Herr Ost, als Sohn des Dekans von Markt Einersheim das Sonntagsblatt austragen – war das quasi eine Pflicht, oder hat es dafür auch ein paar Euro gegeben?

Max-Jacob Ost: Das wurde schon bezahlt, sonst hätte ich das auch nicht zwischen 12 und 17 gemacht. Ich habe damals schon gemerkt, dass es teils erstaunliche Parallelen zwischen Fußball und Religion gibt.

Wie hat sich das in Ihrer Kindheit ausgeprägt?

Max-Jacob Ost: Wir sind vier Brüder, alles unterschiedliche Typen, aber alle fußballbegeistert. Meine Eltern hat das aber nie interessiert damals. Allerdings wurde zuhause viel kommentiert und diskutiert. Wenn wir zusammen die „Tagesschau“ gesehen haben, verbesserten meine Eltern als erstes immer die grammatikalischen Fehler der Sprecherinnen und Sprecher, gaben aber zu dem Gehörten auch immer eine eigene Einschätzung ab und besprachen das mit uns. Diese Haltung hat mich früh total geprägt, so gucke ich auch Fußballspiele.

Wie wird man Fußball-Podcaster?

Max-Jacob Ost: Ich wollte Journalist werden und habe meine ersten Artikel schon als Freier für Main Post oder Nürnberger Zeitung geschrieben und habe Germanistik, Betriebswissenschaften und Politik studiert. Während eines Praxissemesters war ich dann beim Bayerischen Rundfunk, dem ZDF und zuletzt beim Fußballmagazin „11 Freunde“. Da hat es dann bei mir geklickt, weil mich schon mein Leben lang für Sport interessiere. Nach einer Weile als freier Sportjournalist haben dann mein Freund Frank Helmschrott und ich quasi nebenbei ein Podcast-Format entwickelt. Uns ging es auf die Nerven, wie in ähnlichen Sendungen doch immer so oberflächlich über den Sport gesprochen wurde. Immer ging es um die Bayern oder die Dortmunder. Wir wollten etwas anderes bieten, ans Geldverdienen hat damals noch keiner gedacht.

Den „Rasenfunk“ gibt es jetzt seit 2014, bis zu 40.000 Personen laden sich die etwa drei neuen Folgen pro Woche regelmäßig herunter. Wie kam es dann doch zur Monetarisierung?

Max-Jacob Ost: Irgendwann wurde die Produktion immer zeitaufwändiger. 2016 kam dann ein Angebot, zur Europameisterschaft Werbung zu schalten und dafür Geld zu nehmen. Das hatte sich für mich aber nicht richtig angefühlt. Wir haben uns daher für ein Crowdfunding-System entschieden. Heißt, die Leute zahlen, was sie für richtig halten. 2018 kam dann erstmals monatlich so viel dabei herum, dass ich meine Miete zahlen konnte. Seit 2019 mache ich den „Rasenfunk“ nun mit Frank zusammen hauptberuflich. Er ist mehr für die Technik und auch die Homepage zuständig, ich moderiere in der Regel. Entscheidungen treffen wir aber immer zu zweit.

Wie würden Sie Ihren „Ethos“ beschreiben, nach dem sich Ihre Arbeit „richtig“ anfühlen muss?

Max-Jacob Ost: Ich arbeite sehr wertebasiert, nicht, weil ich nach außen hin mit weißer Weste da stehen möchte, sondern weil ich hinter meiner Arbeit immer stehen will. Würde ich jetzt beispielsweise 100.000 Euro von einem Sportwettenanbieter annehmen, der eine Sendung sponsern will, würden mir zahlreiche Hörerinnen und Hörer vielleicht zusprechen, dieses Angebot anzunehmen. Ich könnte das aber nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Sportwetten sind gefährlich, können Spielsucht vorantreiben. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon viele Sachen gemacht, beispielsweise im Marketing, die ich heute nicht mehr machen würde, weil sie mich verfolgen. Diese Haltung hat sicherlich auch etwas mit meiner Erziehung in einem christlich geprägten Haus zu tun.

Gerade der Profi-Sport gilt aber doch als Umfeld, in dem es sehr schwer ist, sich nicht kaufen zu lassen. Wie schaffen Sie das?

Max-Jacob Ost: Am Ende ist man immer Teil dieser Maschinerie. Auch ich verdiene letztlich mein Geld damit, über genau diesen Fußball zu sprechen, in dem so viel Geld im Spiel ist. Man kann aber nicht schwimmen, ohne nass zu werden, oder auf mein Metier herunter gebrochen: Man kann nicht den Kommerz im Fußball kritisieren, ohne selbst Teil des Spiels zu sein. Aber: Es ist einfach wichtig, nicht aus dem Blick zu verlieren, dass Fußball einfach ein saugutes Spiel ist, rund um das auch tolle Dinge passieren. So schaue ich einerseits auf das Sportliche, nenne aber auch die Rahmenumstände. Zum Beispiel, dass Menschen ausgebeutet werden, die irgendwo auf der Welt günstig Trikots herstellen. In diesem Spannungsfeld versuche ich, meinen Weg zu finden.

Fußball ist medial überpräsent, sagen Sie selbst. Wieso braucht es dann noch den „Rasenfunk“?

