In diesem Text beschreibt Ida Raming ihre Ordination am 29. Juni 2002 in Passau:

Nach einem 40-jährigen tatkräftigen Einsatz  für volle Gleichberechtigung der Frauen in der römisch-katholischen Kirche und für Frauenordination - in Wort und Schrift (Dissertation, zahlreiche Artikel, Vorträge, ...), was jedoch nicht den erwünschten Durchbruch brachte, sondern auf eine sich steigernde und schließlich "definitive" Ablehnung seitens der Entscheidungsträger in der Kirche stieß, entschlossen wir (Iris Müller und ich) uns, einen außergewöhnlichen Weg zu beschreiten.

Mit großem Interesse hatten wir bereits die Vorgänge in der Episkopalkirche in den USA verfolgt – dort wurden 1974 elf Frauen von drei im Ruhestand befindlichen Bischöfen in Philadelphia unerlaubt zu Priesterinnen ordiniert. Ferner erfuhren wir später aus Medienberichten, dass der römisch-katholische Bischof Felix Davidek in der tschechischen Untergrundkirche schon 1970 einige Frauen gegen das bestehende Kirchengesetz zu Diakoninnen und Priesterinnen geweiht hatte.

Diesen Weg - "Gott mehr zu gehorchen als den Menschen" in der Kirche – betrachteten auch wir als not-wendige Option für unsere Zukunft.

[...] Am Palmsonntag, den 25.03. 2002, wurden wir zu Diakoninnen ordiniert, nachdem wir zuvor die uns ordinierenden Bischöfe, beide in der apostolischen Sukzession stehend und gültig geweiht, kennen gelernt hatten. Es war für uns beide ein beglückendes und erhebendes Gefühl, dass wir nun den ersten Schritt aus der uns auferlegten Inferiorität der Frau gewagt hatten.

Die Zeit vom Palmsonntag bis zum 29. Juni 2002 diente der inneren und äußeren Vorbereitung auf die Priesterweihe. Zwei Tage vorher fuhren wir nach Passau. [...]

Von dem bevorstehenden großen Ereignis hatten schon Frauenverbände aus den USA erfahren, die sich stets für die Frauenordination eingesetzt hatten. Eine Delegation von der "Women’s Ordination Conference" (WOC) wie auch von "Catholics Speak Out" (Quixote Center) traf in Passau ein, um bei dem Ereignis präsent zu sein und in den USA darüber zu berichten. [...]

Zum angegebenen Zeitpunkt gingen wir zur Anlegestelle und betraten das Donauschiff. Wir legten unsere Diakoninnenkleidung im oberen Teil des Schiffes an. Die Feier sollte beginnen; aber einer der angekündigten Bischöfe kam nicht. Eine große Spannung lag deswegen auf uns allen. Warum war er nicht gekommen? Später erfuhren wir, dass er auf seinem Weg nach Passau daran gehindert wurde, rechtzeitig zur Feier zu kommen. So musste die Feier in Gegenwart von zwei Bischöfen, anstatt mit dreien, stattfinden.

Als ich die Stufen zu dem unteren größeren Teil des Schiffes – unsere "Kirche" – hinunterging, überfiel mich ein ängstliches Gefühl. Es war ein risikoreiches Unternehmen, zu dem wir uns aufmachten – was würde daraus folgen?

Die Ordination fand streng nach römisch-kirchlichem Weiheritus statt. Niemand (z.B. von der kirchlichen Hierarchie) sollte später sagen können, dass unsere Ordination nur ein subjektiver Augenblickseinfall, ein nicht ernst zu nehmendes "Unterfangen" war! Unsere Absicht war: Wir wollten gültig, wenn auch  - nach amtskirchlicher Auffassung unerlaubt – ordiniert werden. Unsere Taufe bildete dafür das Fundament sowie unsere Berufung, die wir schon lange vorher gespürt hatten. Eine Gemeinde, die uns auf unserm Weg geistlich unterstützte, war schon auf dem Schiff präsent.

Zu unserer Befragung vor der Ordination gehörte auch das Gehorsamsversprechen gegenüber dem Bischof. Ich hatte mir dafür vorgenommen, im Namen der sieben Ordinandinnen den Satz zu sprechen: "Wir berufen uns auf die Bibelstelle: ‚Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen’!" Dies tat ich denn auch – laut und deutlich. Der ordinierende Bischof schaute mich an – dieser Bibelvers war im Ordinationsritus nicht vorgesehen. Dennoch schritt er nicht dagegen ein. Mir war wichtig zu betonen, dass wir uns nicht an die Weisung einer bischöflichen Amtsperson binden wollten, sondern vor allem an Gott und Gottes heilige Geistkraft. Das war zugleich das Programm für unseren Weg. [...]

Wir waren von dem Bewusstsein erfüllt, einen entscheidenden, historischen Schritt für die Frauenbefreiung in der Kirche getan zu haben. Dies wurde auch von einigen seriösen BerichterstatterInnen in den Medien so gesehen – im Gegensatz zu solchen, die unseren Schritt aus einer tief sitzenden sexistischen Haltung heraus als bloßes "Theater" und "Sektenschwindel" beschimpften.

Uns aus menschenunwürdigen Fesseln befreit zu haben, das war ein beglückendes Gefühl, – es spiegelte sich auch deutlich in dem Gesicht meiner Freundin und Kollegin, Iris Müller, die schon so lange unter dem Frauen unterdrückenden Gesetz der Kirche gelitten hatte!

Am folgenden Tag besuchten wir beide eine nahe gelegene Kirche in Passau. Wir empfahlen unseren Weg contra legem der gütigen Vorsehung Gottes und erflehten Gottes Segen dafür. Das war uns sehr, sehr wichtig!

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

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