Lange Wanderungen in der sengenden Hitze Spaniens durch unberührte Landschaften und auf abseitigen Wegen – Assoziationen, die das Stichwort Jakobsweg weckt. Doch ein Pilgerweg kann auch ganz anders aussehen. Der Zubringer in München etwa startet mitten in der wuseligen Stadt.
Neues Pilgerzentrum in München mitten im Stadtzentrum
Die Martinskirche aus rotem Backstein liegt hier etwas versteckt in einem Hinterhof. "Ich wünsche mir, dass die Menschen hierherkommen, wenn sie sich fürs Pilgern interessieren oder dabei spirituelle Begleitung suchen", sagt der evangelische Religionspädagoge Michael Kaminski. In weniger als 500 Metern Entfernung fließt die Isar, an der die Pilger auf dem Jakobsweg nach Schäftlarn gut 20 Kilometer entlanglaufen.
Kaminski ist seit dem Frühjahr 2020 Pilgerreferent in München. In St. Martin hat er nach dem Vorbild des Nürnberger Pilgerzentrums ein Pilgerbüro eingerichtet, in dem sich Interessierte über das spirituelle Wandern informieren und beraten lassen können, sowie eine kleine themenbezogene Bibliothek gegründet. Auch die Übernachtungsmöglichkeiten sollen ausgebaut werden.
Kaminski bietet Pilgerreisen für viele Anlässe an
Das Herzstück seiner Arbeit sind jedoch die Pilgerreisen. Kaminski bietet sie gemeinsam mit bis zu drei Begleitern in allen Variationen an: Das können eintägige Wanderungen mit einer Gruppe von zehn Pilgern sein, die rund 20 Kilometer zurücklegen, aber auch mehrtägige Reisen, bei denen Gruppen täglich etwa 30 Kilometer gehen.
Die ersten Angebote in der Pilgerarbeit gestaltete Kaminski schon vor gut zehn Jahren, doch eine Sache irritiert ihn noch immer: "Wenn ich über das Pilgern spreche, werde ich immer wieder gefragt: Macht ihr Evangelischen das jetzt auch?", sagt er und erklärt: "Pilgern ist eine spirituelle Übung, die es in jeder Religion gibt." Traditionell sei damit der Weg zu einem heiligen Ort gemeint. Für ihn sei Santiago de Compostela, Ziel des Jakobswegs in Spanien, so eine Stätte. Das liege aber nicht daran, dass dort das angebliche Grab des Apostels Jakobus gefunden wurde, "sondern weil Menschen mit besonderen Lebenserfahrungen dort zusammentreffen".
Warum Pilgern Trauernden helfen kann
Menschen in einer Lebenskrise zu begleiten, darin sieht der Pilgerexperte seine und die Aufgabe der evangelischen Kirche: "Wir machen uns begleitend mit auf den Weg und bieten Orientierung und Unterstützung an."
Angefangen hat Kaminski mit einem Pilgerangebot für Trauernde. Die langen Touren seien für viele heilsam, sagt er. "Durch die Anstrengung beim Laufen kommen viele an den Punkt, an dem sie denken, sie sind am Ende ihrer Kräfte, doch dann geht es doch immer weiter." Das könne ein Spiegel für die Trauersituation sein. Inzwischen macht Kaminski auch Angebote zu weiteren Themen, darunter zum Beispiel: Pilgern im Ruhestand, Pilgern zur Neuordnung in der Lebensmitte sowie Erntedankpilgern.
Wie Kaminski die Pilgerreisen gestaltet
Auf dem Weg gibt er passende Impulse wie Schweigezeiten, Gespräche oder Meditationen zu Gedichten. Wenn es sich anbietet, baut er Wegmarken gezielt mit ein. So kann eine Hängebrücke, die die Pilger überqueren müssen, die Unsicherheit ihrer Situation symbolisieren. "Im Idealfall kommt man von einer Pilgerreise bereichert und lebensverändert zurück", betont Kaminski, der mit Anfang 50 bereits fast 18.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hat.
Das Pilgern hat in München ein neues Zuhause gefunden – und mit Michael Kaminski einen leidenschaftlichen Vertreter, der sich selbst gerne als "Pilgersüchtigen" bezeichnet.
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