Der Erfahrungsbericht einer Alkoholkranken, den Sozialpädagogin Svenja Memet kürzlich im Archiv gefunden hat, hört sich an, wie einer aus der Gegenwart. Er stammt aber aus dem Jahr 1985. Darin beschreibt eine Frau, wie sie langsam vom "normalen Trinken" in eine Abhängigkeit gerutscht ist.

Zuerst war es eine Mischung aus Genuss und manchmal Langeweile, zu der sich später der Griff zur Flasche als vermeintlicher Sorgenlöscher gesellte. Jahrelang hatte sie sich und ihre Familie belogen. Bis eine gute Freundin endlich so viel Druck machte, dass die Frau zur Suchtberatung ging. "Erschreckend, oder? Das erleben wir ständig", sagt Memet.

Mehr als die Hälfte hat Probleme mit Alkohol

Ulrike Schmeisser kennt solche Geschichten nicht nur aus ihrer Arbeit, sondern weiß als erfahrene Suchtberaterin und Psychologin auch, welche Mechanismen sich im Kopf einer alkoholkranken Person abspielen. Seit Januar 2022 leitet sie die Beratungsstelle, die zuvor von Karin Ernst seit deren Gründung geleitet wurde. "Mehr als die Hälfte unserer Klienten haben Probleme mit Alkohol", sagt sie zur Volksdroge Nummer 1. Im Laufe der Jahrzehnte waren es anfangs Cannabis, dann Kokain, später Opiate und sogenannte Partydrogen wie Ecstasy, heute Opioide und Kräutermischungen, die je nach Zeitgeist mit auftauchten.

Kollegin Jasmin Schmidt zeigt ein altes Schild, das noch am früheren Gebäude der Diakonie in Weißenburg hing, bevor 2018 der Umzug in das neue Zentrum in der Schulhausstraße stattfand: "Drogenberatung um die Ecke" steht darauf. "So locker wurde das früher mal genommen", schmunzelt sie und fügt hinzu, dass der Begriff "Droge" meist in die Irre führt, weil viele Süchtige gar nicht von Sucht sprechen würden. Es gebe beispielsweise auch Glücksspielsucht. Für solche Klienten ist Christopher Sand verantwortlich, der gemeinsam mit Theresa Halbmeyer und Rebecca Grimm das Team der Sozialpädagogen komplett macht. Susanne Krischdat steht ihm in der Verwaltung zur Seite.

Suchtberatung muss Allrounder sein

Rund 100.000 Menschen leben im fränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen auf einer Fläche von knapp 1.000 Quadratkilometern. Ein großer Wirkungskreis, in dem sich eine Stelle wie die Suchtberatung der Diakonie bewegt und gar nicht anders kann, als einfach alles anzubieten. "Wir sind tatsächlich Allrounder und müssen uns anders aufstellen, als das beispielsweise in den großen Städten mit einzelnen Fachberatungsstellen möglich ist", erklärt Geschäftsführer Martin Ruffertshöfer. Mit ein Grund, weshalb man seit einigen Jahren schon eine ambulante Rehabilitationsstelle mit der Diakonie Roth-Schwabach und seit Kurzem einen Therapieverbund mit der Stadtmission Nürnberg unterhält.

Stolz ist die Suchtberatung auf ihre Präventionsstelle, die bereits seit 1987 zu der Einrichtung gehört. Die regelmäßige Nachsorge nach erfolgreichen Suchtberatungen gehört genauso ins Portfolio. Zudem gibt es Gesprächsgruppen auch für Familienangehörige und Freunde. Selbstverständlich ist es auch für das Suchtberatungsteam, seine Klienten in den Kliniken in Weißenburg oder Ansbach zu besuchen. "Nicht jedem kann man ambulant helfen. Manche kriegen ihr Leben erst nach einem stationären Aufenthalt wieder auf die Reihe", meint Ulrike Schmeisser.

Wenn es auch Sucht seit Menschengedenken gibt, wird immer wieder nach neuen Ansätzen gesucht, den Menschen zu helfen. Auch medial: Bald geht der Podcast "Rauschplausch" auf Sendung.