Herr Dr. von Hirschhausen, Sie sind Arzt, Wissenschaftsjournalist,  Komiker, Moderator, kurzum, ein echter Allrounder. Wie schwer fällt es Ihnen, bei all den Aufgaben noch immer so frisch zu wirken?

Eckart von Hirschhausen: Das ist das netteste Kompliment, das ich in letzter Zeit bekommen habe! (lacht) In der Tat besteht die Kunst darin für etwas zu brennen, ohne auszubrennen. Und genau wie Definition von Stress sehr individuell ist, ist es auch die Antwort darauf. Ich bin sehr selten gestresst, da ich das, was ich täglich tue, gerne tue. Es heißt nicht umsonst: wenn man sein Hobby zum Beruf macht, muss man auch nie wieder arbeiten.

Ihr Publikum schätzt nicht nur Ihre Qualitäten als Unterhalter, Sie gelten auch als Mann des fundierten Wortes, wenn es um medizinische Themen oder die Klimakrise geht. Wie gehen Sie mit dieser hohen Verantwortung beim Recherchieren um?

Eckart von Hirschhausen: "Endlich!" ist mein vorerst letztes Bühnenprogramm. Und weil meine Liveauftritte über Jahrzehnte mein Ein und Alles waren, gebe ich jetzt die letzten drei Programme als Hörbücher in einem schönen Schuber heraus. Und ich bin schon ein bisschen stolz darauf, dass da nichts drin ist, was ich irgendwie zurücknehmen oder korrigieren müsste. Klar macht die Wissenschaft Fortschritte, aber ich möchte, dass die Menschen einen echten Mehrwert haben, wenn sie zu mir kommen. Ich gebe mein Bestes, in jedem Programm steckt das Herzblut von vielen Jahren Recherche, Rumspinnen, Ausprobieren und Verfeinern. Wenn ich einem Menschen zuhöre, empfinde ich auch eine gewisse Verantwortung, keinen Bullshit zu erzählen. Dafür habe ich auch Faktenchecker in meinem Team. Und aufmerksame Zuschauerinnen und Zuschauer natürlich!

"Naturgesetze sind nicht verhandelbar"

Sie sind auch Mitglied bei "Scientists for future" und Gründer der Stiftung "Gesunde Erde – Gesunde Menschen". Wie ausgewogen und ergebnisoffen ist Ihrer Meinung nach der wissenschaftliche Diskurs über den Klimawandel und die mediale Berichterstattung?

Eckart von Hirschhausen: Als Arzt habe ich eine entscheidende Reihenfolge gelernt: erst die Diagnose stellen, dann über die Therapiemaßnahmen sprechen. Und was ich wirklich vermisst habe die letzten Jahre, sind klare Worte, wie bedrohlich die Situation jetzt schon ist, und erst recht für die nächste Generation. Naturgesetze sind nicht verhandelbar! Das hätte einer Physikerin an der Spitze der Regierung auch klar sein müssen. Es ist verantwortungslos, wie gerade eine historische Chance im Klein-Klein vertan wird. Und ich kann nur jeden Politiker ermutigen, mutiger zu sein und auf die Wissenschaft zu hören. Menschen gewöhnen sich sehr schnell an neue Spielregeln für alle. Als das Rauchen in Kneipen verboten wurde, gab es wahnsinnigen Protest – nach ein paar Wochen war aber klar: das ist eine gute Sache. Wir haben das erste Waldsterben verhindert, nicht indem wir an jeden Einzelnen appelliert haben, sondern durch visionäre Ordnungspolitik. Die braucht es auch jetzt. Wir können noch so viel Kraft auf die Vermeidung von Plastiktüten legen, wenn die Flüge weiterhin in Deutschland billiger sind als Bahnfahrten und Straßen wichtiger sind als Radwege, bekommen wir keine relevante Verhaltensänderung. Wenn wir unsere krankmachenden Konsummuster unterbrechen, geht es nicht um Mangel oder Verzicht, sondern um das einzig sinnvolle und langfristige, um einen Zugewinn an Lebensqualität. Die Idee einer "Planetary Health Diet" verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten guttut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Wir müssen viel mehr betonen, welche Vorteile wir selber haben, wenn wir für den Klimaschutz handeln.

Und wie beim Thema Covid-19?

