Bahntickets kaufen ist keine Raketenwissenschaft – sollte man meinen. Erfahrene Zugreisende aber zweifeln: Denn Raketen kennen zumindest keine Tarifzonen. Da wird der Bahn- den Raumfahrer glatt um seine niederschwellige Routenplanung beneiden.

Hier ein kleiner Crashkurs zur Einstimmung auf das große "Danach" für all die, die das 9-Euro-Ticket nachhaltig auf den Geschmack gebracht hat. Ohne den unkomplizierten Sondertarif mit überregionaler Monats-Flatrate für wenige Euro muss der umweltbewusste Fahrgast nämlich so manche Besonderheit berücksichtigen.

Zwei Erwachsene mit vier Fahrrädern

Bei der Bahn kostet ein Kinderticket im Nahverkehr halb so viel wie eines für Erwachsene. Bei Einzelfahrten gilt ein Fahrgast bis 14 als Kind, im sogenannten TagesTicket Plus im Nürnberger Raum aber erst ab 18 Jahren als erwachsen.

Dieses Ticket ist in bestimmten Konstellationen kein schlechter Deal – wenn man weiß, wie es funktioniert: Zwei Über- und vier Unterachtzehnjährige dürfen damit unterwegs sein. Oder zwei Erwachsene mit vier Fahrrädern. Oder ein Vater mit pubertärem Sohn, Schoßhund in Transportbox (zählt nicht), stämmigem Kampfhund (zählt, Maulkorb verpflichtend), E-Bike, Großmutter und vier Enkelkindern auf Besuch unter 6 Jahren (zählen alle vier nicht). Drei Neunzehnjährige dagegen müssten das Tagesticket gleich zweimal erwerben, dürften dafür aber eine ganze C-Jugend-Handballmannschaft kostenlos mitnehmen. 

BahnCards greifen nicht im Nahverkehr

Ein Fahrrad braucht ein Kinderticket. Im Fernverkehr nicht, hier wird pauschal mit 8 Euro abgerechnet. Die BahnCard 25, die es für junge Menschen (hier unter 27) vergünstigt gibt, reduziert den Fahrradpreis im ICE um 2,60 Euro, genau wie die BahnCard 50, die andere Ticketpreise jedoch, nomen est omen, um 50 Prozent reduziert.

In der Regel. Denn die Vergünstigung ist bei den sogenannten Spar- und Super Sparpreisen bei 25 Prozent gedeckelt – hier haben BahnCard 25 und 50 also denselben Effekt. Die BahnCards greifen grundsätzlich nicht im Nahverkehr. Außer die BahnCard 100 (wenn auch mit einigen Ausnahmen). Diese kostet allerdings 4.144 Euro im Jahr – wird immerhin aber stilecht als Scheckkarte in modischem Schwarz verschickt.

Kein 9-Euro-Ticket für Fahrräder

Studierende mit Semesterticket dürfen ihr Fahrrad im Großraum Nürnberg kostenfrei mitnehmen. Allerdings nur in den Tarifzonen 100, 200, 300 und 400. (Fragen Sie mich nicht, was das bedeutet; mein Heimatort liegt jedenfalls in Zone 630. Glaube ich.) Erlaubt ist das aber nur unter der Woche vor sechs Uhr morgens und nach 19 Uhr abends, am Wochenende und an gesetzlichen Feiertagen dagegen uneingeschränkt. S- und Regionalbahnen wiederum sind grundsätzlich ausgenommen. Fußnote: Für ein Fahrrad kann man aktuell übrigens kein 9-Euro-Ticket kaufen, falls Sie sich das auch gefragt haben…

Ein Hund ist kein Fahrrad. Nur manchmal. Beziehungsweise ein Kind: "Wenn ihr Hund größer ist als eine Hauskatze", heißt es wörtlich im Ticketportal der Bahn, "dann braucht er ein eigenes Ticket." Bei der Online-Buchung, so die Anweisung, solle man für den Vierbeiner angeben, "dass ein Kind von 6-14 Jahren ohne Begleitung verreist." (Achtung: Ohne Begleitung darf der Wauwau natürlich nicht Zug fahren.) Das Ticket könne – anders als das für Kinder zum Beispiel – nicht als digitales PDF zur Verfügung gestellt werden, sondern werde per Post versandt ("3-5 Werktage"). Eine Sitzplatz-Reservierung jedenfalls benötigen Hunde nicht. Sie sollen Platz machen unter dem Sitz. Immerhin: Letzteres habe ich verstanden.

Menschen leben nicht in Tarifzonen

Wer Reisende langfristig bei der Schiene halten will, muss neben einer dauerhaften Preissenkung den Ticket-Wust entzerren. "Menschen leben nicht in Tarifzonen", konstatierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing jüngst messerscharf, "sie wollen von A nach B."

Es bleibt zu hoffen, dass der freimütige Demokrat den Worten zügig Taten folgen lässt – und die in jeder Hinsicht abgehobenen Tarife endlich auf den Boden holt. Endlich günstig, endlich unkompliziert – für Studierende und Pendler, Fahrradfahrerinnen, Herrchen mit Hund, Jung und Alt. So gelingt der überfällige Umstieg vielleicht noch vor der Einführung von Flugtaxis.

Alles keine Raketenwissenschaft. Oder? Der Countdown jedenfalls läuft: In drei Monaten stehen im Idealfall viele neu gewonnene Kunden am Ticket-Automaten. Houston, ready for takeoff!