Täter aus Deutschland, die sich online Live-Kindesmissbrauch am anderen Ende der Welt bestellen. Sonderermittler, die Tausende Missbrauchs-Bilder und -Videos begutachten müssen. "Das ist eine der Schattenseiten der Digitalisierung", sagte der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Montag in München. Kinderpornografie werde über das sogenannte Darknet weltweit digital gehandelt. Doch die Justiz im Freistaat hält laut Eisenreich dagegen.

Neu gegründetes "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet"

Kindesmissbrauch sei ein "abscheuliches Verbrechen". Jede Tat sei "eine zu viel, hinter jedem Bild steht unfassbares Leid", sagte Eisenreich bei einer Pressekonferenz, um eine erste Bilanz des vor rund einem Jahr gegründeten "Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet" (ZKI) zu ziehen. An das ZKI können sich Ermittler aus ganz Bayern wenden, wenn Ermittlungen in dem Bereich komplex oder zeitaufwendig werden.

Die Bilanz nach einem Jahr ZKI sei enorm erfolgreich, sagte Eisenreich. Alleine im bisherigen Jahr 2021 habe es 2.728 Verfahren wegen Kinderpornografie oder sexuellen Kindesmissbrauchs "gegen bekannte Täter" geführt. 2019 habe die Zahl bayernweit noch bei 947 und 2020 bei 1.122 gelegen. Für ZKI-Chef, Generalstaatsanwalt Thomas Goger, allerdings kein Grund zur Entwarnung: "Wir sind bei der Ausleuchtung des Dunkelfeldes mit Sicherheit immer noch mehr am Anfang als am Ende."

Vergangenes Jahr hat die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, bei der das ZKI als Teil der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) angedockt sei, 159 Anklagen wegen Kinderpornografie oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern erhoben. Aktuell befänden sich acht Personen in Verfahren des ZKI in Untersuchungshaft, sagte Eisenreich: "Wer solche Straftaten begeht, kann sich in Bayern nicht sicher fühlen." Bayern setze sich seit Jahren für Verschärfungen in diesem Bereich ein.

Verschärfungen der Gesetze und bessere Überwachungsmaßnahmen sind dringend erwünscht

Konkret forderte Eisenreich die Wiedereinführung der Verkehrsdatenspeicherung. Die auch als Vorratsdatenspeicherung bekannte Praxis hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 gekippt. Der Minister sagte, er wolle keinen Überwachungsstaat und auch keinen gläsernen Bürger - aber es könne auch nicht sein, dass deutsche Ermittler Hinweise aus dem Ausland auf aktuelle Missbrauchsdaten bekämen, den IP-Adressen mangels Datenspeicherung aber keine Personen zuordnen könnten.

Auch Generalstaatsanwalt Goger sagte, in diesem Bereich müsse sich rechtspolitisch "dringend etwas tun", außer die Gesellschaft sei weiterhin bereit, zu akzeptiere, dass "einige Missbrauchsfälle von vorneherein nicht aufgeklärt werden können". Zudem berichtete er davon, dass es bei den Tätern "leider keine Grenzen" gebe, was das Alter der Kinder oder auch die Brutalität angehe. Für die Ermittler sei dies oft schwer zu ertragen, seine Mitarbeitenden gäben jeden Tag alles, um Täter zu finden.

Erfolgreiche Arbeit des ZKI

Goger schilderte auch mehrere Beispiele, in denen die Arbeit des ZKI erfolgreich war. So wurde ein Mann aufgespürt, der mehrfach sexuelle Kindesmisshandlungen auf den Philippinen bestellt hatte. Im April 2021 sei der Mann in München zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Um zu verdeutlichen, wie wenig die misshandelten Kinder den Tätern wert seien, sagte Goger: "Für diese Livestreams wurden 20 bis 30 US-Dollar gezahlt." Der Mann habe versucht, die Preise zu drücken.

Anfang November sei zum Beispiel ein Mann in Ingolstadt auf Veranlassung des ZKI festgenommen worden. Dieser habe in Darknet-Foren, also in einem nicht frei zugänglichen Teil des Internets, nach einer Mutter gesucht, die ihr sechs- bis zwölfjähriges Mädchen "zum Kuscheln und so" zur Verfügung stelle, erläuterte Goger.