Anselm Grün über die Bergpredigt

Im Mittelpunkt der Bergpredigt steht das Vaterunser mit der Bitte: "Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden." (Matthäus 6, 10) Die Bergpredigt ist die Auslegung, wie der Wille Gottes konkret im menschlichen Leben geschehen kann. Der Wille Gottes ist dabei nicht etwas Willkürliches, sondern der Wille Gottes besteht darin, dass das menschliche Leben gelingt. Zu Beginn der Bergpredigt stehen die acht Seligpreisungen. Sie beschreiben acht Wege, wie der Mensch mitten in der Realität dieser zerrissenen Welt glücklich werden kann, wie sein Leben gelingen kann. Die Seligpreisungen zeigen uns konkrete Wege auf, wie das Leben gelingt, welche Haltungen es dafür braucht.

Das Vaterunser als Mitte der Bergpredigt zeigt uns, dass der zentrale Wille Gottes ist, dass wir Gott im Gebet als unseren Vater und unsere Mutter erfahren. Doch die Erfahrung Gottes verlangt nach einem Ausdruck in unserem Handeln. Wenn wir die Bergpredigt nur als Moralpredigt verstehen, überfordert sie uns und hinterlässt uns ein schlechtes Gewissen. Doch wenn wir die Bergpredigt als Antwort auf die Erfahrung Gottes im Gebet sehen, dann zeigt sie uns, wie menschliches Leben durch die Begegnung mit Gott gelingen kann. Gebet ohne Ausdruck im Handeln wäre narzisstisches Kreisen um sich selbst. Ethisches Handeln ohne spirituelle Erfahrung würde uns überanstrengen.

Gott traut uns etwas zu

Der Wille Gottes besteht einmal darin, dass wir Salz der Erde und Licht der Welt sind. Gott traut uns also etwas zu. Er traut uns zu, dass wir wie Salz sind, das der menschlichen Gesellschaft Würze verleiht. Salz verbindet aber auch und reinigt. Der Wille Gottes ist, dass wir die Menschen miteinander verbinden und die Atmosphäre in der Gesellschaft von trübenden Emotionen und Gedanken reinigen.