhaupt ist. Umso bedenklicher ist es, dass sie - trotz eines Zuschauer*innenrekords von 25 Millionen Menschen für die Pilotfolge - auf beliebten Bewertungsseiten wie "Rotten Tomatoes" lediglich 39% Zuschauerzustimmung genießt. In den USA hatte Amazon aufgrund einer Welle negativer, teilweise rassistischer Kommentare sogar die Bewertungsfunktion gesperrt und mit ehemaligen Schauspielern der "Der Herr der Ringe"-Saga online eine Anti-Rassismus Aktion gestartet.

Ist der Zorn der Fans also nachvollziehbar oder sind die Kritiker*innen wirklich weiße Rassist*innen?

Amazon scheint es mit dem Diversitätsthema jedenfalls nicht so ernst zu meinen. Immer wieder gab es Berichte von Insider*innen, die Amazon Rassismus vorwarfen, sei es über rassistische Handlungen oder Bemerkungen im Arbeitsalltag. Mit der neuen Blockbuster-Serie will Amazon auf der moralisch richtigen Seite stehen, um nicht wieder ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten. Das Mittel, das sie dafür wählen ist allerdings problematisch.

Anstatt eine ganze Spezies - wie die Elben - mit schwarzen Schauspieler*innen zu besetzen oder es paritätisch aufzuteilen, werden lediglich einzelne Rollen so besetzt. Der schwarze Elf Arondir beispielweise ist ein Waldelf, der bisher mit keiner wirklich interessanten Story ausgestattet ist. Es wirkt, als hätte Amazon ihn nur deshalb mit einem schwarzen Schauspieler besetzt, um die Quote zu erfüllen.

Dasselbe gilt für die Zwergenfrau Disa, die als schwarze Frau in dem weißen patriarchalen Zwergenreich besonders auffällt. Es wird nicht versucht, Diversität zu normalisieren - sie wird als etwas Besonderes, als etwas anderes dargestellt. So sollen die Zuschauer*innen das Bild vermittelt bekommen, dass Amazon ein diverses Mittelerde präsentiert. In Wirklichkeit ist jedoch eine solche Quotenerfüllung genau das, was Amazon eigentlich verhindern sollte. Würde man ein paritätisches Zwergenreich zeigen, wäre dies ein Zeichen für die Normalisierung von Diversität. Auf die präsentierte Art wirkt es jedoch rassistischer, als lediglich eine Ethnie zu präsentieren.

Diversität ja, aber bitte begründet!

Wenn man eine Fantasiewelt verändert, sollte dies zumindest gut begründet sein. In Tolkiens Welt gab es auch schwarze Menschenvölker aus dem Süden Mittelerdes. Aber anstatt schon Vorhandenes zu verwenden, wurden Völker genommen, die auch von Tolkien als weiß beschrieben oder in Peter Jacksons Verfilmungen weiß dargestellt wurden. Hobbingen war für Tolkien beispielsweise ein Abbild von Mittelengland. Dass nun die Vorfahren von weißen Hobbits einer anderen Ethnie angehören, wirft wieder unnötig Fragen auf und wirkt unplausibel.

Die wenigsten Fans haben Probleme mit einer Diversifizierung von Mittelerde, sie muss lediglich begründet sein.

Wirken politische Statements zu aufgezwungen, nimmt das vielen Zuschauer*innen die Fiktion und somit den Spaß an der Fantasiewelt.

Es ist ein Trugschluss zu denken, man müsse Mittelerde diversifizieren, damit auch Menschen anderer Ethnien sich damit identifizieren können. Dieser Grundgedanke hat ebenfalls rassistische Züge. Heißt das, dass sich weiße Menschen nicht mit bekannten schwarzen Schauspieler*innen wie Morgan Freeman identifizieren können? Eine Fantasiewelt soll die Fantasie anregen und jeder kann sich darin wiederfinden, da sie eben nicht real ist – und das unabhängig von der Hautfarbe.

Es wirkt fast schon orchestriert wie Amazon nun die schlechten Kritiken als rassistisch abstempelt und sogar Kommentarfunktionen sperrt. Dabei hat die Serie so viel gravierendere Probleme als die neue Diversität – unter anderem das langsame Storytelling, die blassen Charaktere und die an vielen Stellen unpassende Musik. Doch spielt der Streaming-Anbieter damit seinen Gegner*innen nur in die Karten. Indem er den öffentlichen Diskurs darüber ausblenden will und - man möchte fast schon "rassistische" Diversität sagen - betreibt, hat er sich angreifbar und es der rechtskonservativen Sparte sehr leicht gemacht, populistisch gegen politische Wokeness zu hetzen. Nun erntet Amazon dafür massiv Kritik – und das nicht nur aus der AfD, sondern auch von weltweit bekannten Persönlichkeiten wie Elon Musk.

Was die Film-/Serienindustrie aus dem Beispiel lernen kann ist, dass politische Botschaften in Serien nur dann funktionieren, wenn sie kohärent in die Geschichte eingebettet sind.

Amazon versagt mit "Die Ringe der Macht" hierbei auf allen Ebenen und zeigt mit der Ignoranz gegenüber der Kritik, dass sie aus den Rassismus-Skandalen nichts gelernt haben.

Als gutes Beispiel für die gelungene Darstellung von Diversität ist übrigens "House of the Dragon" zu nennen. Das "Game of Thrones" Prequel, welches 172 Jahre vor den Ereignissen der beliebten Mutterserie spielt, zeigt eine historisch begründet diverse Gesellschaft. Kritiker*innen und Fans schwärmen von der Serie - Diversität ist kein Kritikpunkt und fällt gar nicht auf, da sie inhaltlich stimmig ist.