Stephan Amend wirkt auch Tage später noch etwas ratlos. "Ich hatte eine solche Diskussion nicht erwartet", sagt der erste Bürgermeister von Partenstein im Spessart: "Das war für mich eine reine Formsache." Viele Gemeinderäte sahen das offenbar anders. Inzwischen diskutiert die ganze Kommune darüber. Der evangelische Kirchenvorstand hatte beantragt, den seit jeher namenlosen Dorfplatz anlässlich der 500-jährigen Reformationsfeier in Martin-Luther-Platz umzubenennen. Das gefällt in Partenstein nicht allen.
Früher Mehrheit Protestanten
Pfarrer Michael Nachtrab versteht die ganze Aufregung nicht. Die Diskussion im Gemeinderat Ende Juni sei zumindest "seltsam" gewesen und am eigentlichen Kern des Ganzen vorbeigegangen. "Ich dachte, die konfessionelle Polemik, die Luther als Kirchenspalter verunglimpft hat, gehört inzwischen der Vergangenheit an", sagt er mit resigniertem Unterton. Doch dem sei offenbar nicht so. Luthers Bibelübersetzung etwa sei wegweisend und grundlegend für die Entstehung des Hochdeutschen gewesen. Selbst in Rom gebe es heute einen Martin-Luther-Platz.
Die Ökumene in Partenstein sei gut, findet Nachtrab. Alle zwei Jahre führe man seit 2009 zum Beispiel ein durchaus kritisches Lutherspiel auf – der katholische Pfarrer übernehme jedes Mal eine Rolle. Der Dorfplatz liege genau zwischen der Straße und der evangelischen Christuskirche. "Wir haben den Vorschlag im Kirchenvorstand diskutiert und anschließend ganz formell einen Antrag bei der Gemeinde für eine Umbenennung des Platzes eingereicht", erläutert Nachtrab. Doch statt erst einmal über die Idee zu diskutieren, lag dem Gemeinderat gleich eine Beschlussfassung zu dem Thema vor.
Heiko Steigerwald sitzt zugleich im Kirchenvorstand und im Gemeinderat. "Es war vielleicht nicht so klug, das gleich als Beschlussvorschlag in die Sitzung einzubringen", sagt er. Schließlich habe der Kirchenvorstand bei dem Thema keinen Alleingang ohne Diskussion gewollt – und schon gar nicht habe man katholische Mitchristen vor den Kopf stoßen und all das wie eine klammheimliche Aktion aussehen lassen wollen. Dieser Eindruck aber ist offenbar bei vielen katholischen Partensteinern entstanden. Die katholischen Gemeindeglieder diskutierten bereits vor der Ratssitzung bei ihrem Johannisfeuer intensiv über den Vorstoß der Protestanten.
Der Frammersbacher katholische Pfarrer Bernhard Albert, der auch für die Nachbargemeinde Partenstein zuständig ist, kann diesen Missmut seiner Gemeindeglieder bestätigen – und hat auch Verständnis dafür. Er habe bislang noch keine Gelegenheit gehabt, selbst mit seinem Kollegen Nachtrab oder dem Bürgermeister zu sprechen, sagte er: "Ich halte das Ansinnen des evangelischen Kirchenvorstands aber grundsätzlich für wenig hilfreich und für nicht klug." Zum einen habe Luther mit der Region Partenstein nichts zu tun: "Er war nie hier, nicht mal in der Nähe." Zum anderen sei die konfessionelle Geschichte Partensteins kompliziert.
"Aber natürlich gibt es auf jeder Seite einige Verbohrte."
Anders gesagt: Katholiken und Evangelische waren sich im einst fast ausschließlich protestantischen Partenstein in der Vergangenheit nicht besonders grün. "Das ging auch über das übliche Maß hinaus", betont Pfarrer Albert. Eine Sichtweise, die der Bürgermeister so nicht teilt: "Klar haben die Evangelischen früher an Fronleichnam aus Boshaftigkeit Mist gefahren und die Katholiken extra am Buß- und Bettag Fenster geputzt, aber das ist lange her." Heute jedenfalls, wo Partenstein zu knapp 46 Prozent evangelisch und 42 Prozent katholisch sei, gebe es so etwas nicht mehr: "Aber natürlich gibt es auf jeder Seite einige Verbohrte."
Ob der Dorfplatz nun bis 2017 noch des Reformators Namen bekommt? Pfarrer Nachtrab hofft es, Bürgermeister Ahmend will dazu keine Prognose abgeben. Und wann er das Thema das nächste Mal auf die Tagesordnung für eine Ratssitzung setzen wird, weiß er auch nicht: "Vorher sollten sich die Gemüter vielleicht auf allen Seiten beruhigen." Im Moment sieht es allerdings nicht danach aus. Das Leserbriefschreiben für die Lokalzeitung hat gerade erst begonnen.