Dem Ländermonitor "Frühkindliche Bildungssysteme 2019" zufolge kam auf 3,7 Krippenkinder unter drei Jahren eine Fachkraft, im Kindergarten waren es 8,4 Kinder pro Erzieherin und Erzieher. Der Evangelische Kita-Verband in Bayern forderte als Konsequenz aus der Studie mehr Personal für die Kitas, Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) kritisierte die Bertelsmann Stiftung für die Studie scharf.

Die bayerischen Zahlen sind allerdings besser als noch vor sechs Jahren. Beim Ländermonitor von 2013 hatte der durchschnittliche Anstellungsschlüssel in Krippen noch bei 1 zu 3,9 und im Kindergarten bei 1 zu 9,1 gelegen. Auch im bundesweiten Vergleich steht Bayern nicht schlecht da, der bundesweite Durchschnitt liegt in Krippen bei 1 zu 4,2 sowie bei 1 zu 8,9 in Kindergärten - und damit über den Quoten im Freistaat. Allerdings sind die Zahlen noch weit von den Schlüsseln entfernt, die die Stiftung empfiehlt. Dieser liegt im Krippenbereich bei 1 zu maximal 3,0 und im Kindergarten bei maximal 1 zu 7,5.

Hinzu komme, dass dies nur der Betreuungsschlüssel auf dem Papier sei. Der tatsächliche Schlüssel liege deutlich darüber wegen Urlauben, Krankheiten, Elterngesprächen und Bürokratie. Kathrin Bock-Famulla, Bildungsexpertin der Bertelsmann Stiftung, sieht Handlungsbedarf in Bayern. Der zusätzliche Personalbedarf sei hoch. Um eine kindgerechte Betreuung sicherzustellen, bräuchte es 7.200 zusätzliche Vollzeitstellen in den Kitas.

Würden alle Vorgaben der Stiftung umgesetzt, müssten in Bayern pro Jahr 623 Millionen Euro mehr in die Kitas investiert werden. Davon blieben dann rund 310 Millionen am Freistaat hängen.

Sozialministerin Schreyer sagte, die Bertelsmann Stiftung versuche jedes Jahr aufs Neue, "mit willkürlich gesetzten Zielgrößen" für einen Personalschlüssel die Politik, die Eltern und die Kita-Mitarbeitenden in Bayern zu verunsichern. Denn mit dieser Herangehensweise werde das "differenziertere bayerische Fördersystem" nicht erfasst, sagte Schreyer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man habe bereits Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung angestoßen - und mit dem neuen Leitungs- und Verwaltungsbonus sorge man genau dafür, dass Kita-Leitungen entlastet werden und mehr Zeit für pädagogische Arbeit haben.

Der evangelische Kita-Verband in Bayern sieht sich in seiner Kritik an der Familienpolitik der Staatsregierung durch die Studie bestätigt.

"Eltern wollen vor allem gute Kitas, keine billigen"

Der zweite Vorstand Dirk Rumpff vom Evangelischen Kita-Verband in Bayern erläutert im Interview, weshalb er die Kita-Beitragszuschüsse der Staatsregierung für falsch hält und stattdessen lieber mehr Personal in Kitas sähe.

Herr Rumpff, die Bertelsmann Stiftung sagt, die Kita-Betreuung in Bayern sei im Hinblick auf die Betreuungsschlüssel nicht kindgerecht. Kann man das aus Ihrer Sicht so stehenlassen?

Rumpff: Auf jeden Fall brauchen wir in den bayerischen Kitas weitere qualitative Verbesserungen. Die Anforderungen ans Personal haben sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht - die Kinder sind heute früher und länger pro Tag in der Kita. Die Finanzierung ist bei dieser Entwicklung nicht angemessen mitgewachsen. Gerade in Bayern stellen wir fest, dass es sehr große regionale Unterschiede gibt. Es sollte aber nicht vom Wohnort abhängen, ob es qualitativ gute Kitas gibt.

Die Zahl der Kita-Fachkräfte hat sich zwischen 2008 und 2018 massiv erhöht, aber auch die Zahl der Kita-Kinder - woher sollen die zusätzlich benötigten 7.200 Kräfte denn kommen?

Rumpff: Die Zahl der Fachkräfte zwischen 2008 und 2018 in Bayern ist stark gestiegen - und auch deutlich stärker als die Zahl der Kinder. Und trotzdem sehen wir, wie übrigens viele andere Experten auch, weiteren Verbesserungsbedarf. 7.200 zusätzliche Vollzeit-Fachkräfte sind schon eine enorme Herausforderung. Aber man sieht gerade an den Zahlen der vergangenen zehn Jahre, dass so etwas durchaus zu meistern ist. Es gibt viele Menschen, die gerne im Kita-Bereich arbeiten würden. Gute Rahmenbedingungen helfen auch, den Fachkräftemangel zu beheben.

Die Staatsregierung rühmt sich gerne für ihre Familienpolitik. Beitragszuschüsse, Familiengeld, Förderprogramme - was fordern Sie als Verband darüber hinaus vom Freistaat?

Rumpff: Wir halten die familienpolitische Prioritätensetzung der bayerischen Staatsregierung für falsch. Die Bertelsmann-Studie sagt, es gibt eine Finanzierungslücke von 310 Millionen Euro, wenn man alle Forderungen beim Betreuungsschlüssel und der Freistellung von Kita-Leitungen umsetzen würde. CSU und Freie Wähler setzen nun aber vor allem auf das Thema Beitragszuschüsse - die unterm Strich wesentlich teurer sind. Aber Eltern wollen vor allem gute Kitas, keine billigen.

 

Während sich eine Krippenfachkraft beispielsweise im Landkreis Regen im Schnitt um 5,6 Kinder unter drei Jahren kümmern muss, sind es in Straubing rechnerisch nur 2,3 Kinder. Bundesweit sei dies "die größte regionale Spannweite" zwischen Krippengruppen. Bei Kindergärten sei das Gefälle sogar noch größer. So liege etwa der Anstellungsschlüssel im Landkreis Kulmbach im Schnitt bei einer Fachkraft für 11,4 Kinder über drei Jahren - im Landkreis Weilheim-Schongau seien es hingegen nur 7,4 Kinder pro Fachkraft. Stiftungs-Vorstand Jörg Dräger mahnte daher "kindgerechte Personalschlüssel in allen Regionen" an.

Der bundesweite Ländervergleich der Stiftung zeigt ein großes Gefälle: Den besten Personalschlüssel weisen laut Studie seit Jahren die Kitas in Baden-Württemberg auf, wo nach derzeitigem Stand eine Erzieherin je drei Krippenkinder beziehungsweise sieben Kindergartenkinder betreut. Schlusslicht bei den jüngeren Kindern ist Sachsen (1 zu 6,2) und bei den älteren Kindern Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 13,2). Stiftungs-Chef Dräger forderte angesichts dieser Zahlen im "Gute-Kita-Gesetz" des Bundes verbindliche Vorgaben für kindgerechte Betreuungsverhältnisse.