Der Star der vorletzten "Revista", der zweimal jährlich erscheinenden Stiftungszeitung, ist Soliette. Die junge Frau aus Nicaragua hat vor kurzem ihr Medizinstudium abgeschlossen und arbeitet künftig als Ärztin für ein medizinisches Programm der Synode von South Dakota/USA im notleidenden Nordwesten von Nicaragua – ihr Einkommen ist gesichert. Aber auch Roxana und Laura können ihre Familien künftig ernähren: als ausgebildete Kosmetikerin und als Inhaberin einer Tanzschule.
"Es gab heftige Diskussionen darüber, ob die Stiftung auch solche Ausbildungen fördern soll", erinnert sich Wolfgang Döbrich – zu unqualifiziert oder unnütz erschien manchem die Tätigkeit. Er selbst weiß jedoch, dass Äußerlichkeiten aus gutem Grund einen so hohen Stellenwert haben. Dahinter stehe das Bedürfnis der Menschen, dass man ihre bittere Armut nicht auch noch sieht.
Ob Kosmetikerin oder Ingenieur: jeder Abschluss ist gut
"Die jungen Frauen kommen aus der letzten Hütte, aber sie sehen picobello aus", hat er auf seinen Reisen durch die zentralamerikanischen Länder immer wieder erlebt. Entsprechend gefragt sind professionelle Maniküre und Make-up – und damit auch entsprechende Studios. "Am Ende zählt, ob die Frauen damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können, und das ist der Fall", sagt Ehefrau Annette.
102 junge Leute hat die Stiftung des Ehepaars bereits auf dem Weg zum Schul- oder Berufsabschluss unterstützt, vom Abiturienten bis zum Elektroingenieur ist alles dabei. "In Zentralamerika ist nur die Grundschule kostenlos", erklärt Wolfgang Döbrich, der gerade seinen 75. Geburtstag gefeiert hat.
In El Salvador beispielsweise kann die weiterführende Schule bis zu 40 Dollar pro Monat kosten – ganz zu schweigen von den Universitäten, an denen nicht nur der Unterricht, sondern oft auch jede Prüfung und jedes Zeugnis mit saftigen Gebühren belegt sind. Die wenigsten Familien können sich das leisten – und so endet Generation um Generation als Hilfsarbeiter, Tagelöhner, Straßenhändler.
Diese Perspektivlosigkeit treibt viele ins "gelobte Land", das im Fall von Mittelamerika nicht Deutschland, sondern eben Amerika heißt. Rund 740.000 Salvadorianer leben bereits ohne Papiere in den USA und 380.000 Honduraner. Derzeit hängen rund 2500 Zentralamerikaner in Nord-Mexiko am Grenzzaun zu den Vereinigten Staaten fest, den deren Präsident mit immer mehr Militärpräsenz festigen will.
Abschottung statt Fluchtursachenbekämpfung: Es ist ein Muster, an dem auch in Europa gestrickt wird. Den zentralamerikanischen Staaten, die ihre Geflüchteten nicht zurücknehmen, droht Haupthandelspartner Amerika mit Wirtschaftssanktionen. Die Rückkehrer jedoch geraten meist auf die schiefe Bahn und verschärfen den Teufelskreis von Armut und Gewalt. El Salvador ist, fast 30 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs, immer noch das Land mit einer der weltweit höchsten Mordraten.
Kinder in Zentralamerika wünschen sich Bildung
Mit der Situation in den kleinen zentralamerikanischen Staaten ist Wolfgang Döbrich vertraut. Zehn Jahre lang reiste er als Lateinamerika-Beauftragter der bayerischen Landeskirche durch Mittelamerika und Brasilien. "Wenn ich Kinder gefragt habe, was sie sich wünschen, kam immer die gleiche Antwort: Ich möchte zur Schule gehen", erinnert er sich. Denn nahen Ruhestand vor Augen beschloss das Ehepaar Döbrich, eine Stiftung ins Leben zu rufen, die diesen Wunsch erfüllen hilft.