Eckart von Hirschhausen: Auf dem Buchdeckel meines neuen Buches steht halb scherzhaft: "Drei Krisen für den Preis von zwei". Die großen Themen unserer Zeit hängen tatsächlich sehr viel enger miteinander zusammen als oft wahrgenommen wird. Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise. Und ohne die Zerstörung von Lebensräumen, das Artensterben und den Wildtierhandel hätten wir auch kein Corona. Wir sind viel verletzlicher als wir gedacht haben und müssen Gesundheit global denken. Ein Virus fragt nicht nach einem Visum, um Ländergrenzen zu überspringen. So wenig wie ein C02-Molekül in der Atmosphäre fragt, aus welchem Land es kam. In unserem Körper kommt alles zusammen und verstärkt sich:  Acht Millionen Menschen jedes Jahr sterben an Luftverschmutzung, und eine Lunge, die Dreck einatmen muss, ist auch viel anfälliger für Corona. Naturschutz und Tierschutz ist auch Gesundheitsschutz, wenn wir das aus dem letzten Jahr gelernt haben, war es wenigstens zu etwas gut. Dieser Kerngedanke einer "one health" ist auch der Kerngedanke meiner neu gegründeten Stiftung "Gesunde Erde - Gesunde Menschen".

So vertragen sich Wissenschaft und Glaube

Seit 2016 sind Sie auch Reformationsbotschafter der EKD. Wie vertragen sich wissenschaftlicher Ansatz und Glaube für Sie?

Eckart von Hirschhausen: Besser als man auf den ersten Blick denkt! Der Weltkirchenrat, die Deutsche Bischofskonferenz, der Papst in seiner Enzyklika "Laudato si", der ökumenische Partriarch und auch seit Jahrzehnten in der evangelischen Kirche gibt es eine lange Tradition zur "Bewahrung der Schöpfung".  Es ist das Thema, das Christen weltweit verbindet! Abkehr von einem materialistischen Weltbild braucht eine positive Vision, die attraktiver ist, als das was wir schon kennen. Diese visionäre Kraft im Glauben gilt es wieder frei zu legen und spürbar zu machen. Momentan kommen Veränderungsprozesse psychologisch in die Sackgasse, weil Menschen zuallererst ihren Nachteil, ihren Verlust, ihren "Verzicht" im Fokus haben. Die Diskussion wird von Katastrophendenken auf der einen Seite und der Angst vor einer "Ökodiktatur" auf der anderen bestimmt. Wo wir Christen einen echten Dienst tun können: mehr über die Welt zu reden, in der wir leben wollen, eine positive Vision eines gerechten, solidarischen und friedlichen Miteinanders ins Zentrum zu stellen. Und daraus ergeben sich dann Dinge, die weniger ein "Weg-von" als ein "Hin-zu" bedeuten. Und aus dieser Idee leitet sich auch ein anderer Umgang mit der Schöpfung ab. Aus reinem Gutmenschentum werden die radikalen Umbauten in unserem Wirtschaften nicht gelingen. Wenn die Religion besser als der Markt weiß, was wir brauchen – gelingt es uns dann nicht mit ihrer Hilfe, auch deutlich weniger zu ver-brauchen?

In Ihrem neuen Programm "Endlich" widmen Sie sich der Zeit. Auch eine Form der Auseinandersetzung mit dem eigenen Älterwerden? 

Eckart von Hirschhausen: Natürlich, das bringt das Leben jenseits der 50 mit sich… Der Grundgedanke meines Programms "Endlich!" ist: Wenn das Leben endlich ist, wann fangen wir endlich an zu leben? Um diese Frage zu ergründen ziehe ich alle Register: es gibt Kabarett, Musik und Zauberei, viel zu Lachen, zu Staunen und auch was zum Nachdenken und mit nach Hause nehmen. Auf der Bühne bin ich so frei wie nirgendwo sonst, ich kann jeden Abend improvisieren und ausprobieren – das macht mir Spaß und dieser Funke springt auf das Publikum über. Deswegen ist jeder Abend einzigartig. Für die Zuschauer wie für mich.

 

Eckart von Hirschhausen tritt mit seinem aktuellen Programm "Endlich!" in diesem Herbst drei Mal in Franken auf: Am 27. Oktober in der Freiheitshalle in Hof, am 8. November in der Meistersingerhalle in Nürnberg und am 9. November in der Brose Arena in Bamberg. Karten gibt es unter www.kartenkiosk-bamberg.de.