Max-Jacob Ost: Ich denke, dass es da draußen viele Leute gibt, die den Wirtschaftsbetrieb Fußball kritisch sehen und mehr über die Hintergründe wissen wollen, dabei aber den Sport einfach lieben. So geht’s mir ja auch. Und daher kriegt diese „kritische Masse“, die eben beide Seiten der Medaille sehen wollen, bei mir genau das Richtige.

Als Fußball-Fan hat man meistens ja auch eine oder mehrere Lieblingsmannschaften, über die objektiv zu berichten dann wohl schwierig wird. Wie kriegen Sie diesen Spagat hin?

Max-Jacob Ost: Ich habe gleich am Anfang immer offen gesagt, dass ich als Bayern-München-Fan aufgewachsen bin. Wer aber einigermaßen bei Verstand ist, kann kein uneingeschränkter Fan dieser Mannschaft sein, wenn er das ganze Theater um den Verein herum bewertet. Je mehr man weiß, desto mehr brechen Illusionen in sich zusammen. Meine Hörerschaft weiß das und kann aufgrund meiner Transparenz dann selbst entscheiden, wie sie meine Sendungen bewertet.

2020 erschien Ihre Podcast-Reihe „11 Leben – Die Welt von Uli Hoeneß, in der Sie sich mit der Biografie des Bayern-Managers auseinandersetzen und bei ihm angeeckt sind. Waren Sie erschrocken darüber?

Max-Jacob Ost: Man muss eigentlich nur etwas Negatives über den FC Bayern sagen und etwas Reichweite besitzen, um bei Hoeneß anzuecken. Ich habe vier Jahre lang über sein Leben recherchiert und ihn mit Interviewanfragen genervt. Ihm hat das nicht gepasst, mir wurde mit dem Anwalt gedroht, und dann haben wir uns zufällig im Supermarkt an der Kühltheke getroffen. Wir haben aber keinen Kontakt zueinander.

Nicht zuletzt ist aus dem Hoeneß-Podcast heraus dann aber Ihr erstes Buch quasi als „Substrat“ entstanden. Wieso wechseln Sie nun vom Mikro zur Feder?

Max-Jacob Ost: Der Hoeneß-Podcast war ein riesiger Erfolg, noch heute werde ich regelmäßig darauf angesprochen, Millionen Leute haben ihn gehört. Die 30 Stunden, in denen ich quasi anhand der Biografie Hoeneß´ auch die Geschichte des deutschen Fußballs Revue passieren lasse, ziehen aber auch schnell an einem vorbei. In schriftlicher Form kann man dann Dinge doch noch einmal einfacher nachschlagen und sich vergegenwärtigen. Es hat dann aber auch nicht lange gedauert, und mein Verlag ist auf das Buchprojekt aufmerksam geworden und hat mich darin bestärkt, weiter zu machen.

Und jetzt geht’s auch noch auf Lese-Reise vor Publikum. Wie kam es dazu?

Max-Jacob Ost: Ich habe das Lesen vor Menschen erst einmal ausprobiert und gemerkt, dass ich mich in diese Rolle gut einfinden kann. Glücklicherweise kann ich frei sprechen und weiß auch, dass die Leute, die in meine Lesungen kommen, sich ja für das Thema interessieren. So sind das dann mehr oder weniger bunte Vorträge, in denen ich etwas zum Podcast oder über Uli Hoeneß erzähle und natürlich ein paar Stellen vorlese. Der spannendste Teil ist aber dann der interaktive, wenn die Leute Fragen stellen können. Das werden dann unglaublich nette Abende mit netten Menschen und guten Unterhaltungen.

Kann es so bis zur Rente weitergehen, oder haben Sie noch andere Ziele in Ihrem Beruf?

Max-Jacob Ost: Ehrlich gesagt hadere ich oft mit dem, was ich tue, weil meine Unterhaltungskunst streng genommen niemandem dient, also keinen Beitrag zur Gesellschaft bringt. Vielleicht bin ich in zehn Jahren in einer NGO und habe nur am Rande noch etwas mit Fußball zu tun. Wenn ich heute mit dem aufhören würde, was ich tue, wären vielleicht manche Leute traurig, aber eigentlich würde es nicht wirklich fehlen auf der Welt.

Da hätte ich einen Vorschlag: Es gibt immer wieder Spätberufene, die auch mit 38 noch ein Theologiestudium beginnen und in den Pfarrberuf wechseln, um etwas Sinnvolles zu tun. Wäre das eine Option?

Max-Jacob Ost: Nein, das wird in diesem Leben wohl nicht mehr geschehen. Ich habe sowohl die Religion als auch die Kirche von so viele Seiten, leider auch negativen kennen gelernt, dass ich für diesen Beruf wohl nicht mehr zu gebrauchen bin. Das Führen und Leiten einer Organisation aus einer christlichen Haltung heraus ist schwieriger, als man denkt. Immerhin: Die Kirche ist nicht so schlimm wie der FC Bayern.

Aber Sie stehen dennoch zur Kirche?

Max-Jacob Ost: Ja, und bin auch nach wie vor Mitglied. Wenn es die Kirchen nicht mehr gäbe, würden viele Stützpfeiler unserer Gesellschaft wegbrechen, weil diese sonst von keinem gestellt werden.

Am 2. November liest der Münchner auf dem Gut Wöllried bei Würzburg anlässlich des Literaturfestivals „Mainlit“ aus seinem Buch über Uli Hoeneß, das Geld und den deutschen Fußball.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden