Maria Biedrawa ist Sozialpädagogin und ausgebildete Friedensfachkraft. Für diesen Freiwilligendienst verbringt die gebürtige Österreicherin, die in Paris ein Fortbildungsinstitut für Sozialarbeit leitet, seit 2003 jedes Jahr zwei bis drei Monate in Afrika. Sie gestaltet interreligiöse Friedensarbeit in Krisenregionen wie der Zentralafrikanischen Republik oder im Südsudan. Biedrawa ist Vorstandsmitglied der europäischen Aktionsgemeinschaft Church and Peace. In diesem Jahr ist sie als Referentin zu Gast bei der Münchner Friedenskonferenz, die vom 15. bis 17. Februar stattfindet.

 

Frau Biedrawa, was gehört in den methodischen "Werkzeugkoffer" einer Friedensfachkraft?

Maria Biedrawa: Meine Einsätze gehen grundsätzlich auf Einladung einer engagierten Gruppe vor Ort zurück. Das ist ein erstes methodisches Prinzip. Das zweite ist, dass Menschen vor Methoden kommen. Wenn es den Supertrick gäbe, mit dem tiefe Konflikte vom Tisch gewischt werden können, hätte sich das ja herumgesprochen. Ich habe im Laufe der Jahre die Überzeugung gewonnen, dass Konflikte von Menschen gemacht werden und auch von Menschen bearbeitet werden müssen.

Was heißt das?

Maria Biedrawa: In vielen Fällen geht es zuerst gar nicht darum, den Konflikt zu lösen – also Frieden zu schaffen – sondern darum, den Konflikt zu überleben, körperlich, psychisch und seelisch. Nur Menschen, die aufrecht gehen, können auch eine Gesellschaft aufrichten. Deshalb konzentriere ich mich darauf, Friedensgruppen zu stärken. Das geschieht durch die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, das Schritt-für-Schritt-Ausheilen von oder Weiterleben-Lernen mit Traumata, die Vertiefung von Vertrauen in sich selbst, das Leben und andere Menschen. Friedensarbeit ist kreative Arbeit: neuschaffen was zerbrochen ist, und zwar mit neuen Paradigmen.

Ihr Vortrag auf der Friedenskonferenz lautet: "Gewaltfrei handeln in bewaffneten Konflikten". Wie können Menschen in einem Bürgerkrieg das umsetzen, ohne dass sie dadurch zu Schaden kommen?

Maria Biedrawa: Die meisten Länder, in denen Konflikte mit Waffen ausgetragen werden, sind keine Rechtsstaaten. Wir müssen also nüchtern sein. In bewaffneten Konflikten, sei es in Afrika oder anderswo, ist der Schaden schon da, Tag und Nacht, und im Übergewicht zu dem, was wir "normales Leben" nennen. Trotzdem gibt es Menschen, die sagen: Ich lebe sowieso mit dem Risiko. Alles was ich tun kann, ist wählen, welches Risiko ich eingehe: Mich im Namen des Krieges töten lassen – oder im Namen des Glaubens an den Frieden das Friedenstiften riskieren. Ich frage diese Menschen oft: "Warum riskierst Du das?" Die Antwort, vom Kongo bis Bosnien, lautet: "Um meine eigene Würde zu retten. Ich will in den Spiegel schauen können, ohne mich zu schämen. Und ich will meinen Kindern einmal sagen können, dass ich es wenigstens versucht habe."

Wie geht es solchen Menschen in ihren Ländern?

Maria Biedrawa: Wir ahnen nicht, wie viele Feinde Friedenstifter haben und wie verfolgt sie sind. Aber stellen Sie sich vor was aus Südafrika ohne Nelsons Mandela geworden wäre, der die Todesstrafe riskiert hat, die dann in 28 Jahre Gefängnis umgewandelt worden ist. Friedensarbeit ist auch, sich für diese angefeindeten Friedenstifter einzusetzen. Sie bereiten den Zeitpunkt vor, wo das Versagen der Gewalt eindeutig wird und Friede als der Weg in die Zukunft offensichtlich – wie eine Hoffnung, die ansteckend wirkt.

Seit es den Menschen gibt, gibt es auch Streit und Krieg. Ist Frieden überhaupt ein realistisches Ziel?

Maria Biedrawa: Dazu nur einen Satz von Mahatma Gandhi: Der Friede ist nicht das Ziel, er ist der Weg. Und ein zweiter Satz von mir: Der Weg entsteht unter den Füssen beim Gehen und nicht, indem ich mich damit begnüge, die Landkarte zu betrachten oder gute Schuhe kaufe, die ich dann in den Schrank stelle. Wagen wir also den Schritt, der uns hier und heute möglich ist. Und morgen wieder einen. Und übermorgen wieder einen. "Der Friede fängt ins uns an, hört aber nicht in uns auf", sagt Martin Buber. Friede treibt uns, über uns selbst hinauszugehen und hinauszuwachsen.

Es gibt an deutschen Schulen schon Streitschlichter-Programme – würden Sie sich "Frieden" als Unterrichtsfach wünschen?

Maria Biedrawa: Das würde ich mir in ganz Europa wünschen! Aber nur, wenn das Vokabular ehrlich ist und es um wirkliche Friedenserziehung geht und nicht nur um eine "Sensibilisierung zu Sicherheitsfragen". Das Wichtigste wäre wohl, jungen Menschen ganz praktische, lebensnahe Fertigkeiten zu vermitteln: Wie geht gewaltfreie Kommunikation? Wie gehe ich mit eigenen Gefühlen und Gefühlsausbrüchen um - und mit denen von anderen? Was bedeutet Zivilcourage? Wie gehe ich allgemein mit "Andersartigkeit" um? Wie nehme ich Stellung zu verschiedenen Werten Stellung? Und wie bilde ich mein Gewissen?

Münchner Friedenskonferenz

Die Münchner Friedenskonferenz beginnt am Freitag, 15.2., um 19 Uhr im Alten Rathaus. Neben dem ehemaligen Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sprechen die Journalistin Karin Leukerfeld über Syrien und Erhard Crome vom Welttrend-Institut in Potsdam über die EU, USA und Russland. Der Eintritt zu diesem Abend kostet 10 Euro.

Am Samstag, 16.2., legt die Friedenskonferenz einen Schwerpunkt auf Afrika. Nach dem Gesprächsforum von 10 bis 12 Uhr schildern am Abend Referentinnen, darunter Maria Biedrawa ihre Sicht auf den afrikanischen Kontinent. Zeit: 19 bis 21 Uhr, Ort: DGB-Haus, Schwanthalerstr. 64.

Das Friedensgebet am Sonntag, 17.2., findet im Pfarrsaal von St. Anna, St. Anna Straße 19, statt.