Draußen ist es drückend heiß, in den Cafés rund um den Neustädter Kirchplatz wird munter Eis gegessen, Kaffee getrunken und Siesta gemacht. Während viele Türen heute eher geschlossen bleiben, um die Hitze aus dem Haus zu halten, steht die Tür zur Chorkapelle der Neustädter Kirche sperrangelweit auf. Und macht den Blick frei auf acht kleine, quadratische Schreibtische samt Steckdosen, die halbkreisförmig in der Chorkapelle stehen.

Kühlen Kopf bewahren 

"Glühende Birne" heißt das Projekt, das vergangene Woche in der Neustädter Kirche gestartet ist. Das Ziel: Studierenden dabei zu helfen, in der Prüfungsphase trotz hoher Temperaturen einen kühlen Kopf zu bewahren. Und dafür wurde die Neustädter Kirche kurzerhand in einen nachmittäglichen Coworking-Space umfunktioniert.

Die Idee für das Projekt hatten Wolfgang Leyk, Pfarrer der Neustädter- und Universitätskirche, und Leonie Flieger. Sie ist siebzehn Jahre alt und engagiert sich schon seit 2019 in der Neustädter Kirche. "Wir haben uns zur gleichen Zeit ähnliche Gedanken gemacht, wie wir diesen Raum für die Allgemeinheit nutzen können und uns dann quasi in der Mitte getroffen", erzählt Leyk.

Alternative zur Bibliothek

Die Fußnähe zur Universität ist ein großer Vorteil der Neustädter Kirche. In der sommerlichen Prüfungsphase gegen Ende der Vorlesungszeit ist die Bibliothek meistens überfüllt - die Idee war es deshalb, ein Gegenangebot zu setzen und Studierende dazu einzuladen, stattdessen in der Kirche zu lernen.

"Durch das alte Gebäude bleibt es hier zum Glück auch an den heißen Tagen relativ kühl. Das würden wir gerne mit den Studierenden teilen",

so Flieger. Und dafür muss auch niemand einen Umweg gehen: "Wer zur Mensa, zur Bibliothek oder Kaffee holen geht, kommt direkt an unserer Tür vorbei. Und wir wollen zeigen, dass unsere Türen offen sind!"

Um ihre Idee umzusetzen, haben Leyk und Flieger dann erst einmal das Internet nach passenden Tischen, Steckdosen und WLAN-Routern durchsucht. Über Feinheiten, zum Beispiel was die Zeiten angeht, in denen die Chorkapelle geöffnet wird, haben sich die beiden dann mit dem Gottesdienst-Team beraten, in dem sich auch Studierende engagieren.

Erstes kostenloses Angebot von Co-Working in der Kirche

Die Nutzung von Kirchenräumen als Co-Working-Spaces gibt es schon an anderen Orten. Oft ist das aber eher kommerzialisiert - zum Beispiel können sich Arbeitsgruppen in den Kirchenraum einmieten, um dort an bestimmten Projekten zu arbeiten. Ein vergleichbares kostenloses Angebot, das sich speziell an Studierende richtet, gibt es in der Region bislang noch nicht.

Jonas Singheiser ist einer der Studierenden, die vor der Hitze in die Kirche zum Lernen geflohen sind. "Ich habe das Plakat vor der Kirche gesehen und mich gewundert, was das hier wohl ist", sagt er.

Jetzt sitzt er an einem der kleinen Schreibtische, vor ihm steht sein Laptop, daneben eine Flasche Wasser und eine Tafel Schokolade, damit ist er vom Chorkapellen-Team versorgt worden. Singheiser sieht nur Vorteile des Projekts:

"Es ist einfach ein ruhiger Ort, an dem man automatisch runterkommt",

schwärmt er.

Vier Studieremde sitzen mit Laptops ans Schreibtischen in der Chorkapelle.
Co-Working in der Chor-Kapelle

Für Leyk und Flieger ist das Projekt jetzt schon ein voller Erfolg: "Uns ist es wichtig, dass die Leute wissen, dass diese schöne, ehrwürdige Kirche für das normale Leben da ist, dafür arbeiten wir das ganze Jahr." Niedrigschwellige Angebote wie das Projekt "Glühende Birne" seien ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

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