Kirchliche Stiftungen erleben einen Aufschwung. Warum?

Popp: Privatpersonen möchten mit der Gründung einer Stiftung oft gezielt dazu beitragen, bestimmte Aufgaben in Kirche und Diakonie zu fördern. Und sie möchten über das eigene Leben hinaus wirken und ihr Erbe gezielt einsetzen. Kirchengemeinden haben wiederum erkannt, dass eine Stiftung eine langfristige Finanzierung des kirchlichen Lebens unterstützen kann. Privatpersonen und Institutionen haben also oft eine unterschiedliche Ausrichtung, aber ihr Ziel ist ähnlich: Sie wollen die Kirche, ihre Diakonie und die Gesellschaft stützen, setzen Kontrapunkte und eröffnen Chancen. Außerdem werden kirchliche Stiftungen von der Öffentlichkeit als zuverlässiger und langfristiger Partner wahrgenommen.

Besteht denn bei kleineren, privaten Stiftungen nicht die Gefahr, dass sie kaum noch wachsen?

Popp: Als Stiftungsberater achte ich darauf, dass kleine Stiftungen ein Fundraising-Konzept vorweisen können und auch zeigen, wie sie Werbung für sich machen. Unsere Statistik über die Entwicklung der Stiftungen zeigt, dass das Konzept meist aufgeht. Selbst kleine Stiftungen mit einem Stiftungsvermögen von bis zu 50.000 Euro konnten in den letzten Jahren beträchtlich zulegen. Das Stiftungsvolumen stieg dort bei 35 Stiftungen von insgesamt knapp 700.000 Euro im Jahr 1999 auf rund acht Millionen Euro im Jahr 2016.

Und was unterstützen die kirchlichen Stiftungen?

Popp: Die Vielzahl der Themen ist erstaunlich: Neben den gemeinnützigen kirchlichen und diakonischen Hauptzwecken Religion und Wohlfahrtswesen gibt es Stiftungen für Senioren, für die Ausbildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, für Kunst und Kultur, für Denkmalschutz, für den Umweltschutz oder für die Entwicklungshilfe, Migration  und Völkerverständigung.

Nehmen Sie zum Beispiel die  Kirchenmusik: Über eine Stiftung erreichen Sie eine Vielzahl von Menschen über den kirchlichen Kernbereich hinaus, die sich für die Musik begeistern. Hier kann eine Stiftung auf einer sehr breiten Basis wirken und in der Gesellschaft Akzente setzen.

In den USA sind Zustiftungen populär, bei denen Menschen ihr Geld einer bereits bestehenden Stiftung spenden. Gibt es dieses Modell auch im kirchlichen Bereich?

Popp: Natürlich gibt es auch in unserem kirchlichen Bereich die Möglichkeit, in eine bestehende Stiftung zuzustiften und damit deren Grundstockvermögen und Leistungsfähigkeit zu stärken. Gerade im Zusammenhang mit Schenkungen und Erbschaften ist diese Methode sehr populär und die einzelnen Stiftungen werben dafür. Wir haben im Jahr 2013 die "Bayern-Evangelisch-Stiftung" gegründet, die sich um die Aufgaben und Belange in der Landeskirche und ihren Einrichtungen und Diensten ebenso kümmert wie um ihre Diakonie. Diese Dachstiftung kommt zum Beispiel dann zum Tragen, wenn Zustiftungen ohne eigene Zweckbestimmung an die Landeskirche gehen oder wenn nicht rechtsfähige Stiftungen treuhänderisch verwaltet werden sollen und eine schlanke oder keine eigene Verwaltung gewünscht wird.

Oder sie hilft bei komplizierten Fällen, also zum Beispiel, wenn jemand darüber verfügt, dass seine Immobilien als Zustiftung in eine Stiftung gehen und professionell verwaltet werden müssen. Hier kann die Dachstiftung unterstützend tätig werden, denn in deren Umfeld gibt es begleitende und zuarbeitende Fachabteilungen für verschiedenste Bereiche.

Die geplante Reform des Stiftungsrechts will unter anderem "Verbrauchsstiftungen" als mögliche Stiftungsform weiter stärken. Das sind Stiftungen, die ihr Vermögen über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufzehren und dann erlöschen. Ist das auch für kirchliche Stiftungen denkbar?

Popp: Insgesamt begrüßen wir die Reform des Stiftungsrechts in den meisten Bereichen. Allerdings sehen wir die Verbrauchsstiftungen eher kritisch. Es gibt eine lange Tradition der kirchlichen Stiftungen. Früher entstanden bei Gründung einer Kirchengemeinde oft zwei Stiftungen: Die Ortskirchenstiftung sorgte für den Bauunterhalt der Kirche und des Pfarrhauses. Über die Pfründestiftung konnte der Pfarrer Ackerland und Wald bewirtschaften – und so zu seinem Lebensunterhalt beitragen.

Aus dieser ursprünglichen, sehr alten Stiftungstradition heraus sehen wir Stiftungen als Instrument, um Vermögen zu schaffen, das langfristig und nachhaltig wirkt und erhalten bleiben soll. Eine Verbrauchsstiftung würde diese Idee aber aushöhlen. Deshalb sind wir eher zurückhaltend bis ablehnend was diese Verbrauchsstiftungen angeht.

Die niedrigen Zinsen machen den meisten Stiftungen sehr zu schaffen. Wie reagieren Sie darauf?

Popp: Die Zinsentwicklung sorgt tatsächlich derzeit dafür, dass die Ertragslage bei Stiftungen fast bei null ist. Den Stiftungen bleibt kaum etwas anderes übrig, als in das risikoreiche Wertpapiergeschäft einzusteigen. Für viele kleine Stiftungen ist das eine Überforderung.

Die Landeskirche hat dies erkannt und bietet den kirchlichen Stiftungen deshalb an, interne Anlagemöglichkeiten der Kirche zu nutzen. 2018 liegen hier die Renditen im Anlagehorizont von 2 bzw. 5 Jahren bei 1,4 bzw. 2,1 Prozent. Die Stiftungen bekommen ihre Zinsen einmal jährlich überwiesen, können rechtzeitig planen und ihre Stiftungszwecke derzeit auch auf niedrigem Niveau weiter erfüllen. Dieses Modell kommt bei den Stiftungen sehr gut an: Von den rund 260 Stiftungen nutzen aktuell 194 diese Angebote.

 

Infografik: Kirchliche Stiftungen in Bayern

Jedes Jahr werden etwa fünf neue kirchliche Stiftungen gegründet. Unsere Infografik bietet einen Überblick über alle Daten und Fakten. Die Infografik kann kostenlos heruntergeladen, geteilt und verbreitet werden. Bitte verlinken Sie die Infografik mit www.sonntagsblatt.de.

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Evangelische Stiftungen in Bayern
Kirchliche Stiftungen in Bayern

Evangelische Stiftungen

Wilhelm Popp ist Stiftungsreferent der bayerischen Evangelischen Landeskirche. Wer sich dafür interessiert, eine Stiftung zu gründen, findet weiterführende Informationen unter:

www.stiftungen-evangelisch.de