Nach seinem Vikariat war Christian Frühwald Dorfpfarrer im Dekanatsbezirk Coburg, danach ging er nach Magdeburg, wurde dort Oberkonsistorialrat und arbeitete als Personalchef erst für die Kirchenprovinz Sachsen und dann für die evangelisch-lutherische Kirche in Thüringen. Heute lebt und arbeitet er mit seiner Ehefrau in Michelau, sie als Dekanin und er als Geschäftsführer von inclou. Dort entwickelt der 52-Jährige unter anderem Inklusionsbetriebe.
Vom Pfarrer zum Unternehmer ist nicht der nächste Weg, wie kam es dazu?
Frühwald: 2008 hat mein damaliger Bischof mich beauftragt, eine Schulstiftung zu gründen. Mit den Johannitern habe ich dann die evangelische Johannis-Schulstiftung gegründet. Damit hatte ich zum ersten Mal so was wie unternehmerische Verantwortung für einen größeren Bereich, von Pädagogik, Gebäuden, Personal, Organisation bis hin zu Finanzen.
Ich würde nie sagen, dass ich Unternehmensberater bin. Unternehmensberater sind Menschen, die Ihnen sagen, was Sie sowieso schon wissen, großes Bohei machen und Ihnen am Ende des Tages noch eine große Rechnung stellen, dafür, dass sie keine Verantwortung übernehmen. Ich verstehe mich hingegen als Projektentwickler.
Wenn Sie als Projektentwickler im Laufe des Projekts merken, man muss hier etwas ändern, Menschen vielleicht ihre Arbeit nehmen, sonst kommt man mit dem Unternehmen nicht weiter – wie geht man damit um?
Frühwald: Da ist die Frage: Gefährde ich ganz viele Arbeitsplätze für einen kurzfristigen Gewinn einer einzelnen Person? Das ist eine ethische Abschätzung. Ich hab die Situation auch als Personaldezernent gehabt, als ich feststellen musste, da ist jemand, der hat studiert, jetzt hat er sein Vikariat gemacht, ist Ende 20, Anfang 30, und ich muss ihm sagen, das wird nichts werden. Auch das ist ja ein Zerstören von Lebensträumen und Perspektiven, und da ist für mich immer die Frage: Wie kommuniziere ich mit jemandem?
Und meine Erfahrung ist, klar kommunizieren, das ist der erste Punkt, und der zweite Punkt ist, nach Alternativen zu schauen für denjenigen. Ich lebe nach dem Prinzip: keine Liebe ohne Wahrheit und keine Wahrheit ohne Liebe. Weil Liebe ohne Wahrheit ist heuchlerisch und Wahrheit ohne Liebe unbarmherzig; und ich werde da sicher nicht immer allen gerecht, aber meine Erfahrung hat gezeigt, wenn man offen und klar kommuniziert, dass die Menschen bei allem Frust doch spüren, dass man verantwortungsvoll mit der Situation umgeht.
Kann man eine Kirche mit einem Unternehmen vergleichen?
Frühwald: Also theoretisch kann man das natürlich nicht. Aber ich würde sagen, es gibt eine Vergleichbarkeit bei der Frage, wie man mit Ressourcen umgeht. Ich möchte das auch nicht nur auf Geld begrenzen, sondern für mich sind Räume auch eine Ressource. Die Kirche ist ein Wahnsinnsraum, und der steht zu 90 Prozent der Zeit leer.
Es gibt viel Menschen, die Ideen haben, gebt denen Möglichkeiten – gebt denen Chancen, unterstützt die.
Wichtig ist, sich selbst zu hinterfragen, Konzepte anzupassen, weil unsere Gesellschaft sich sehr schnell ändert. Mir geht es nicht darum, dass ich Kirche ökonomisiere, das halte ich für falsch. Und sparen ist auch kein Ziel, man muss dann schauen, ob gute Leute da sind, und nicht sagen "Jeder kriegt sein Häppchen, egal, was er leistet", das halte ich nicht nur für ökonomisch sinnvoll, das halte ich auch für geistig sinnvoll.
Was kann man gegen Kirchenleerstand machen?
Frühwald: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus Ostdeutschland: Wir hatten einen jungen Pfarrer, der hat in Berlin studiert, und er hatte einen total spacigen Freundeskreis. Dieser Pfarrer kam in eine absolut ländliche Region mit einer Vielzahl von Kirchen, die nur selten bespielt wurden. Was hat der gemacht?
Er hat seinen Jungs und Mädels in Berlin gesagt, hört mal zu, hier habt ihr Ausstellungsräume, und wir machen da super Veranstaltungen – und auf einmal war in dieser langweiligen Gegend echt Leben. Das ist so das eine, und das andere ist natürlich: Wir dürfen bei allem nicht vergessen, wofür die Kirche gebaut worden sind.
Was würden Sie an der evangelischen Kirche in Bayern sanieren?
Frühwald: Es gibt natürlich verschiedene Punkte, die einem, wenn man durch andere evangelische Kirchen gewandert ist, schon auffallen. Das Erste ist, wenn man von der mittleren Ebene mehr erwartet an Verantwortung, dann muss man ihr auch das Geld dafür geben. Das Zweite ist historisch gewachsen, man hat ganz große Dekanate, und man hat ganz kleine, das kann man machen, aber dann muss man sich überlegen, was das heißt, auch für die Struktur, auch für die Kosten.
Ich bin nicht dafür, die kleinen Gemeinden wegzurationalisieren, da würde man mich falsch verstehen. Man muss sich immer klarmachen, dass alles, was über der Gemeinde ist, im Prinzip eine Überstruktur ist, die natürlich viel stärker als Gemeinde noch mal unter wirtschaftlichen Aspekten angeschaut werden muss.