Könnten Sie uns bitte kurz das Konzept des Friedensjournalismus erläutern? Viele unserer User*innen sind damit möglicherweise noch nicht vertraut.

Irena Pavlovic: Sicher! Friedensjournalismus ist ein vergleichsweise neues Forschungsfeld, das in den 1990er Jahren entstanden ist. Es reagierte auf problematische Muster in der westlichen Berichterstattung, insbesondere während der postjugoslawischen Kriege und dem Irakkrieg. Dort wurde Kriegspropaganda identifiziert, die auf drei Aspekten basierte.

Erstens, die Darstellung von Verhandlungen mit der anderen Konfliktpartei als unmöglich. Zweitens: Dämonisierung anderer Konfliktparteien durch Hitler-Vergleiche. Und drittens, die Konzentration auf Kriegsverbrechen der anderen Seite und sogar die Erfindung solcher Ereignisse, um emotionale Reaktionen in der Öffentlichkeit hervorzurufen.

Und wie hat man darauf reagiert?

Als Reaktion darauf hat der norwegische Konfliktforscher Johan Galtung den Friedensjournalismus entwickelt. Er kombinierte Konflikttheorien und Nachrichtenwerttheorien, um zu erklären, wie die gängige Art der Berichterstattung überhaupt entsteht. Er entwickelte Modelle des Konfliktjournalismus, die zwei Wege zur Berichterstattung aufzeigen: den "high road"-Ansatz, der Multiperspektivität und Lösungsorientierung betont, und den "low road"-Ansatz, der Konflikte als Nullsummenspiel betrachtet und Gewalt als einzigen Ausweg sieht.

Er betonte auch die Wichtigkeit der Wahrheitsorientierung, der Ausrichtung auf Menschen und der Suche nach Lösungen sowie des Befürwortens von Frieden, was Einfühlungsvermögen und Gewaltfreiheit einschließt.

Aber trotz der Entwicklung des Friedensjournalismus scheint er noch nicht so weit verbreitet zu sein. Es gibt immer noch Berichterstattung, die auf die problematischen Muster zurückfällt, die Sie erwähnt haben, oder?

Ja, das ist richtig. Die Diskussionen über Kriegsberichterstattung sind zyklisch und wiederholen sich: Zunächst gibt es die Berichterstattung über den Krieg, dann folgt die Medienkritik, und danach versandet oft die Diskussion, sobald der konkrete Krieg vorbei ist.

Doch wenn ein neuer Konflikt auftritt, wird wieder dasselbe eskalierte Kommunikationsschema verwendet. Das ist natürlich frustrierend.

Woran liegt es, dass wir da bisher nicht weiterkommen?

Krieg wird oft als das ultimative Medienereignis betrachtet, da darüber intensiv berichtet wird. Das Interesse daran ist sehr hoch, und je größer die Betroffenheit, desto stärker ist die Berichterstattung. Aber aus meiner Sicht ist der Krieg ein komplexes und risikoreiches Thema.

Es gibt nichts Langweiligeres als Kriege, denn wenn man die Konfliktlage seit der Zeit Jesu betrachtet, wiederholt sich oft dasselbe Argumentationsmuster.

Erstens gibt es diejenigen, die für den Kampf sind, die Krieg befürworten. Zweitens gibt es diejenigen, die den Krieg ablehnen, die Pazifisten, die sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen, eine Mittelposition einnehmen und versuchen, sich anzupassen. Doch diese Positionen bleiben oft unverändert.

Eine vierte Position ist die der Gewaltlosigkeit, wie sie von Jesus vertreten wurde. Diese Position wird in der Regel von sehr wenigen Menschen eingenommen. Es geht dabei nicht einfach darum, Gewalt passiv hinzunehmen und pazifistisch zu sein, sondern darum, Konflikte auf konstruktive Weise zu lösen. Man sucht nach Verhandlungsmöglichkeiten, Kompromissen und anderen Lösungsansätzen. Leider wird diese Herangehensweise oft vernachlässigt und findet nur wenig Beachtung.

Es ist also eine große Herausforderung, das Thema Krieg journalistisch angemessen zu behandeln, da es so viele unterschiedliche Standpunkte und Interessen gibt.

