Gelbe Wimpel mit Drachen, bunte Lampions, Folkloremusik, dazu Fußgruppen im bunten Gewand oder auf einer Rikscha fahrend: Am Unsinnigen Donnerstag (27. Februar) wird in Dietfurt an der Altmühl (Kreis Neumarkt in der Oberpfalz) der Chinesenfasching gefeiert. Sein Narrenruf lautet "Kille Wau".
Bei diesem Spektakel, das jedes Jahr etwa 18.000 Besucherinnen und Besucher in die 6.000-Einwohner-Gemeinde zieht, werden viele kulturelle Stereotype zur Schau gestellt.
Rassismus-Kritik und wie die Stadt reagiert
Zwar kommen auch Menschen aus China, um das bunte Treiben in "Bayrisch-China" zu erleben. Es gibt jedoch auch massive Kritik an der Veranstaltung. Schon vor etwa sechs Jahren hatten die viet-deutschen Journalistinnen Vanessa Vu ("Zeit") und Minh Thu Tran ("Deutschlandfunk", WDR) das Event selbst sowie die aus ihrer Sicht unkritische Berichterstattung des BR darüber kritisiert.
Sie sprachen mit Blick auf den Bericht von einem "Tutorial für Yellowfacing" und erklärten zum Chinesenfasching selbst:
"Menschen auf ihre vermeintlichen 'ethnischen' Merkmale zu reduzieren und dann zu persiflieren – ich habe noch nie verstanden, warum Menschen das einfach ok finden".
In einem Interview mit dem Newsportal "watson" führten sie aus, dass sie es akzeptierten, dass die Veranstaltung vielen Menschen wichtig sei und dass auch einige Menschen in China ihn witzig fänden. Doch in ihrem aktuellen Zustand sei sie einseitig: Die einen machten sich auf Kosten der anderen lustig. "Das geht bestimmt besser."
Bürgermeister Bernd Mayr (Freie Wähler) kommentiert die Kritik so:
"Ich finde, dass es jetzt auch mal gut sein muss mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung. Wir sind doch keine Rassisten, sondern weltoffene Menschen."
Die Stadtverwaltung hat auf die Kritik jedoch reagiert, indem sie einige Änderungen vorgenommen hat. So wurden ältere Internetbilder mit gelb geschminkten Gesichtern entfernt. Auch beim Faschingsumzug mit Fußgruppen und Wagen sollen keine mehr zu sehen sein. Verhindern könne die Stadt allerdings nicht, dass sich vielleicht Besucherinnen und Besucher gelb anmalten, sagt der Bürgermeister. Aber die asiatisch anmutenden Kostüme würden jetzt aus "Originalstoffen aus China" herstellt, um deren Kultur auch zu würdigen. "Alles soll so authentisch wie möglich sein."
Chinesenfasching gehört zu bekanntesten Faschingsveranstaltungen in Bayern
Der Chinesenfasching gehört zu den bekanntesten Faschingsveranstaltungen in Bayern. Am Unsinnigen Donnerstag bewegt sich ein rund 1500 Teilnehmer zählender Umzug mit Kaiserpaar in Richtung Stadtplatz, wo ein "Empfang vor dem Thron" den Höhepunkt bildet. Derzeit regiert das Kaiserpaar "DaKaRe" und "DiMucki" in Bayrisch-China. Im bürgerlichen Leben heißen sie Karl und Regina Donauer.
Morgens in der Früh schlüpfen die beiden in ihr goldfarbenes Kaisergewand, das eine Schneiderin für sie maßgefertigt habe, erzählt Karl Donauer. Dazu gehört auch ein wertvoller Kopfschmuck. Das Schminken übernimmt das Kaiserpaar selbst: "Es fällt aber nicht mehr so knallgelb wie früher aus." Mit den beiden Dietfurtern sitzen seit 2020 zwei Faschings-Urgesteine auf dem Kaiserthron. Im Ort kennen ihre Namen sogar die Kleinsten im Kindergarten. "Sie werden in den Fasching hineingeboren", sagt Bürgermeister Bernd Mayr.
Die Tradition des Chinesenfaschings wird von Generation zu Generation weitergegeben. Schon im November rattern allerorten die Nähmaschinen, wenn Vereine und Gruppen aus Dietfurt und den umliegenden Dörfern wieder ihre Kostüme zu schneidern beginnen. Kinder- und Erwachsenengarde, ja sogar Sportvereine leisten ihren Beitrag. "Da ist die ganze Großgemeinde beteiligt - und das stärkt den Zusammenhalt", sagt eine Dietfurterin und frühere Stadtangestellte.
Hintergrund der Tradition
Der Chinesenfasching in seiner heutigen Form wird seit den 1950er Jahren in Dietfurt gefeiert. Er spielt auf den historischen Necknamen "Chinesen" für die Dietfurter an und wird seit dem frühen 20. Jahrhundert als Faschingsmotto umgesetzt. Der Bischof von Eichstätt schickte einst seinen Kämmerer nach Dietfurt, damit er dort die Steuern eintreibe. Die Dietfurter ließen ihn nicht die Stadttore und der Kämmerer berichtete dem Bischof verärgert, die Dietfurter verschanzten sich "wie die Chinesen hinter ihrer Mauer".
Die um 1450 entstandene Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen ist zum Teil noch erhalten. Der mächtige Goggerturm ist bis heute das Wahrzeichen der Stadt. Seit März vorigen Jahres gehört der Chinesenfasching nun zum immateriellen Kulturerbe Bayerns. "Die bewusste Pflege und und Wertschätzung dieser besonderen Kultur in unserer Heimat fördert das Verständnis und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl", begründete Bayerns Heimatminister Albert Füracker die Auszeichnung.
Die chinesische Kultur steht nicht nur am Unsinnigen Donnerstag im Fokus der Dietfurter. Mit der Partnerstadt Nanjing (fast 10 Millionen Einwohner, Stand 2020) gebe es "einen regen Kulturaustausch", erläutert der Rathauschef. Im vergangenen Jahr sei der Dietfurter Fasching sogar im chinesischen Staatsfernsehen übertragen worden, das hätten "325 Millionen Chinesen" gesehen.
Einige von ihnen lassen es sich nicht nehmen, das Faschingstreiben live und vor historischer Kulisse zu erleben. Jedes Jahr entsenden chinesische Kulturvereine Delegationen nach Dietfurt. Wie sein Vorgänger im Amt hat auch der neue Generalkonsul der Volksrepublik China, Qiu Xuejun, aus München, der seit Januar im Amt ist, seinen Besuch angekündigt.
(om/gi/epd)