Der evangelische Pfarrer Roger Schmidt leitet das Studienzentrum für evangelische Jugendarbeit in Josefstal  (@studienzentrumjosefstal) in Oberbayern und bietet Webinare zur digitalen Bildung an. Die Corona-Krise hat in vielen kirchlichen Einrichtungen die Digitalisierung vorangetrieben, sagt Schmidt. Allerdings gebe es auch einen großen Nachholbedarf bei der digitalen Bildung.

 

Herr Schmidt, ist die Corona-Pandemie ein Stresstest für die digitale Bildung in der Kirche?

Schmidt: Ja, natürlich. Ich beschäftige mich seit langem mit der Frage, wie wir sinnvoll digitale Konzepte in der Bildung einsetzen können. Wir sollten die Möglichkeiten, die uns das Internet bietet, auch nutzen. Digitale Angebote sind toll, wenn Menschen weit voneinander entfernt sind und ein persönliches Treffen teuer wäre. Und sie bieten die Chance, Bildungsprozesse in kleinere Abschnitte zu teilen. Und dies gilt es zu jeweils zu prüfen.

Woran mangelt es in der kirchlichen digitalen Bildung?

Schmidt: In vielen kirchlichen Einrichtungen fehlt die technische Ausstattung, um wirklich sinnvoll mit dem Internet arbeiten zu können. Viele müssen ihre privaten Geräte nutzen, weil die Ausstattung im Dienst nicht ausreicht.

Wir haben so wenig eingeübt, mit digitalen Methoden zu arbeiten, dass es uns schwerfällt, die Kreativität aufzubringen, die man im Online-Bereich braucht, um interessante Aspekte digitaler Bildung auszuschöpfen. Vor allem fehlt es an den Methoden, die wir in anderen Bereichen längst entwickelt haben.

Was muss sich ändern in der digitalen Bildung?

Schmidt: Wir sollten die digitale Bildung als einen Bereich wahrnehmen, den wir sinnvoll nutzen können für die kirchliche Arbeit. Wir müssen das Thema in die Fortbildung und in die Ausbildung junger Pfarrerinnen und Pfarrer aufnehmen. Denn nur weil die Leute jung sind, können sie noch lange nicht alle mit dem Internet umgehen. Digitale Bildung ist ein Handwerk, das man lernen muss. Und das muss in der Ausbildung und in der Fort- und Weiterbildung verankert werden.

Und dann brauchen wir Flexibilität. Zu sagen, die Kirche entscheidet sich für ein System, das für alle gilt, wäre nicht die Lösung. Vielmehr müssen wir in die Lage versetzt werden, in verschiedenen Einheiten bestimmte Dinge auszuprobieren. Wir benötigen Plattformen für den Austausch. Und wir müssen an den Innovationen im technischen Bereich partizipieren.

Pfarrer Roger Schmidt ist Leiter des Studienzentrums Josefstal. Im Interview spricht er über die Chancen der digitalen Bildung in der bayerischen Landeskirche.

Digitale Bildung und Digitalisierung in der Kirche vorantreiben

Im aktuellen Bildungskonzept der bayerischen Landeskirche wird der Begriff der digitalen Bildung nur in einem Absatz erwähnt. Greift das Konzept zu kurz?

Schmidt: Das Bildungskonzept reflektiert eine bestimmte Perspektive. Wir haben eine lange Tradition und gehen mit einer großen Unsicherheit an digitale Medien heran. Viele glauben, dass die Begegnung im Netz „uneigentlich“ ist und nur die echte Begegnung zählt.

Aber das ist eben nicht die ganze Wahrheit. Unser Erleben hat sich längst auf das Digitale ausgeweitet. Es ist heute einfach eine Selbstverständlichkeit. Deshalb müssen wir als Kirche diese Möglichkeit auch nutzen.

Die Digitalisierung ist eine große Chance für eine Organisation, die sich auf die Fläche erstreckt. Wir könnten unsere Klimaziele an einigen Stelle leichter erreichen – selbst wenn wir mit dem Internet Strom verbrauchen.

Gibt es zu viele Bedenkenträger?

Schmidt: Es gibt innerhalb der Kirche eine große Unsicherheit im ethischen Bereich. Es passieren viele schlimme Dinge – angefangen von Fake News bis hin zu Mobbing. Das sind Themen, die wir aufgreifen müssen. Aber es wäre falsch, deshalb nicht ins Netz zu gehen. Es gehört einfach dazu, dass wir uns den Problemen der digitalen Welt stellen.

Wo liegen die Chancen einer digitalen Kirche?

Schmidt: Die Nutzung digitaler Medien von kirchlichen Einrichtungen hat durch die Corona-Pandemie massiv zugenommen. Wir nutzen das Netz, um Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu unterstützen. Es ist nicht alles perfekt – aber wir sind als Menschen ansprechbar, als Kirche, in der Bildung. Wir können mit einfachen Möglichkeiten gute Arbeit leisten.

Über das Digitale bekommen wir die Chance, noch mal anders global Kirche zu sein. Wir können voneinander lernen. Es ist nicht mehr alles an unseren Kirchturm gebunden, sondern wir können uns mit anderen Kirchtürmen vernetzen. Das sollten wir weiter erforschen.