Wer weniger Geld hat, muss sparen - oder er tut neue Quellen auf. Das gilt auch für die evangelische Kirche in Bayern, die wegen sinkender Kirchensteuereinnahmen künftig viele Stellen nicht mehr oder nur noch teilweise finanzieren kann. Prominente Beispiele sind die Diakonenstelle der Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, die Leitungsstelle der "Begegnungsstätte Christen und Muslime" in Nürnberg oder die Stelle für das Umweltmanagement im Landeskirchenamt. Doch wie realistisch ist die Hoffnung, solche Arbeitsbereiche mithilfe von Spenden zu erhalten?

Wo Fundraising gut funktioniert

Sonja Merz kennt sich damit aus: Seit zehn Jahren sorgt die Fundraiserin des Dekanatsbezirks Fürth dafür, dass das Geld für eine halbe Seelsorgerstelle am Klinikum Fürth aufs Konto kommt, rund 20.000 Euro, Jahr für Jahr. Ihr Konzept ruht auf zwei Säulen: Einem lukullischen Event unter dem Motto "Zuhören und schlemmen", für das die Netzwerkerin schon Künstler wie Ben Becker oder Benno Führmann gewonnen hat.

Das zweite Standbein ist der Adventskalender: 3.000 Stück à fünf Euro hat sie 2020 verkauft. Der Clou: Hinter jedem Türchen verbergen sich Preise, vom Wellness-Wochenende bis zum Tausend-Euro-Gutschein beim ortsansässigen Möbelgeschäft. "Insgesamt sind es etwa 120 Preise, alle gespendet", erklärt die Fundraiserin. Per Klick erfährt man auf der Homepage, ob man bei den Gewinnern des Tages ist. Der Trick beim Kalender, sagt Merz, ist die Zielgruppe: "Den kauft jeder, egal ob jung oder alt, evangelisch, katholisch oder konfessionslos."

Natürlich berät die Expertin auch Kirchengemeinden, die beispielsweise eine Jugendleiterstelle über Fundraising finanzieren wollen. Möglich sei das, aber nur, "wenn die Menschen dafür brennen". Der Aufwand von Stellenfinanzierungen via Fundraising sei erheblich, "das macht man nicht nebenbei".

Stellenfinanzierung über Fundraising nicht dauerhaft ratsam

Heike Davidson, seit 2018 Fundraising-Referentin der bayerischen Landeskirche, sieht das ähnlich. "Eine permanente Stellenfinanzierung ist über klassisches Fundraising auf Dauer eher nicht möglich", sagt sie. Mittelfristige Lösungen seien mithilfe von Stiftungen denkbar. Skeptisch betrachte sie Pläne, die sich bei Stellenfinanzierungen "zu 100 Prozent auf Fundraising zu verlassen", so die Expertin. Realistischer "und auch fairer" sei es, wenn die Kirche solche Stellen zumindest mit einem finanziellen Grundsockel ausstatte.

Fundraising verbessert Gemeindeleben

Aber Geld ist nicht der einzige Gewinn des professionellen Spendensammelns. "Fundraising aktiviert Gemeinden, stärkt ihr Selbstverständnis, schafft Kooperationen und Netzwerke, erweitert Kontaktflächen, erreicht Kirchendistanzierte", betont Wolfgang Leiser, Leiter des kirchlichen Kompetenzzentrums Fundraising in Ansbach. 95 Prozent der Gemeinden, die vom Kompetenzzentrum beraten wurden, hatten bei einer Umfrage angegeben, dass sich ihr Gemeindeleben nachhaltig verändert habe. Diese "Nebenwirkung" sei jedoch nur den wenigsten bewusst: "Die meisten fangen mit Fundraising erst an, wenn es ums Geld geht", sagt Leiser.

Was die Ansbacher und ihre Kolleginnen in den Dekanaten und Kirchenkreisen wuppen, zeigen die nackten Zahlen: 3,82 Millionen an zusätzlichen Finanzmitteln haben sie allein im Jahr 2020 eingeworben - das macht 380.000 Euro pro Vollzeit-Fundraiser. Dennoch warnt Leiser vor zu großen Hoffnungen bei der Stellenfinanzierung: "Fundraising kann keine Regelfinanzierung ersetzen." Schließlich wolle niemand ein strukturelles Defizit unterstützen.

Fundraising bei Bau-Vorhaben hilfreich

Äußerst lohnend ist Fundraising aber zum Beispiel bei Bausachen. "Es gibt erstaunlich viele, manchmal auch skurrile Förderprogramme", weiß Ruth Vogeser, die seit einem knappen Jahr als Fundraiserin für die Dekanate München, Weilheim und Fürstenfeldbruck arbeitet. Oft seien Bauförderungen wie ein Puzzle: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, das Bundesfinanzministerium, die Soziallotterie oder verschiedene Stiftungen unterstützten verschiedene Aspekte eines Projekts.

"Man muss wissen, was es gibt, und Glück haben, die oft schmalen Zeitfenster von Förderprogrammen zu erwischen", sagt die Expertin des Münchner Kirchengemeindeamts. Wenn Vogeser die Möglichkeiten recherchiert hat, berät sie Kirchenvorstände, wie der Förderantrag zu schreiben ist. Denn eins sei klar: "Fundraising ist keine Leistung, die man einfach bestellen kann - das muss man selber machen."

Warum sich Fundraising für Kirchengemeinden immer lohnt

Ihre Kollegin Caroline Sperling kümmert sich derweil um das klassische Fundraising. Nächstes Großprojekt: die Sanierung der Sanitäranlagen auf der Zeltlagerinsel Lindenbichl im oberbayerischen Staffelsee für mehrere hunderttausend Euro. Auch das Konzept für "professionelles Kirchgeld" hat sie im Dekanat Weilheim vorgestellt. Die Nachfrage sei bislang aber noch nicht groß. Dabei lohne sich Fundraising für Gemeinden immer - wegen der erforderlichen Beziehungsarbeit. "Wenn sich das nicht lohnt in diesen Zeiten, wo Kirche immer weniger Mitglieder hat - was lohnt sich dann?" fragt Sperling. Es ist eine rhetorische Frage.