Der Münchner Claudius-Verlag hat sein Herbst-Programm nicht nur optisch verändert. Neben einer klaren Linie in der Aufmachung der Titel setzt Verlagsleiter Martin Scherer auch ganz auf die Textform des Essays. Inhaltlich geht es um Religion, Gesellschaft und Philosophie - mit wechselnden Facetten und Schwerpunkten, von Sorge über Stolz bis zur Erotik.

Herr Scherer, Sie haben mit ihrem Herbst-Programm dem Claudius-Verlag eine neue Ausrichtung gegeben? Warum und wohin?

Martin Scherer: Wir wollten die Wiedererkennbarkeit unserer Sachbücher stärken und haben deshalb ein neues, einheitliches Coverdesign entwickeln lassen: modern, klar erkennbar und farblich nuanciert. Einheitlich ist die essayistische Textform. Immer gut lesbar, aber niemals unterkomplex. Thematisch setzen wir weiter auf Religion, werden aber auch verstärkt philosophische und gesellschaftliche Fragen verhandeln.

"Nicht einmal die Erfahrung von Seuche und Krieg scheint das religiöse Bewusstsein reanimieren zu können."

In seinem Buch "Philosophie der Sorge" beschreibt Boris Groys, dass die Medizin heute die Rolle der Religion übernehme - arg zugespitzt, oder?

Finden Sie? Säkulare Gesellschaften erkennen, durchaus nachvollziehbar, im langen, glücklichen und gesunden Leben das höchste Gut. In Sachen Selbstoptimierung hat die Medizin, aber auch die Psychologie, gegenwärtig einen klaren Relevanzvorsprung im Vergleich zur Religion. Nicht einmal die Erfahrung von Seuche und Krieg scheint das religiöse Bewusstsein reanimieren zu können.

Außerdem sind in Ihrer neuen Essay-Reihe "Erotisches Philosophieren" und "Über den Stolz" erschienen. Worum geht in den beiden Werken?

Olivia Mitscherlich umkreist die Frage nach einem gelingenden Leben in Form des Dialogs. Leserinnen und Leser erleben Erkenntnis als lebendigen und lebhaften Prozess des Austauschs von Argumenten, Erfahrungen und Perspektiven. Erotik bedeutet Sich-Einlassen auf das Fremde. In Henning Theißens Essay geht es um das Thema Stolz. Eine Tugend, ein Laster oder gar eine Todsünde? Dabei beschäftigt ihn besonders die Frage: Bis wohin ist Stolz gesund?