Frau Ermer, wie oft sind Sie denn noch in Fürth?

Lara Ermer: Eigentlich noch oft. Hier leben meine Familie sowie meine Freundinnen und Freunde, hier gibt’s ein Mal pro Monat die Lesebühne "Rooftop Stories". In Zeiten ohne Pandemie habe ich auch immer wieder versucht, die alte Heimat mit auf den Weg zu nehmen, wenn ich auf Tour war. Aber das bin ich derzeit ja leider nicht.

"Wer hat denn keine Hassliebe zu dem Ort, in dem man aufwächst?"

Eine Ihrer beliebtesten Nummern behandelt ja Ihre Hassliebe zur alten Heimat. Wie sieht die Resonanz dazu aus Fürth aus?

Ermer: Wer hat denn keine Hassliebe zu dem Ort, in dem man aufwächst? Jeder hat doch seine Ecken und Plätze in der Heimat, die ihn aufregen. Ich hätte es als komplett unehrlich empfunden, ein Loblied auf Fürth zu schreiben. Im Gegenteil, meine Nummer ist eine authentische Liebeserklärung an die Stadt.

Sie sind "im Schatten" der evangelischen Kirche St. Michael aufgewachsen. Was bedeutet sie Ihnen?

Ermer: Die ersten Kindheitsjahre erlebte ich ja noch in Nürnberg-Muggenhof, wir sind nach Fürth in die Altstadt gezogen, als ich schon Jugendliche war. "Schatten" klingt aber zu bedrohlich. Ich bin mit meiner Familie dort in ein wunderschönes Haus gezogen, das eher aufragt, wenn man die Gasse betritt, als der Kirchturm. Der gehörte aber freilich zu meinem Leben dazu. Wo wäre ich denn, wenn ich nicht alle Viertelstunde wüsste, wie spät es ist? Wenn ich an Orten bin, an denen keine Kirchenglocke läutet, verlier ich schnell mein Zeitgefühl.

Immerhin hat die Kirche beziehungsweise die Kirchengemeinde ja auch eine Rolle in Ihrer Karriere gespielt.

Ermer: Stimmt, ich hatte meinen ersten öffentlichen Auftritt 2013 bei einem Kirchen-Poetry-Slam in St. Michael. Das Praktische daran war, dass der Fluchtweg so kurz war, da ich ja gleich nebenan wohnte. St. Michael ist ein schöner Ort, ich mag die Atmosphäre dieser Kirche gerne. Sie hat jetzt zwar nicht die große Rolle für meinen weiteren Werdegang gespielt, aber einen wunderbaren Rahmen für meine Anfänge.

"Mich haben nach diesem Auftritt viele Menschen darauf angesprochen, die es gut fanden, dass ich über mein Körpergefühl und meine Scham gesprochen habe."

Ihre wohl bekannteste Bühnen-Nummer "Erdbeerwoche" beschäftigt sich mit der Menstruation und ist auch gleichzeitig das erste Kapitel des Buchs. Welche Bedeutung hat diese Story jetzt noch für Sie?

Ermer: Mich haben nach diesem Auftritt viele Menschen darauf angesprochen, die es gut fanden, dass ich über mein Körpergefühl und meine Scham gesprochen habe. Übrigens nicht nur Frauen. Damals habe ich gemerkt, ein Thema und einen Tonfall getroffen zu haben, der anscheinend auf Redebedarf beim Publikum gestoßen ist. Das Video dazu erhielt auf YouTube dann wahnsinnig viel Reichweite. Durch das viele positive und dankbare Feedback hatte ich Freude daran, mich weiter in dieser Richtung auszuprobieren. Der Lappan-Verlag hat mich letztlich darum gebeten, ein Buch rund um Körper-Themen oder Sex zu schreiben. Darin sind dann auch Teile von Bühnentexten mit eingeflossen, das meiste habe ich aber eigens für das Buch erarbeitet.

