Thomas Greif, Sie haben viele Jahre als Redakteur der Evangelischen Wochenzeitung für Bayern, Sonntagsblatt, gearbeitet und über Kirche, Religion, Politik, Gesellschaft und Kultur berichtet – und waren mit dem Fotografen Hans-Rainer Fechter unterwegs bei Terminen. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Greif: Ich war von 1990 bis 2016 beim Sonntagsblatt und war als Printredakteur tätig. Ich habe ab 1999 begonnen, in der Redaktion Nürnberg zu arbeiten, und damals war Fechter als freier Fotograf in Nürnberg tätig. In den ersten Tagen, als ich angefangen hatte, zu arbeiten, kam Fechter an spaziert und stellte sich vor als Bildredakteur. Es war ihm ein wichtiges Signal, diese Kompetenz zu zeigen, schließlich wusste er nicht, was für einen jungen Kerl er da jetzt vor sich sitzen hatte. Damals gab es häufig Kompetenzgerangel zwischen Redakteuren und Fotografen, und er hatte vielleicht seine Bedenken.

Ich hatte keine Ambitionen, mich selber als Fotograf zu betätigen, und so haben wir sehr schnell zu einem sehr guten persönlichen Verhältnis gefunden. Ich fand es sehr angenehm, dass ich nicht auch noch fotografieren musste – inzwischen müssen Redakteure eigentlich alles machen, auch Audios aufnehmen und Videos drehen. Ich war in der privilegierten Situation, mich auf die Inhalte konzentrieren zu können und auf das Schreiben, und Hans-Rainer Fechter hat den fotografischen Bereich abgedeckt.

Wie würden Sie Hans-Rainer Fechter beschreiben?

Greif: Hans-Rainer ist eine sehr kantige Persönlichkeit, was ich aber immer sehr gerne gemocht habe. Wir haben uns sehr gut verstanden, und ich stehe bis heute persönlich in einem sehr guten freundschaftlichen Kontakt. Ich mag Menschen, die schon zu Lebzeiten Originale sind, da wird einem nicht langweilig.

Wie hat die konkrete Zusammenarbeit funktioniert? Hatten Sie Aufträge oder konnten Sie Eigeninitiative zeigen?

Greif: Ich habe in meiner Redaktion allerlei Ideen von kirchlichen oder sozialen Veranstaltern und Trägern zugetragen bekommen, worüber wir hätten berichten sollen. Daraus habe ich ausgewählt, was für uns interessant ist und was ich für fotografisch interessant gehalten habe. Oft ging es in den Ankündigungen um Veranstaltungen, aber hinter vielen Sachen verstecken sich eben auch Themen.

Ich habe ihm dann einmal in der Woche diese Termine und Themen mitgeteilt. Für Pressefotografen alter Schule wie Fechter war es selbstverständlich, zu einem Termin zu gehen oder ein Foto zu machen – also zum Beispiel die Vorstellung einer Prachtausgabe einer mittelalterlichen Handschrift. Dann hat Hans-Rainer das Foto mit den Autoren und dem Buch geliefert. Das war die klassische Bildberichterstattung.

Oft habe ich aber Hans-Rainer ein Thema geschildert, über das ich schreibe, und er hat sich dann selber überlegt, wie er das mit einem Bild umsetzt.

Und er hat es geschafft, mit großer Kreativität aus wirklich langweiligen Themen schöne Bilder zu machen. Und das ist ja, was einen Pressefotografen ausmacht: Das Motiv oder das Thema, das zum fünfzigsten Mal auf dem Tisch liegt, so aufzuziehen, dass es eine interessante Bildperspektive gibt – und da konnte ich mich bei ihm immer drauf verlassen.

Und dann haben wir natürlich große Reportagen zusammen gemacht, sind gemeinsam durch das Land gefahren und haben nach kuriosen, interessanten, lustigen, bewegenden Geschichten gesucht und gefunden.

Aus heutiger Sicht ist das fast archaisch: Diese seriöse Art und Weise, an Material zu kommen ist auch archaisch deswegen, weil die meisten Journalisten oder Redakteure für solche Dinge heute keine Zeit mehr haben, sondern eigentlich nehmen müssen, was sie auf den Tisch geworfen bekommen. Also diese Möglichkeit, gezielt nach Themen zu suchen, sich diese zurechtzulegen, wie man das haben wollte, auch inhaltlich, sich dafür viel Zeit zu nehmen, das war ein großer Luxus, den wir damals hatten.

Ausstellung: Pressefotografie in Franken – Hans-Rainer Fechter

Hans-Rainer Fechter, 1942 geboren, hat viele Jahre in der Metropolregion Nürnberg als Pressefotograf für die Nürnberger Nachrichten, das Sonntagsblatt und den Evangelischen Pressedienst (epd) gearbeitet. Mit seiner Kamera fotografierte er Land und Leute in Nürnberg und Umgebung.

Die Ausstellung: "Hans-Rainer Fechter - Pressefotografie in Franken" im BIBEL MUSEUM BAYERN ist die erste große Schau, die sich der jüngeren Geschichte der Pressefotografie in Nürnberg widmet. Die Ausstellung präsentiert einen Überblick über das Werk von Hans-Rainer Fechter und gibt Einblick in die journalistische Pressefotografie in Nürnberg und Umgebung. Sie präsentiert die wichtigsten Themen des Fotografen - und dokumentiert zugleich den Wandel der Technologie, des Berufsstandes und der Medienbranche. 

