Christian Ertl ist Leiter der Akademie Perspektivenwechsel in München. Der Mediator und Psychologe erklärt, warum es für viele Paare in Zeiten des Coronavirus zu Belastungsproben kommen kann. Immerhin arbeiten einige auch gemeinsam im Home-Office. Was der Experte sagt und welche Tipps er gibt:

Wo kann es beim Arbeiten in Home-Office mit der Lebenspartnerin oder dem Lebenspartner zu Problemen kommen?

Christian Ertl: Es gibt tatsächlich einige Konfliktpotentiale, von denen lassen sich auch nicht alle so leicht entschärfen. Gibt es zum Beispiel keinen eigenen Raum in der Wohnung, der als Büro genutzt werden kann, sondern es muss eine Ecke im Wohnzimmer oder sogar der Küchentisch als Arbeitsplatz herhalten, kann es sehr leicht zu Störungen durch den nicht arbeitenden Partner kommen oder beide müssen sich absprechen, wie Sie Raum und Platz für zwei Arbeitsplätze schaffen.

Auch eine unklare Rollenverteilung beziehungsweise Abgrenzung zur "normalen" Beziehung erschwert das Zusammenleben: Der Partner ist zwar physisch in der Wohnung anwesend, befindet sich aber eigentlich an seinem Arbeitsplatz, das heißt er sollte in seiner Arbeitszeit nicht für Dinge wie den Haushalt oder die Kinderbetreuung verfügbar sein müssen.

Kann das Arbeiten auf Dauer zu einer Belastungsprobe werden?

Ertl: Ja, wenn es auf Dauer nicht möglich ist, klare Regelungen bezüglich der Aufgaben und Rollenverteilung zu schaffen und gleichzeitig kein Ausgleich stattfindet. Durch offene Kommunikation miteinander und Verständnis beziehungsweise Achtsamkeit für die momentanen Bedürfnisse des anderen können aber Konflikte frühzeitig erkannt und entschärft werden.

Worauf sollten die Lebenspartner daher besonders achten, wenn sie im Home-Office nebeneinander arbeiten?

Ertl: Wichtig - Dem Tag auch im Home-Office Struktur geben - Arbeitszeiten bewusst festlegen und auch einhalten. Dabei kann man durchaus flexibel sein und kleinere Einheiten statt den "klassischen" acht Stunden setzen - zum Beispiel nach drei Stunden die Wäsche erledigen oder einkaufen und anschließend weiter arbeiten.

Es ist wirklich sehr hilfreich, sich die Zeit zu nehmen und miteinander über Interessen und Bedürfnisse zu sprechen. Auch Ängste und Befürchtungen sollte man so offen wie möglich ansprechen. Dann hat man gute Chancen, dass sich kleine Missverständnisse oder Irritationen nicht zu großen Konflikten aufschaukeln.

 

Kurz gesagt: Das rät der Experte

  • Kurze "Morgenroutine" abhalten: Das sind heute meine Aufgaben, dann und dann habe ich eine Telefonkonferenz, solange möchte/muss ich arbeiten. 
  • Gemeinsame Mittagspause machen.
  • Nicht vom anderen erwarten, dass er diese oder jene Aufgabe - kochen, Kinderbetreuung - automatisch mitmachen kann, weil er ja "eh" daheim ist -  über die eigenen Erwartungshaltungen sprechen und Fragen verwenden wie "Woran würdest Du erkennen, dass es eine faire Aufteilung gibt, zum Beispiel beim Thema Kinderbetreuung?"