CDU-Chef Merz, immerhin Vorsitzender der größten Oppositionspartei im Bundestag, hat es mal wieder getan. Am Montagabend sagte er in einer Fernsehsendung über Ukraine-Geflüchtete:

"Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine."

Belegen konnte er diese Behauptung zwar nicht. Doch Merz' Logik zufolge ergibt sich das aus der Tatsache, dass Ukraine-Geflüchtete seit Juni in Deutschland Grundsicherung erhalten, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger*innen. Für den konservativen Politiker offenbar Grund genug, pauschale Verdächtigungen in den Raum zu stellen. 

Altbekanntes Spiel mit dem Feuer

Man kennt das Spiel inzwischen leider: Ein konservativer Politiker bedient mehr oder weniger offen rassistische Reflexe – und rudert wenig später wieder zurück. Am darauffolgenden Dienstag entschuldigte sich Merz für seine Aussagen – allerdings natürlich nicht klar und eindeutig, sondern mit dem Klassiker "Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung." 

Verletzend ist die Wortwahl sicherlich auch. Vor allem aber ist sie gefährlich. Denn auch die halbgare Entschuldigung, in Fachkreisen auch Nonpology genannt, macht die Aussage nicht ungeschehen. Sie steht weiter im Raum. Der Geist ist aus der Flasche, daran ändert auch ein bedauerndes 'Sorry' nichts. 

Anschlussfähig an rassistische Zerrbilder

Der Geist wiederum ist nichts anderes als das abgestandene Grundmisstrauen des Besitzbürgertums gegen jeden, der nicht so viel Geld zur Verfügung hat: Geflüchtete und Sozialleistungsempfänger*innen in diesem Fall. Gefährlich ist diese Haltung deshalb, weil sie absolut anschlussfähig an rassistische Zerrbilder der extremen Rechten ist: Vom vermeintlich gerissenen, bedrohlichen Fremden, der die naiven, gutmütigen Deutschen ausnutzt.

Längere Zeit waren die Ukraine-Geflüchteten vor diesen Verleumdungen etwas besser geschützt als etwa Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan. Doch die Schonzeit scheint vorbei, wie Merz' offener Angriff nahelegt. 

Unbedacht hat Merz seine Worte sicher nicht gewählt. Man muss sich nochmal rasch verdeutlichen, vor welchem Kontext diese geschehen: In Italien und Schweden schicken die Konservativen sich an, gemeinsam mit Rechtsextremen die Regierung zu stellen. Zwar hat Merz eine Koalition oder andersgeartete Zusammenarbeit mit der AfD bisher stets ausgeschlossen. Doch angesichts solcher Signale an Rechtsaußen-Wähler*innen muss man ganz genau hinschauen, ob das wirklich weiter Bestand hat. 

Beängstigende Entwicklung in Europa

Es sind wahrlich keine besonders optimistisch stimmenden Zeiten in Europa. Während im Iran massenhaft Menschen gegen ein faschistisches Regime auf die Straße gehen, feiern neofaschistische Parteien in europäischen Ländern Wahlerfolge.

Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen von Merz besonders kritisch zu sehen, denn natürlich ist es auch in Deutschland für konservative Parteien verlockend, mithilfe von Rechtsradikalen (oder, wie in Italien, als deren Helfer) an die Macht zu kommen, wenn es sonst kaum eine realistische Perspektive für sie gibt. Und man braucht nicht einmal die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zu bemühen, um diese Entwicklung im hohen Maß beängstigend und gefährlich zu finden.