Das Thema "Stiften" ist in aller Munde - kein Wunder angesichts der Millionenbeträge, die in den nächsten Jahren vererbt werden. Viele gemeinnützige Organisationen haben das Potenzial erkannt: Seit sechs Jahren stellt der "Münchner Stiftungsfrühling" Stiftungen aller Art vor, Portale wie "Das Prinzip Apfelbaum" werben um Mittel für den guten Zweck. Dass man aber auch ohne große Erbschaft eine erfolgreiche Stiftung gründen kann, zeigt die Döbrich-Stiftung. "Wir haben mit 2000 Euro Eigenkapital begonnen", sagt Annette Döbrich. Größere Zustiftungen habe es nie gegeben, doch ein stabiler Unterstützerkreis von rund 300 Personen bringe die Stiftung mittlerweile jedes Jahr um etwa 30.000 Euro voran.
Nach vier Jahren unter dem Dach der Lieselotte und Rosina-Heinrich-Stiftung, die brasilianische Straßenkinder unterstützt, wurde die Initiative der Döbrichs im Jahr 2008 mit dem nötigen Grundstock von 51.000 Euro selbstständig. Wiederum zehn Jahre später beträgt das Stiftungskapital nun schon 380.000 Euro, zusätzlich kamen 120.000 Euro Direktspenden aufs Konto.
Partnerschaft: Kirchen vor Ort wählen Stipendiaten aus
Davon und von den – wegen der Niedrigzinsen zu Döbrichs Leidwesen nur mageren – Zinserträgen finanziert die Stiftung ihre Stipendien. Eine zentrale Rolle kommt den Partnerkirchen der CILCA, der Comunión de Iglesias Luteranas de Centro América, zu: Sie wählen die Kandidaten aus und legen die Höhe des Stipendiums fest. Für Nicaragua und Costa Rica sind das monatlich 50 US-Dollar, für El Salvador 75 und für Honduras 100, weil dort die Lebenshaltungskosten am höchsten sind.
"Das sind keine vollwertigen Stipendien", weiß Wolfgang Döbrich, "aber es sind Anschubfinanzierungen für Bücher oder die teuren Bustickets." Jedem Stipendiaten garantiert die Stiftung ihre Unterstützung bis zum nächsten Bildungsabschluss. "Diese feste monatliche Zuwendung ermutigt Familien, den Rest mit vereinten Kräften selbst zu stemmen", sagt Döbrich.
Auch wenn sich die Stiftung nicht in die Auswahl der Kandidaten einmischt, achten Vorstand und Beirat doch darauf, dass bestimmte Kriterien erfüllt sind. Dazu gehören Ausbildungswille und –fähigkeit, Bedürftigkeit und soziales Engagement. Auch ein Mindestmaß an Unterstützung der Familie ist nötig: "Die Kinder und Jugendlichen müssen eine Möglichkeit haben, daheim zu lernen", sagt Annette Döbrich. Die CILCA-Kirchen seien, mangels eines stabilen Mittelstands in den Ländern, alles Armenkirchen. In den meisten Lebensläufen der Stipendiaten steht: Mutter Hausfrau, Vater Gelegenheitsarbeiter.
"Natürlich sind wir enttäuscht, wenn jemand abbricht"
Sie erinnert sich an zwei Brüder aus einer Großfamilie, die in einem Slum von San Salvador lebt. "Die Hütte hatte nur zwei Räume, in denen sich abends jeder seinen Schlafplatz suchte", berichtet Wolfgang Döbrich. Der mittlerweile verstorbene Diakon Helmut Köhler empfahl zwei Söhne für die Stiftung und holte sie zum Lernen in die lutherische Einrichtung "Casa la Esperanza". David, der jüngere, macht demnächst sein Abitur. "Der ältere Bruder hat sich leider einer Gang angeschlossen", sagt Annette Döbrich mit Bedauern.
Auch das kommt immer wieder vor: dass Stipendiaten ihre Ausbildung abbrechen – weil ein Familienmitglied krank wird, weil ein Kind kommt, weil sie in die USA auswandern, weil sie der Verlockung nach dem schnellen Geld der Straßenbanden nicht widerstehen. Von den 102 Schützlingen der Stiftung sind 26 abgesprungen. 32 haben die Ausbildung mit Abitur, Berufslehre oder Universitätsabschluss beendet, die restlichen 44 sind noch dabei und wurden 2018 mit 28.000 Euro unterstützt. "Natürlich sind wir enttäuscht, wenn jemand abbricht – aber so ist der Lauf der Dinge, das passiert auch in Deutschland", sagt Annette Döbrich. Am Sinn der Stiftungsarbeit zweifelt sie nicht: "Es gibt keine Alternative dazu."
