Zu Tausenden gehen derzeit besorgte Bürger auf die Straßen, jeden Sonntag, in ganz Europa, auch in Nürnberg und München.

Aber hier wehen nicht die Fahnen eines rückwärtsgewandten Nationalismus wie montags bei den diversen Pegida-Ablegern. Diese besorgten Bürger sind nicht alt, sondern jung. Sie demonstrieren nicht gegen etwas, sondern für etwas. Ihre Flagge ist azurblau mit einem Kreis von zwölf goldenen Sternen.

"Pulse of Europe" – Puls Europas nennt sich die Bürgerinitiative, die im vergangenen November vom Frankfurter Ehepaar Sabine und Daniel Röder ins Leben gerufen wurde. Unter dem Eindruck des Brexit-Schocks und der Trump-Wahl, mit den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich vor der Tür.

Mit 200 Freunden und Bekannten fing es an. Inzwischen gehen 30.000 Menschen in 60 Städten von Lissabon bis Stockholm für "Pulse of Europe" auf die Straße. Sie alle wollen der Europa-Skepsis vieler Bürger und der EU-Feindschaft bei Rechten und Linken etwas Sichtbares entgegensetzen.

"Pulse of Europe"-Gründer Daniel Röder ist Anwalt, der für eine internationale Wirtschaftskanzlei arbeitet. Demonstrieren hier also gut situierte "Europa-Gewinner" für ein Projekt, das sich in teils absurden Richtlinien und Kleinklein verzettelt und den Kontakt zu den eigentlichen Problemen auf diesem Kontinent längst verloren hat? Für eine EU, die keine überzeugenden Antworten auf die großen Zukunftsfragen hat?

Eine Zukunft in Frieden und ohne rückwärtsgewandten Nationalismus

Zur Unterzeichnung der Römischen Verträge vor 60 Jahren – man könnte sagen: zur Geburt der EU – ließ Roms Bürgermeister alle Glocken der Stadt läuten. Europa war ein Versprechen, das viele Menschen begeisterte, ja euphorisierte: das Versprechen einer Zukunft in Frieden und frei von gestrigem Nationalismus. Es waren die Bürger Europas, die symbolisch die Grenzbäume niederrissen.

Er sehe "Pulse of Europe" als "Reanimationsmaschine des europäischen Geists, bis die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich gelaufen sind", sagt Röder. Gut, aber damit darf es nicht enden. Was es braucht, ist tatsächlich eine neue Begeisterung für Europa – aber für ein Europa der Solidarität, das diesen Geist zur Not auch gegen die EU und mutlose Politiker in ihren Mitgliedsstaaten verteidigt. Flucht und Migration oder Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa sind hier nur zwei Stichworte.

Christen in Bayerns Metropolen sollten sich überlegen, ob sie nach dem nächsten Sonntagskirchgang vielleicht einen Abstecher machen – zum Platz vor der Oper (München) oder vor der Lorenzkirche (Nürnberg).

 

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