Der Begriff "queer" wird heute positiv als Selbstbezeichnung von und für Menschen gebraucht, die ihre Identität als "außerhalb der gesellschaftlichen Norm" etwa als lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder intersexuell ansehen.
Außerdem kann er als Überbegriff für alle benutzt werden, die sich nicht zu gängigen geschlechtlichen (heterosexuellen) Vorstellungen zugehörig fühlen.
Queer: Bedeutung und Ursprung
Der Begriff kommt aus dem Englischen und bezeichnet zunächst Dinge oder Personen, die meist im negativen Sinn von der Norm abweichen. Er lässt sich mit "seltsam" oder "eigenartig" übersetzen. Er wurde benutzt, um abwertend insbesondere über Homosexuelle zu sprechen.
Im Zuge der Aids-Bewegung gelang es der queeren Community, sich den Begriff anzueignen und ihn positiv zu besetzen.
Als Sammelbegriff bietet das Wort vielen Menschen eine Möglichkeit der Identifikation und ist bewusst unscharf gedacht, sodass die Bedeutung sich ständig anpassen kann.
Queerness in der Evangelischen Kirche
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat als einzige Landeskirche ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen ausgesprochen. "Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle haben in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN Diskriminierung erfahren", heißt es.
Die Kirche habe die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt, indem sie sich in der Vergangenheit einseitig auf ein "letztlich patriarchales Familienmodell" mit Vater und Mutter bezogen habe.
Entsprechende Äußerungen seien auch dann als Irrtum zu bezeichnen, wenn die Rechtsprechung seinerzeit noch diskriminierende Bestimmungen enthielt oder das Anliegen dem Schutz von Ehe und Familie galt. Menschen seien dadurch schwere Verletzungen zugefügt, und ihnen sei die geistliche Heimat in der Kirche genommen worden.
"Alle, denen wir damit Unrecht getan haben, bitten wir um Vergebung", heißt es in der Erklärung.
"Wir glauben heute: Homosexualität, Bisexualität, Trans- und Intersexualität, non-binäre und queere Lebensformen sind ein Teil der Schöpfung", bekräftigten die Synodalen.
Im Glauben an Jesus Christus seien Menschen mit all ihren Unterschieden erlöst und verbunden. Die EKHN verpflichte sich, "die bestehende Vielfalt von Geschlechtern, unterschiedlicher sexueller Orientierung und Lebensweisen anzuerkennen und zu fördern".
Kirchenpräsident Volker Jung nannte die Annahme der Erklärung "sehr bewegend". "Ich hoffe sehr, dass von dem Schuldbekenntnis wirklich Signale ausgehen", sagte er.
Nordkirche verankert Geschlechtergerechtigkeit gesetzlich
Mit großer Mehrheit hat die Landessynode der evangelischen Nordkirche Ende September 2023 das Kirchengesetz zur Berücksichtigung der Geschlechtervielfalt in zweiter Lesung angenommen. Mit dem Beschluss seien die Anerkennung und die Gleichberechtigung aller Geschlechter - weiblich, männlich, divers sowie nicht-binär - jetzt gesetzlich verankert, hieß es. "Ich bin froh, dass wir diesen Schritt nun vollzogen haben", sagte Präses Ulrike Hillmann nach der Abstimmung.
Ziele des Gesetzes seien neben der Gleichstellung von Frauen und Männern die rechtliche Anerkennung unterschiedlicher Geschlechtlichkeiten und vielfältiger Geschlechteridentitäten in der Nordkirche. Diese vollziehe damit rechtlich nach, was im staatlichen Recht bereits seit fünf Jahren Realität ist, sagte Hillmann. "Niemand darf aufgrund seiner Geschlechtlichkeit oder Geschlechteridentität diskriminiert werden. Alle Geschlechter sind in unserer Nordkirche willkommen!"
Das Gesetz war im Februar 2022 schon einmal beraten und damals in zweiter Lesung knapp gescheitert. Gegenüber dem damaligen Entwurf sei jetzt keine Änderung der Verfassung notwendig, hieß es. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht unter anderem eine geschlechtersensible Sprache vor.
Bei der Entsendung oder Berufung in Gremien sei zudem darauf zu achten, dass Menschen jeden Geschlechts angemessen berücksichtigt werden. Außerdem sollen Stellen künftig für Menschen jeden Geschlechts ausgeschrieben werden.
Statement der Evangelischen Jugend
Auch die Vollversammlung der Landesjugendkammer in Bayern hat sich unter ihrem neuen Vorsitzenden Malte Scholz eindeutig zu queerer Jugendarbeit, Diversität und Vielfalt positioniert. "Als evangelische Jugend sind wir uns bewusst, dass wir uns in der Vergangenheit schuldig gegenüber queeren Menschen gemacht haben", heißt es in dem Beschluss der Landesjugendkammer vom Juni 2023.
Das Jugendgremium der Evangelischen Jugend Bayern (EJB) befand es an der Zeit, ein klares Bekenntnis zu formulieren:
"Gott liebt queere Menschen! Queer sein geht nicht gegen Gottes Willen und ist keine Sünde."
Die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität eines Menschen sind in den Augen der Evangelischen Jugend keineswegs ausschlaggebend für die Beziehung zwischen Gott und Mensch.
"Liebe ist die Basis der Beziehung zwischen Gott und Mensch und kann daher niemals Sünde sein."
Auch will die Evangelische Jugend diskriminierungsfreie und diversitätssensible Räume schaffen, in denen sich junge Menschen aller Lebensformen sicher und wohlfühlen können. Für Scholz ist dieses Bekenntnis eine Selbstverständlichkeit: "Denn die Liebe Gottes kennt keine Kategorien. Sie ist allumfänglich."
Benötigen queere Menschen sichere Orte in der Kirche?
Die evangelische Hochschulpfarrerin Kerstin Söderblom hat beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg von der evangelischen Kirche gefordert, "queersensible Seelsorge" zu stärken und sichtbarer zu machen. Bis heute würden immer noch queere Menschen in Gemeinden Hilfe suchen, die mit Verletzungen und Mobbing Erfahrungen gemacht hätten, sagte die Mainzer Pfarrerin bei einem Podium im "Zentrum Geschlechterwelten und Regenbogen".
"Es muss deutlich werden, dass sie bei uns sichere Orte bekommen", sagte Söderblom.
Mit Material des epd
Kirche & Queer: Ein Lexikon
Der Begriff "queer" steht für Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist, sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind. In unserem Sonntagsblatt-Lexikon erklären wir die Begriffe – und erläutern, wie die evangelische Kirche zum Thema steht; oder wir stellen Personen vor, die sich mit einem der Begriffe identifizieren.
Hier geht es zum Sonntagsblatt-Lexikon "QUEER".
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