Unschätzbar für den Erfolg der Stiftung sind Wolfgang Döbrichs gute Kontakte aus seiner Tätigkeit als Lateinamerika-Referent und viele gewachsene Beziehungen zu ehemaligen Studenten, Konfirmanden oder Traupaaren. Ohne Klinkenputzen und Mitgliederpflege geht es dennoch nicht: Zweimal im Jahr laden die Döbrichs an den Starnberger See zu Gründungs- und Sommerfest, zweimal im Jahr erscheint die professionell gemachte Minizeitung "Revista informativa". Die Kontaktpflege zu jungen Freiwilligen und den Kirchen der CILCA sowie zu Unterstützern und ehrenamtlichen Helfern läuft im Hintergrund das ganze Jahr.
"Die Stiftung bestimmt uns", sagt Annette Döbrich mit einem leisen Seufzen. Für einen Nachfolger würde sie "den roten Teppich ausrollen und die Blasmusik bestellen". Ihr Mann zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit und sieht die Sache pragmatisch. Wenn sein Sohn Simon, derzeit EKD-Auslandspfarrer in Madrid und verheiratet mit einer Nicaraguanerin, dereinst den Staffelstab nicht übernehme, dann gehe die Stiftung eben "mit einer schönen Schleife rum" ans Lateinamerikareferat von Mission Eine Welt in Neuendettelsau.
"Den Bildungswilligen im Land eine Chance geben"
Anders als manche staatlichen Förderprogramme setzen die Döbrichs darauf, junge Leute in ihrem Heimatland auszubilden und sie nicht dafür nach Deutschland zu holen. "Man muss den Bildungswilligen im Land eine Chance geben, damit sie sich dort als Lehrer, Ärzte, Ingenieure eine Perspektive aufbauen", ist Wolfgang Döbrich überzeugt. Dass wiederum den Flüchtlingen, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, nicht entschlossener zu einer Ausbildung verholfen wurde, findet er "furchtbar". "Das sind die Aktiven, die in ihren Heimatländern arbeiten würden, wenn sie die Chance dazu hätten."
Nur wenn sich die Lebensbedingungen in den armen Ländern der Welt verbesserten, sinke der Migrationsdruck. "Die Menschen leben dort in größter täglicher Unsicherheit, jede Krankheit kann das Ende bedeuten, die Kriminalität ist eine ständige Bedrohung", zählt er auf. Er erinnert sich an eine junge Mutter aus El Salvador, die bei einem Partnerschaftsbesuch in Feldafing beim Anblick eines die Straße entlangradelnden Kindes in Tränen ausbrach. "Dass ein Kind allein auf der Straße unterwegs ist, wäre wegen der erpresserischen Gangs dort undenkbar", sagt Döbrich.
Sicherheit, Auskommen und eine Perspektive für das eigene Leben: Das sind die Ziele, die die Döbrich-Stiftung unbeirrbar verfolgt. Wie lohnend das ist, beschreibt die ehemalige Stipendiatin Laura aus El Salvador, die nach einem abgeschlossenen Studium der Kommunikationswissenschaft jetzt erfolgreich eine eigene Ballettschule betreibt: "Ich verabschiede mich mit großer Dankbarkeit für meine Unterstützung durch die Döbrich-Stiftung und für die wertvolle Arbeit, den Jugendlichen das beste Vermächtnis anzubieten: Die Bildung."
Annette und Wolfgang Döbrich-Stiftung
Die Annette und Wolfgang Döbrich-Stiftung fördert die Ausbildung junger Menschen in Zentralamerika.
Wer Interesse an der zweimal erscheinenden Stiftungszeitschrift »Revista« hat, schickt seine Kontaktdaten an die E-Mail wolfgang@doebrich-stiftung.de
Spenden zum Stiftungsgrundstock oder für laufende Stipendien können per Überweisung oder auch online getätigt werden. Infos: www.doebrich-stiftung.de