Eröffnet wird die Sonderausstellung am Dienstag, 11. Juli um 18 Uhr im BIBEL MUSEUM BAYERN in Nürnberg. Sie ist von 12. Juli bis Mittwoch, 20. September 2023 zu sehen. Um eine schriftliche Anmeldung wird gebeten: ausstellungen@epv.de.

Der Flyer zur Ausstellungseröffnung kann als PDF hier heruntergeladen werden.

Die Plakat-Ausstellung kann ausgeliehen werden. Hier gibt es weitere Informationen.

 

Thomas Greif
Nach 20 Jahren als Zeitungsredakteur in Bamberg und Nürnberg ist der studierte Historiker Dr. Thomas Greif seit Juli 2016 Leiter von Museum und Archiv der Rummelsberger Diakonie.

Gab es auch Probleme oder ist mal etwas nicht so gelaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Greif: Das Sonntagsblatt ist ja eine Wochenzeitung und keine Tageszeitung. In meiner Zeit in der Tageszeitung war das manchmal problematisch: Da hat man an einem bestimmten Tag ein Bild gebraucht, und wenn dann etwas schiefging, gab es sofort ein Problem. Aber in der Wochenzeitung gab es genug Luft, um umzudisponieren und ein Archivbild zu nehmen oder ein anderes Bild zu besorgen. Also dieser Termindruck einer Tageszeitung, jetzt kommt der Bundeskanzler, und es gibt nur zwei Minuten Zeit für ein Foto, und wenn der Fotograf dann nicht da ist, dann gibt es keinen Bild, den gab es nicht.  

Hatte Hans-Rainer Fechter einen besonderen Stil oder bestimmte thematische Interessen?

Greif: Als Spartenzeitung war unser inhaltlicher Fokus auf die Bereiche Kirche, Soziales und Kultur gerichtet, das heißt, ein Fotograf, der eine Vorliebe für Sportfotografie hat, war bei uns nicht gut am Platz. Das Interesse von Hans-Rainer Fechter war es immer, Menschen in ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit abzubilden.

Er hat es geschafft, bei Prominenten genau den Moment einzufangen, wo dieser eine bestimmte Haltung einnimmt und damit etwas zeigt, was etwas über diesen Menschen aussagt.

Und er war sehr stark bei klassischen Featurebildern. Wenn ich also ein Bild aus einem Altenheim brauchte, das die neueste Diskussion zum Thema Pflege illustriert, dann zeigte er eine hohe Sensibilität und ein großes Fingerspitzengefühl. Er konnte da hingehen und brachte ein würdevolles Bild eines Menschen wieder, ohne aber die Situation zu beschönigen. Hans-Rainer Fechter hätte niemals einen Menschen bloßgestellt für den Preis eines guten Fotos. Da hat er sich unterschieden von manchen seiner Kollegen.

 

Hat sich die Zusammenarbeit zwischen Fotografen und Redakteuren in Ihrer Berufslaufbahn sehr verändert?

Greif: Das Verhältnis zwischen dem Redakteur und dem Fotografen war immer wichtig. Wenn das nicht stimmt, kommt nichts Gescheites heraus. Das hat erst einmal nichts mit der Technik zu tun, sondern damit, ob man sich wechselseitig in der jeweiligen Rolle akzeptiert und achtet. Damals gab es eher die Gefahr, dass die Redakteure den Fotografen ins Revier pfuschen.

Ich habe einen enormen Wandel der Branche erlebt. Als Volontär habe ich noch auf der elektrischen Schreibmaschine getippt, dann kam der erste Computer – und genauso war es natürlich bei der Fotografie. Dort stieg man in die Dunkelkammer, um schwarz-weiß-Bilder zu entwickeln. Irgendwann gab es dann die digitale Fotografie, aber das ist Hans-Rainer Fechter nicht mitgegangen. Zum Schluss hat er seine Bilder zu einem Fotodienst gebracht, dort wurden die Farbfotos abgezogen und mit einem Fahrradkurier in die Redaktion gebracht. Aber Hans-Rainer hat bis zu seinem Berufsende die Bilder auf Papier abgeliefert. Aber das sind eher technische Fragen, die immer der inhaltlichen Frage untergeordnet waren. Also, ich hätte keinen Nutzen gehabt von einem Fotografen, der zwar digital auf der Welle der Zeit schwimmt, aber schlechte Fotos macht.

Was müsste in einer Ausstellung über Hans-Rainer Fechter gezeigt werden?

Greif: Dieses Einfangen von Charakterköpfen. Hans-Rainer ist selber ein Charakterkopf, und das, was er vor der Kamera eingefangen hat, das waren auch immer Charaktere – egal ob prominent oder nicht prominent. Und natürlich gibt es auch Momente von gewisser historischer Tragweite. Also wie Helmut Kohl in Nürnberg spricht oder der Landesbischof einen ersten Blumenstrauß überreicht bekommt.

Ich erinnere mich auch an eine Reportage, bei der wir bei der Landvolkshochschule Pappenheim waren, kurz nachdem ein kirchliches Gremium verkündet hatte, dieses Haus zu schließen, und dann hat einer die ganze Belegschaft auf der Treppe vor der Tür versammelt und Fechter hat diese bedröppelten Gesichter, die um ihre Zukunft gebangt haben, abgelichtet. Das war seine Stärke, dass er diese Menschen fotografierte und das Befinden sichtbar machen konnte.

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