"Inspirationen" heißt auch ein Bildband, den Schmidt mit Claudia Maué, Vorsitzende des Vereins Nürnberger Epitaphienkunst, und der Kirchengemeinde realisiert hat. Regelmäßig zieht Schmidt immer wieder hierhin. "Ich wandere durch die Reihen, an den Gräbern vorbei und bleibe an einem der kunstvollen Epitaphien hängen", erklärt er. Nicht selten küsst ihn dann die Muse.
Wie kürzlich beim Grabmal, das Hans Newkhum im Jahr 1533 errichten ließ. "Er hat drei Töchter und die Ehefrau während der Pest von 1533 verloren. Ganz schön brutal. Und trotzdem treibt ihn die Hoffnung auf eine bessere Zeit für seine Hinterbliebenen im Jenseits", sagt er und dichtet:
"Hans Newkhum nur hat überlebt
und er, dem Herz und Seele bebt
weil ihn so hart das Schicksal traf
er stiftet Grab und Epitaph.Viel Tausend aber, wie wir wissen
in Massengräbern ruhen müssen.
Doch Gott hat alle, meine Lieben
in sein Gedächtnis eingeschrieben."
Tragisches und Kurioses
Wenn ihn ein Epitaph packt, dann recherchiert Schmidt schon mal gerne länger über das Leben der Verstorbenen nach. Und kommt dabei nicht ausschließlich zu tragischen Geschichten, sondern auch zu kuriosen, wie die von Hans Morgenroth. Auf dem Grabstein des Nürnbergers sieht man einen Baum, Bienen und einen Bären, der augenscheinlich Sternchen sieht.
Die Darstellung geht auf die Zeit zurück, in der die Zeidlerei, das gewerbsmäßige Sammeln von Honig wilder oder halbwilder Bienenvölker von Bäumen, in der Region noch üblich war. "Um Bären davon abzuhalten, sich einfach den Honig zu klauen, hatte Morgenroth eine geniale Erfindung gemacht: den Bärenabwehrapparat", schildert Schmidt, was er über den Mann herausgefunden hat. Klarer Fall für ein Gedicht.
"Man bekommt ein gutes Gefühl für Sprache", sagt Schmidt über das Reimen. Nach der Ordination im Jahr 1974 sollte es noch zwölf Jahre dauern – da war Christian Schmidt schon Dekan in Pegnitz –, bis der Theologe seine erste Fastnachtspredigt hielt. Natürlich in fränkischer Mundart. "Die fränkische Sprache hat eine Anmutung, die es einem warm ums Herz werden lässt." "Aber Mundart wird die Kirche nicht retten", versichert Schmidt.
Von Heiligen und Mythen
Christian Schmidt ordnet seine Gedichtanregungen in vier verschiedenfarbige kleine Schnellhefter ein, die in den Rubriken "Heilige", "biblische Motive", "mythische Gestalten" und "Handwerk" unterteilt sind. Zu all diesen Themen finde er gerade hier immer wieder Anregungen.
"Zum einen ist der Johannisfriedhof natürlich eine wunderschöne Anlage, und zwar zu jeder Jahreszeit. Was mir aber immer wieder auffällt: Die Menschen, die sich hier auf Epitaphien verewigt haben oder für Angehörige haben anfertigen lassen, die waren froh, mit dem Tod nicht ganz alleine gelassen zu werden. Und das ist doch immer wieder eine aufbauende Erfahrung, die mich dann immer wieder auch zu Gedichten inspiriert."
Die verfasst er meistens auf Hochdeutsch, aber in einem Gestus, der ein bisschen Witz und Lockerheit versprüht – sodass auch Themen wie Tod und Trauer nicht ganz so niederdrückend sind. "Ich war auf dem Friedhof unterwegs, dann ist mir was aufgefallen und dann habe ich halt mal ein Gedichtle geschrieben", beschreibt der Theologe seine Herangehensweise.
Und bleibt an einem weiteren Grabstein stehen. Auf der Tafel entdeckt er eine Darstellung von Orpheus in der Unterwelt – dem Sänger aus der griechischen Mythologie, der schon in vorreformatorischer Zeit immer wieder auf Friedhöfen zu finden war. "Weil Orpheus durch seinen Gesang den Tod überwunden hat, wurde er als eine Art Vorreiter von Jesus Christus angesehen", verrät der Theologe. Die nächsten Reime drehen auf dem Nachhauseweg wahrscheinlich schon ihre Kreise in Christian Schmidts Kopf ...
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