Der US-Präsident Donald Trump trägt die Kleidung eines Häftlings – und ist an einem Kreuz festgezurrt mit Halterungen, die an die US-amerikanischen Hinrichtungsstühle mit der Giftspritze erinnern. "Saint or Sinner" heißt die Skulptur des britischen Künstlers Mason Storm, die derzeit in der Schweizer "Kunstmeile" in Basel zu sehen ist.
Die Skulptur sollte schon im September im Basler Bahnhof SBB präsentiert werden, doch dann äußerten die Verantwortlichen Sicherheitsbedenken. Nun ist die Skulptur in der Basler Kunstmeile in der Rümelin-Passage ausgestellt. Die Galerie enthüllte das 1,47 mal 83 Zentimeter große Skulptur am 1. November um zwei Uhr nachts in einer Vitrine der Passage, zunächst unbemerkt von der Öffentlichkeit, meldete dann der SRF.
Wer ist der Künstler Mason Storm?
Die Skulptur stammt vom britischen Künstler Mason Storm, der 1981 in London geboren wurde und laut Galerie keine Kunstschule besucht hat, sondern als Rechtsanwalt und Sicherheitsdienstleister gearbeitet hat, bevor er sich vollends der Kunst widmete.
Mit seinen Kunstwerken will er provozieren. Bei seinen Aktionen inszeniert er sich mit Maske und verdeckt damit die eigene Identität. Vertreten wird Mason Storm von der Galerie für zeitgenössische Kunst "Gleis 4" in Zug, die etliche Pop-Up-Spaces in der Schweiz bespielt. Die Galeristen Melanie und Konrad Breznik wollen mit ihren Aktionen künstlerische Ausdrucksformen fördern, aber auch einen Ort für Begegnung und Dialog schaffen, sagen sie auf ihrer Webseite. Und nun berichten die Medien landauf, landab über einen ihrer Künstler.
Ist die Skulptur von Mason Storm Kunst oder Blasphemie?
In der zeitgenössischen Kunst gibt es etliche Beispiele für Kunstwerke zur christlichen Kunst, die für Skandale sorgten. 1987 war es der US-amerikanische Künstler Andres Serrano mit seinem Foto "Piss Christ". Für sein Foto stellte er ein kleines Plastik-Kruzifix in ein Gefäß mit dem eigenen Urin und Blut und fotografierte diese Situation. Später erklärte er, er habe das Kruzifix, das es in jedem Supermarkt zu kaufen gebe, mit dem Ziel fotografiert, an das Leiden zu erinnern, das Christus für die Menschheit ertragen habe.
Das Werk sorgte für eine Welle der Empörung. Die "Catholic League" demonstrierte vor Eröffnung der geplanten Ausstellung, auch weil das Bild mit US-Bundesmitteln bezuschusst worden war. Später wurde das Bild in einer Ausstellung von einem Kritiker mit dem Hammer demoliert, es hagelte Protestbriefe.
Worum geht es also, wenn solche Kunstwerke gezeigt werden? - Zunächst geht es den Künstlern sicherlich darum, zu schockieren, zu polarisieren und für eine Diskussion zu sorgen. Für die Kritiker geht es vor allem um die Frage, ob unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit der christliche Glaube in den Dreck gezogen wird und ob die christliche Botschaft absichtlich beschädigt werden soll.
Tatsächlich verletzt die künstlerische Position von Mason die religiösen Gefühle von vielen Gläubigen. Für Christen ist die Kreuzigung Jesu vor allem ein Symbol für die Versöhnung des Menschen mit Gott. Das Kruzifix erinnert an das Opfer – und daran, dass das Gute über das Böse gesiegt hat. Kein Wunder also, dass der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler das Kruzifix laut KNA-Meldung als "schlichtweg abartig" verurteilte. Der Theologe Simon Peng-Keller bezeichnete die Darstellung als "kolossale Fehlbesetzung".
Laut Galeristin Melanie Breznik ist die Symbolik des Kunstwerks bewusst offen angelegt. Es solle Betrachter dazu anregen, sich mit Fragen nach Schuld, Verantwortung und gesellschaftlicher Wahrnehmung auseinanderzusetzen, sagte sie der "Basler Zeitung".
Fakt ist aber auch, dass eine Diskussion um die Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit heute nicht mehr an den nationalen Grenzen aufhört – sondern inzwischen in einem transnationalen und kulturell-religiösen medialen Kontext steht. Was wir also eigentlich diskutieren sollten, ist die Frage, wie wir friedlich zusammenleben können – selbst wenn wir in unterschiedlichen Religionsgemeinschaften leben und sehr unterschiedliche Meinungen zu religiösen Symbolen haben. Einen gewissen Respekt vor den Gefühlen anderer sollten wir dabei durchaus erwarten können.
Skandal als Marktwert-Förderung?
Wenig diskutiert blieben bislang die Mechanismen des Kunstmarktes. Denn: Je mehr ein Kunstwerk für einen Skandal sorgt, desto stärker steigt dessen Wert. Wird das Kunstwerk gar verboten, sorgt das für weitere Schlagzeilen und noch mehr Prominenz. Ob dies vom Künstler Mason in diesem Fall beabsichtigt war, muss offen bleiben – er selbst hat sich bislang nicht geäußert.
Wer sich aber die Skulptur genauer anschaut, kann durchaus ins Diskutieren kommen. Sieht der Künstler den US-Politiker als Opfer oder als Sieger über das Böse? Dass Trump orangene Gefangenenkleidung trägt und so festgebunden ist, dass es aussieht, als bekäme er gleich eine tödliche Giftspritze verabreicht, gibt dem Kunstwerk eine Wendung, die durchaus auch andere Lesarten ermöglicht – nämlich als gewaltvolle Rache-Phantasie. Vielleicht ist die Skulptur vor allem eines: Geschmacklos.
Für die Galeristen hat sich der Coup jedenfalls gelohnt. Sie haben das Kunstwerk schon verkauft, an eine "international bekannte Person", die anonym bleiben wolle. Noch mehr Geheimnis - und noch mehr Prominenz für den Künstler.