Ich muss da an den Film "Oppenheimer" denken, der unter anderem die Frage aufwirft, ob es im Kampf gegen den Faschismus gerechtfertigt sein kann, eine Million Menschen mit einer Bombe zu töten.

Ja, das ist ein anderes Thema in der Gewaltforschung und der Diskussion über sogenannte gerechte Kriege. Der Krieg gegen Nazi-Deutschland wurde oft als gerechter Krieg betrachtet, aber wenn man die Mittel betrachtet, die eingesetzt wurden, wie zum Beispiel die Bombardierung bestimmter Städte, stellt man fest, dass auch dieser Krieg theoretisch nicht als gerecht angesehen werden kann.

Oft wird Gewalt als das ultimative Mittel angenommen, um Menschen von Gewaltlosigkeit oder anderen Lösungsansätzen abzubringen.

Wenn eine Stadt belagert und systematisch zerbombt wird, ist es schwer vorstellbar, wie man in solchen Extremsituationen gewaltlos handeln könnte. Wie geht der Friedensjournalismus damit um?

Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie da ansprechen. Friedensjournalismus ist während eines laufenden Konflikts tatsächlich schwer umsetzbar. Es gibt Meinungen, die sagen, man könnte zumindest ein wenig während des Konflikts für den Frieden intervenieren.

Aber im Allgemeinen liegt der Schwerpunkt des Friedensjournalismus eher auf der Zeit nach dem Konflikt oder als präventive Maßnahmen vor dem Ausbruch eines Konflikts.

Während eines aktiven Konflikts, wenn die Eskalationsstufe hoch ist, gestaltet sich die Situation natürlich äußerst schwierig, auch aus menschlicher Sicht.

Könnte Friedensjournalismus dazu beitragen, dass wir uns aus der jahrhundertealten Logik des Krieges lösen?

Ja, Friedensjournalismus könnte dazu beitragen, dass wir uns von gewaltsamen Konfliktlösungen entfernen. Es geht darum, dass Journalisten eine konstruktive Berichterstattung fördern, die sich auf Lösungen und Multiperspektivität konzentriert.

Dies kann helfen, das Schwarz-Weiß-Denken und die Eskalation von Konflikten zu vermeiden. Aber natürlich kann Friedensjournalismus allein nicht alle Probleme lösen. Es bedarf einer breiten gesellschaftlichen Beteiligung, um Konflikte friedlich zu bewältigen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Friedensjournalismus?

Mein Eindruck ist, dass es um den Friedensjournalismus sehr ruhig geworden ist, es wird nicht mehr so stark thematisiert. Es gibt natürlich immer noch Menschen, die sich damit beschäftigen, aber es sind eher wenige. Und diese sind erstaunlich still.

Woran könnte das liegen? Haben Sie eine Vermutung?

Nun ja, es ist problematisch, dass man oft als Putin-Befürworter abgestempelt wird, wenn man diese lange Theorietradition des Friedensjournalismus anspricht. Das schränkt die Diskussion ein, finde ich. Es gibt bestimmte Personen, die sich schon seit Jahrzehnten theoretisch damit beschäftigen, und es wäre schade, all das jetzt über Bord zu werfen, vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Aspekte sich in der Kriegsberichterstattung wiederholen.

Es gibt diese Vorstellung von Gut und Böse im Journalismus, die die Realität oft nicht angemessen widerspiegelt. Es ist nicht so einfach, wie es manchmal dargestellt wird, besonders wenn man die Eskalationsstufen in der Kommunikation betrachtet.

Im Moment befinden wir uns auf der höchsten Eskalationsstufe, und es stellt sich die Frage, wer letztendlich gewinnt. Es besteht immer noch Hoffnung, dass eine Seite gewinnt, aber es gibt keine wirkliche Ausgewogenheit, die in der Konflikttheorie berücksichtigt werden müsste. Es sollte nicht nur darum gehen, eine Seite zu unterstützen.

Es gibt auch andere Kriege, bei denen dieses Modell angewendet wird, aber es führt oft dazu, dass keine Seite wirklich gewinnt oder zufrieden ist. Es ist wichtig, dies zu berücksichtigen und nachhaltigere Lösungen anzustreben.

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