In der Widmung zum Buch stellen Sie Ihren Eltern frei, es zu lesen. Was haben die denn dazu gesagt?

Ermer: Ich wurde nicht enterbt, sie sind alle sehr stolz auf mich, aber wir haben jetzt nicht über die Details diskutiert. Die meisten Kinder haben keine Lust, sich ihre Eltern beim Sex vorzustellen. Genauso in Ordnung ist es, wenn Eltern nicht detaillierte Sex-Geschichten von ihrer Tochter lesen wollen.

Laufen Sie nicht Gefahr, auf solche als schlüpfrig empfundenen Themen festgelegt zu werden?

Ermer: Die Gefahr besteht auf jeden Fall. Wer mich aber darauf reduziert, hat sich nicht wirklich mit meiner Arbeit beschäftigt. Bevor ich mehr in den Comedy-Bereich getreten bin, habe ich zum Beispiel viele Gedichte performt und auch im Humorbereich beschäftige ich mich ja mit politischen oder auch psychologischen Themen. Und ich äußere mich ja auch zu tagesaktuellen Dingen. Ich werde mich aber auch zukünftig nicht davon abhalten lassen, beispielsweise über die Tamponsteuer zu reden, wenn mir danach ist.

"Natürlich gibt es Menschen und ja, auch viele Männer, die damit überfordert sind."

Sind es nicht oft Männer, die mit dieser offenen, starken Art, wie eine Frau persönliche Themen anspricht und kommentiert, überfordert sind und Kritik üben?

Ermer: Natürlich gibt es Menschen und ja, auch viele Männer, die damit überfordert sind. Das ist ihr gutes Recht. Die müssen mir einfach nicht zuhören. Es hat aber niemand das Recht, mir zu verbieten, über diese Dinge zu sprechen. Es gibt übrigens genau so oft Männer, die nicht überfordert sind, sondern meine Themen als Einladung sehen, mich unangenehm anzumachen und zu sexualisieren. Das finde ich viel schlimmer.

Wie schwierig ist es, einen der Spagat zwischen lyrisch gehaltvollem Inhalt und einer mitreißenden Bühnendarstellung hinzukriegen?

Ermer: Mir fällt der Vortrag auf der Bühne leicht. Dabei kann ich noch mehr von mir durch Mimik, Gestik und Sprachrhythmus mit einbringen. Manchmal ist es dadurch auch für das Publikum leichter meine kritischen Inhalte zu hören. Man sieht mich und denkt sich dabei hoffentlich, dass die da oben doch gar nichts Böses will, sondern den Gästen einen netten Abend bereiten möchte.

"Ich halte es für Quatsch, wenn behauptet wird, sogenannte politische Korrektheit mache den Humor kaputt."

Wie stehen Sie zur Diskussion um politische Korrektheit im Kabarett?

Ermer: Ich halte es für Quatsch, wenn behauptet wird, sogenannte politische Korrektheit mache den Humor kaputt. Wenn man gut ist, dann schafft man es, witzig zu sein, ohne in Kerben zu schlagen, in die man nicht mehr schlagen muss.

Mit 25 Jahren haben Sie schon viel erreicht. Wo möchten Sie noch hinkommen?

Ermer: Das kann ich ehrlicherweise nicht sagen. Ich habe ja bis vor Kurzem und auch mit Abschluss Psychologie studiert und immer gesagt, dass ich meine Auftritte als Nebenjob mache. Aber derzeit habe ich mega Spaß daran, mich auszutoben und zu sehen, wie weit die Reise noch geht. Wenn irgendwann mal Schluss sein sollte, gehe ich in tiefer Dankbarkeit von der Bühne.

 

"Ein offenes Buch – Von idealen Körpern, perfektem Sex und anderen Mythen" von Lara Ermer ist im Hamburger Lappan-Verlag erschienen und kostet zehn Euro (ISBN 978-3830335924).