Jahrelang hatte der weltweite Waffenhandel abgenommen – bis 9/11 den Umbruch brachte: Allein in den vergangenen fünf Jahren sei der Waffenhandel weltweit um zehn Prozent gestiegen, erklärte Rüstungsgegner Jürgen Grässlin in Regensburg.

Deutschland belege den fünften Platz unter den größten Waffenlieferanten weltweit: USA, Russland, Frankreich und China. 2015 habe Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Waffenexporte im Wert von 12,8 Milliarden Euro (2014: 6,5 Mio.) genehmigt. Und das, obwohl das Außenwirtschaftsgesetz Waffenexporte nur in Nato-Staaten und der Nato assoziierte Staaten wie die Schweiz, Neuseeland, Japan und die EU-Staaten erlaube, so Grässlin. 2017 machten die Ausfuhren in Drittländer bereits 60 Prozent aus.

Bayern als Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie

"Hier liegt ein permanenter Rechtsbruch vor", wenn die deutsche und maßgeblich bayerische Rüstungsindustrie in Länder wie Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Algerien und viele andere Drittländer liefert.

Bayern sei dabei das Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie. Vier der großen sechs Rüstungskonzerne sitzen in Bayern, allen voran Airbus (ein deutsch-französischer Konzern), MDBA in Schrobenhausen, die Firma Diehl in Nürnberg, die militärisch mit BGT Defence in Baden-Württemberg produziere. Nicht zuletzt der größte Panzerbauer in Deutschland: die Firma Krauss-Maffei Wegmann mit Sitz in München, die Tausende von Leopard-Panzern in alle Welt liefere.

Typisch für die deutsche Rüstungsindustrie ist laut Grässlin, dass sie verfeindete Staaten mit denselben Waffensystemen versorge. Außerdem würden Kriegswaffen massiv an Christenverfolgungsstaaten geliefert. "Die Bundesregierung sorgt dafür, dass das salafistische Herrscherhaus in Riad bestehen bleibt."

Mehr Transparenz gefordert

Grässlin forderte mehr Transparenz. Daten, die im Rüstungsexportbericht publiziert werden, stimmten oft nicht. 2010 brachte Jürgen Grässlin eine illegale Waffenlieferung von 4700 Sturmgewehren des Typs G36 zur Strafanzeige, die die Waffenschmiede Heckler & Koch nach Mexiko geliefert hatte. Die Informationen stammten von einem Whistleblower. "Es bestehen extreme Unterschiede zwischen dem, was die Bundesregierung propagiert und realiter liefert."

Die bayerischen Hochschulen seien an der Misere nicht unschuldig: Sie forschen auch für die Rüstungsindustrie. Dass es dabei um Drittmittel in Millionenhöhe geht, macht eine bisher unveröffentlichte Landtagsanfrage der Grünen deutlich. Auszüge daraus liegen dem Sonntagsblatt vor.

Auftragsforschung an Universität

Daraus geht hervor, dass die Universität Regensburg in den Jahren 2004 bis 2006 insgesamt 225 000 Euro an Drittmittelzuwendungen bzw. Mittel im Rahmen der Auftragsforschung vom Bundesverteidigungsministerium erhalten hat. Es ging dabei um "wehrmedizinische Forschung". "Wer hier genau an was geforscht hat, ist nicht bekannt", sagte der Regensburger Daniel Gaittet, Vorstandsmitglied des Bunds demokratischer Wissenschaftler, der das Co-Referat hielt. Grundsätzlich bezeichnete er die Recherche beim Thema Rüstung als "schwierig". Statt mit Transparenz werde man "mit Verschlusssachen und Geheimhaltungsklauseln" konfrontiert.

Auch an der OTH Regensburg sind in den vergangenen Jahren insgesamt 16 Projekte bekannt geworden. Auch sie werden in der Landtagsanfrage aufgelistet.

Das Gesamtvolumen der Projekte beträgt 75 000 Euro. Die relativ geringe Summe könne aber nicht über die Bedeutung der Forschung hinwegtäuschen. Bei der Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen und Universitäten handle es sich "häufig nur um Splitter von Projekten", deren eigentliche Anwendung den Forschenden oft selbst nicht bekannt sei, erklärte Gaittet. "Die gesammelten Erkenntnisse aus den einzelnen Splittern werden an anderer Stelle zusammengeführt."

Zu den Auftraggebern gehören neben anderen die Universität der Bundeswehr in München, Airbus Defence & Space, die Eurocopter Deutschland GmbH bzw. seit 2013 die Airbus Helicopters Deutschland GmbH.

Anfang Juli ist im Wissenschaftsausschuss des Landtags eine Anhörung zu diesem Thema geplant.

 

INFO

Jürgen Grässlin (60) ist Vorsitzender des Rüstungsinformationsbüros Freiburg, Mitbegründer der Kritischen Aktionäre bei Daimler, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigung der KriegsdienstgegnerInnen, Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei – stoppt den Waffenhandel", darunter 60 Prozent kirchliche Organisationen. Zum Standardwerk wurde sein "Schwarzbuch Waffenhandel: Wie Deutschland am Krieg verdient". Er wurde mehrfach ausgezeichnet, im Jahr 2011 erhielt er den Aachener Friedenspreis.