Wer einmal am Heiligen Abend in der weiten Halle der Görlitzer Peterskirche die Christgeburt feiern durfte, vergisst das wohl nie: Von der Krippe des Gottessohnes und Menschenbruders Jesus geht ein Licht aus, das die Herzen erreicht und die Augen zu einem neuen Sehen öffnet.
Und Jakob Böhme wird es hier in dieser 1497 vollendeten Kirche wohl durch Jahre hindurch mit Martin Luthers Weihnachtslied so gehört und besungen haben: "Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein neuen Schein; es leucht wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht. Kyrieleis." In der steinernen Kirche kann man durchaus zur Herzkirche finden.
Die Welt neu entdecken
Eben dies ist der Lernweg, den ich mit Jakob Böhme gern gehe: die Welt neu zu entdecken und neu sehen zu lernen. Das Kind in den Windeln, aber auch Stroh und Krippe, Ochs und Esel, das Dunkel der Nacht und der helle Stern – das alles predigt von Gottes Wirklichkeit. Das alles zieht in eine große Veränderung des Glaubens und Denkens und Lebens hinein.
Der Heilige aber hat seine Kirche an allen Orten bei sich und in sich;
denn er sehet und geht, er liegt und sitzt in seiner Kirchen.
Er ist in der wahren christlichen Kirchen, im Tempel Christi.
Der Hl. Geist predigt ihm aus allen Kreaturen.
Alles, was er ansieht, da sieht er einen Prediger Gottes.
Du findest Gott nicht in einem Jenseits, meint Böhme. Du findest ihn nicht im Himmel der Physiker, die das All durchmessen. Ganz nahe ist der Ewige in Licht und Dunkel, in Freude und Schmerz, im Aufbrechen und Innehalten. Die Erfahrung solcher Nähe verwandelt, lässt staunen – und hält dazu an, mitten in einer zerstörerischen Zeit und auf der bedrohten Erde ein Kind des Lichts zu werden.
Jakob Böhme hat das sehr persönlich als einen Durchbruch erfahren und beschrieben. Mitten in einer tiefen Lebenskrise, mitten in einem Ringen ist ihm aufgegangen, dass Gott nicht fern ist.
Gott ist die Einheit von Licht und Dunkel – zugunsten des Lichts.
Gott ist die Einheit von Schmerz und Freude – zugunsten der Freude.
Gott ist die Einheit von Tod und Leben – zugunsten des Lebens.
So wird alles, was wir ansehen,
zu einem Prediger Gottes.