Der Krieg in der Ukraine hat längst auch die Klassenzimmer erreicht: Schulkinder reagieren teils emotional auf den militärischen Konflikt - vor allem, wenn russische und ukrainische Kinder in einer Klasse sind. In Ostbayern ließen sich in den 1990er-Jahren viele ehemalige Angehörige der ehemaligen Sowjetrepubliken nieder. Der Direktor des Schulreferates im Kirchenkreis Regensburg der bayerischen Landeskirche, Oliver Spilker, über die momentane Lage in den Schulen.

Herr Spilker, Sie treffen im Klassenzimmer auf ganz unterschiedliche Gemütslagen. Wie reagieren die Kinder auf den Krieg in der Ukraine?

Spilker: Der Krieg hat die Klassenzimmer längst erreicht. Da brauche ich nur an meine letzte Unterrichtstunde in der 7./8. Klasse einer Mittelschule zu denken: Das eine Kind fürchtet sich vor einem Atomkrieg, ein anderes erklärt, dass der Westen schuld am Krieg sei. Ein russisches Kind erklärt seinem Banknachbarn, einem ukrainischen Kind, dass sie doch Freunde seien. Und das ukrainische Kind, das schon länger in Deutschland lebt, schweigt vor der Klasse. Zuvor hatte es mir geschildert, dass es Angst um seinen Bruder in der Ukraine habe, der im Krieg kämpfe. Auf diese sehr verschiedenen Bedürfnisse der Kinder müssen wir Lehrkräfte derzeit im Unterricht reagieren.

"Gerade für Kinder von Eltern, die hinter der russischen Politik stehen, stellt der Krieg eine Identitätskrise dar."

Wie positionieren Sie sich als Lehrkraft, wenn ein russischstämmiges Kind den Krieg rechtfertigt?

Spilker: Zunächst positioniere ich mich immer auf der Seite des Friedens. Aber gerade für Kinder von Eltern, die hinter der russischen Politik stehen, stellt der Krieg eine Identitätskrise dar. Russland ist für viele Kinder ein Ort, wo ihre Verwandten leben, wo sie glücklich ihre Sommerferien verbringen. Sie haben zu diesem Land eine Beziehung, die einer Mutter-Kind-Beziehung ähnlich ist: Das Kind liebt nach wie vor seine strafbar gewordene "Mutter" Russland, und spürt die Zerrissenheit. Dann erleben sie, dass alle Welt scheinbar gegen sie ist. Und sie wissen auch, dass Krieg eigentlich grundsätzlich schlecht ist. Auch diese Spannung müssen die Kinder aushalten. Gleichzeitig muss ihnen signalisiert werden, dass sie als Mensch und mit ihrer Sprache und ihrer Herkunft angenommen sind - genauso wie das ukrainische Kind.

"Das Klassenzimmer ist der Ort, wo wir gut miteinander auskommen wollen und Frieden üben können."

Bislang wurden noch keine ukrainischen Kriegsflüchtlinge in die Schulen aufgenommen. Wie bereiten Lehrkräfte ihre Schüler auf diese Situation vor?

Spilker: Der Erziehung zur Empathie kommt eine besondere Bedeutung zu, gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Das bedeutet: Wenn es jemanden nicht so gut geht - dann können wir ihm helfen. Wir können mit ukrainischen Flüchtlingskindern Fußball spielen und ihnen etwas Deutsch beibringen und selbst ein paar ukrainische Ausdrücke lernen, können von unserem Taschengeld ein Spiel kaufen und ihnen das Spiel beibringen. Das Klassenzimmer ist der Ort, wo wir gut miteinander auskommen wollen und Frieden üben können.